CeBIT 2012: Thema ist Vertrauens-Management

07.10.2011
CeBIT-Chef Frank Pörschmann erklärt im CW-Gespräch das Leitthema der kommenden CeBIT, welche Services die Aussteller erwarten können und warum die Besucherqualität wichtiger ist als die -quantität.

CW: Managing Trust ist das Leitthema der CeBIT 2012. Wie sind Sie darauf gekommen?

Pörschmann: Vertrauen ist das zentrale Thema der weltweiten ITK Branche und zunehmend auch für stark IT-gestützte Anwenderindustrien. Die Frage ist, ob und unter welchen Bedingungen Nutzer neue Technologien wie Cloud Computing annehmen können oder weiter an alten Nutzungsgewohnheiten festhalten wollen. Es beschäftigt alle Beteiligten: die Anbieter- und die Anwenderseite, die Politik und auch die gesamte Consumer-Community.

CW: Woher wissen Sie das?

Pörschmann: Die Wahl des Topthemas folgt einem sorgfältig ausgearbeiteten und umfangreichen Prozess, bei dem alle Stakeholder involviert sind. Das sind die CEOs aus der internationalen ITK-Anbieterindustrie, aber auch CIOs aus den Anwenderunternehmen. Erstmals für 2012 haben wir auch die Konsumenten über Social-Media-Verfahren online in den Entscheidungsprozess einbezogen.

CW: Bezieht sich das Thema Managing Trust nicht ausschließlich auf Cloud Computing?

Pörschmann: Für mich ist es die logische Fortsetzung des Vorjahresthemas Cloud. Es berührt alle Bereiche des ITK-Umfelds, Prozesse, Dienste, Applikationen und auch die Endgeräte, bei denen der Ruf nach Kontrolle und mehr Sicherheit zunehmend lauter wird. Es betrifft aber auch etablierte Themen wie Privacy und Datensicherheit. Das Phänomen Cybercrime gab es ja schon längere Zeit vor der Cloud-Diskussion.

CW: Managing Trust ist ein Thema, mit dem sich die CeBIT politisch in die Nesseln setzen kann. US-Behörden haben vermutlich andere Vorstellungen von einem Rechtsrahmen für Cloud Computing als deutsche.

Pörschmann: Sicher, da wird und soll es sogar Diskussionen geben. Die kommende CeBIT wird gesellschaftsrelevanter und stellt bewusst den Menschen in den Mittelpunkt der Diskussionen. Wir brauchen den internationalen Diskurs zwischen Anwendern, Anbietern, Politikern, Wissenschaftlern und Medienschaffenden - die Problemseite lässt sich ja aktuell in den Medien verfolgen. Für den Lösungsdiskurs wollen wir eine internationale Plattform bieten.

CW: Müsste es nicht das Ziel der CeBIT sein, zu einer gemeinsamen, verbindlichen Erklärung der ITK-Hersteller in Sachen Sicherheit und Datenschutz zu kommen, damit Managing Trust nicht nur eine Worthülse bleibt?

Pörschmann: Die CeBIT ist eine Plattform für die gesamte ITK-Industrie. Als solche wollen wir gezielt den Dialog anregen. Wir können und wollen aber kein Ergebnis vorwegnehmen, das ist nicht die Rolle einer neutralen Plattform wie der CeBIT. Ich persönlich würde mich freuen, wenn es uns gelänge, den Austausch hin zu einer Trust-Agenda zu motivieren. Denn alle wissen: Es gibt technische, regulatorische und psychologische Knoten in der Entwicklung, die kein Unternehmen und kein Gremium für sich alleine lösen kann.

CW: Die wirtschaftlichen Vorzeichen für die CeBIT 2012 sind nicht günstig. Euro- und Finanzkrise sind Risiken, mit denen Sie kalkulieren müssen. Welche Erwartungen haben Sie an die CeBIT 2012?

Pörschmann: Unser Anspruch ist es, weiter zu wachsen. Die Indikatoren dafür sind im Moment positiv. Die wirtschaftlichen Krisenszenarien, die derzeit vielerorts gezeichnet werden, schlagen sich nicht sichtbar auf der CeBIT nieder. Unsere Anmelderquote liegt momentan über den Werten des Vorjahres. Alle großen Unternehmen, die 2011 da waren, wollen wiederkommen, das gilt auch für die Neuzugänge und Rückkehrer. Insofern sind wir guter Stimmung. Ingesamt aber erfahren wir auch den Effekt einer zunehmenden Volatilität der Weltwirtschaft und begegnen dieser Herausforderung bewusst durch unsere eigene Internationalisierung und den Ausbau unseres Portfolios.

CW: Ist es nicht eher so, dass Standbuchungen immer kurzfristiger eintreffen?

Pörschmann: Das gilt eher für kleinere, kurz entschlossene Aussteller. Aber eine CeBIT ist ja auch mehr als nur ein Stand, und einer Buchung geht in der Regel ein Austauschprozess voraus. Wir sind ja auch frühzeitig in die Planung und zunehmend auch in die Beratung von Unternehmen involviert. Das macht unsere Geschäftsentwicklung planbar. Die mittleren und großen Aussteller und auch die öffentlichen Institutionen legen sich früher fest.

CW: Auf der diesjährigen CeBIT waren die großen Aussteller sehr präsent. Werden die kleinen Anbieter nicht immer mehr an den Rand gedrängt?

Pörschmann: Selbstverständnis der CeBIT ist es, eine Plattform zur Geschäftsanbahnung zu sein - unabhängig von der Größe und Finanzkraft der beteiligten Unternehmen. Wir haben dazu eine Reihe von Dienstleistungen zur Lead-Generierung aufgebaut, die besonders bei kleineren und mittleren Unternehmen einen großen Nutzen erzeugen. Sie können damit den bestmöglichen Erfolg aus dieser Veranstaltung ziehen und helfen, den Return on CeBIT aufzuzeigen. Voraussetzung ist allerdings eine rechtzeitige Planung und Umsetzung, damit diese Instrumente im Vorfeld der Messe ihre volle Kraft entfalten können.

CW: Von welchen Services sprechen Sie?

Pörschmann: Zum Beispiel den Matchmaking-Services sowie den Lead-Generierungs-Kampagnen, die darauf ausgerichtet sind, einem Unternehmen gezielt Kontakte mit neuen Interessenten zu verschaffen. Die CeBIT identifiziert und mobilisiert im Auftrag der ausstellenden Firmen Besuchergruppen, die verbindlich an den Stand geführt werden.

CW: Die Aussteller buchen also eine Art Full-Service-Paket bei Ihnen?

Pörschmann: Genau. Es geht nicht mehr ausschließlich darum, eine Fläche zu verkaufen - die alleine bringt noch keinen Mehrwert. Wichtig ist, dass die Aussteller definieren, was ihre Ziele in Marketing, Vertrieb und Brand-Messaging sind. Von diesem Punkt an unterstützt unser Team die Beteiligungsform, die sich am besten dazu eignet, Positionierungen und Zusatzmaßnahmen abzuleiten, die dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Wir sind also selbst Lösungsanbieter.

CW: Wie gehen Sie als ITK-Messe mit der Herausforderung um, dass es tendenziell immer weniger zu zeigen gibt? IT wird zur Dienstleistung, Trends wie Cloud Computing, Web 2.0, aber auch Commodity-Hardware sind nicht gerade geeignet, eine Show zu liefern.

Pörschmann: Die CeBIT ist ein Marktplatz zur Geschäftsanbahnung, keine bloße Produktschau. Wir müssen uns frei machen von der Fokussierung auf das Dingliche der Technik als solches. Heute ist es oft nur noch ein kleiner Chip, unsichtbar in einem Gerät, und Software und Apps sind eben nicht haptisch. Wir müssen uns auf zwei Aspekte konzentrieren: erstens darauf, die Menschen, die sich mit ITK-Themen beschäftigen, untereinander zu vernetzen. Und zweitens: Wenn wir die Technologie schon nicht anfassen können, müssen wir ihren Beitrag zumindest erlebbar machen. Wir stellen das Erleben der digitalen Welt in den Mittelpunkt. Deshalb haben wir auch Veranstaltungen wie CeBIT Sounds, Digital Drive, vernetztes Haus und so weiter.

CW: In den letzten Jahren haben Sie viel dafür getan, die CIOs wieder auf die Messe zu holen...

Pörschmann: ...mit dem House of CIOs haben diese erstmals eine physische Heimat bekommen. Sie waren untereinander und in ihren Gruppen bereits vernetzt, aber auf der CeBIT haben sie zusätzlich die Chance, geordnet und in angemessenem Rahmen ihre eigenen Themen auszutauschen und mit den Anbietern effizient in Kontakt zu treten. Das ist neu und wird weiter ausgebaut. Die CeBIT-Community soll im kommenden Jahr noch internationaler sein.

CW: Sie wollen also eine höhere Besucherqualität. Auch unter Verzicht auf volle Messehallen?

Pörschmann: Unser Ziel ist nicht die Maximierung irgendwelcher Besucherzahlen. Jeder, der auf der CeBIT ist, soll für sich seinen individuellen Nutzen daraus ziehen können. Damit ist die Besucher- und Angebotsqualität ein wesentlicher Faktor.

CW: Es war ja im letzten Jahr nicht besonders schwierig, zum Beispiel auf Ebay an ein billiges Ticket zu kommen.

Pörschmann: Das wird sich 2012 ändern. Jeder, der glaubt, mit einem Ein-Euro-Ebay-Ticket seine Tüten an den CeBIT-Ständen mit Merchandising-Produkten füllen zu können, sollte auf Überraschungen vorbereitet sein. Diese Menschen könnten an den Eingangstüren plötzlich feststellen, dass ihr Ticket keine Gültigkeit hat. Deshalb mein Aufruf an jeden CeBIT-Interessenten, sich im Vorfeld zu registrieren und die zahlreichen legalen Wege zu suchen, durchaus auch über die spannenden Partner- und Ausstellerkampagnen.

von Heinrich Vaske

Mehr CRM, ERP und BI

Auf der CeBIT sollen auch klassische Themen wie CRM, ERP und BI künftig wieder eine wichtigere Rolle spielen. "An diesen Stellen hat die Messe in der Vergangenheit Federn lassen müssen", gibt Gerald Munderloh, Vice President der CeBIT, zu. Das soll sich jetzt ändern. Unterstützung suchen die Veranstalter der weltgrößten IT-Messe dafür bei Spezialisten und Experten. So soll es beispielsweise im kommenden Jahr mit der CRM-Expo@CeBIT einen Ableger der CRM-Fachmesse in Hannover geben. In Sachen ERP will die CeBIT mit Trovarit kooperieren. Das Thema BI will man gemeinsam mit den Spezialisten von Barc forcieren. Mundeloh glaubt, auf diesem Wege alte Kernthemen der CeBIT wieder stärker mit Leben zu füllen, will aber nicht zu euphorisch sein. Die jetzt gestarteten Initiativen seien zarte Pflänzchen, die über die nächsten Jahre langsam wachsen sollten.