CD-ROM-Einfuehrung laesst den Markt aufbluehen Immer mehr Anbieter entdecken das eintraegliche Spiele-Business

21.04.1995

MUENCHEN (ade) - Die Jahre, in denen Hersteller von Videospielkonsolen a la Nintendo oder Sega auf dem Markt der Videospiele konkurrenzlos absahnten, gehoeren der Vergangenheit an. Nicht nur, dass Anbieter von PC-basierten Games dank leistungsfaehigen Prozessoren und vor allem der Einfuehrung von CD- ROM-Laufwerken wie Pilze aus dem Boden schiessen - Firmen wie Electronic Arts, Mindscape oder Br+derbund verzeichnen Umsatzzuwaechse, von denen manch ein Client-Server-Hersteller nur traeumen kann. Sogar alteingesessene Anbieter von Unternehmens-DV wie Microsoft oder Wordperfect wollen jetzt an dem milliardenschweren Markt der Spieleindustrie teilhaben.

Den bis vor einiger Zeit nahezu wettbewerbslosen Herstellern von konsolenbasierten Videospielen Sega und Nintendo weht der Wind haerter ins Gesicht. Hersteller von PC- oder Macintosh-Spielen treten an, um den traditionellen Spieleanbietern Konkurrenz zu machen. Zwar sind Nintendo-Spielkonsolen in den USA noch immer weiter verbreitet als herkoemmliche PCs - alleine im letzten Jahr hielt der Konzern in den Vereinigten Staaten einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Doch das Geschaeft mit PC-Computerspielen boomt wie nie zuvor.

"Entertainment macht derzeit ueber 40 Prozent des gesamten Multimedia-Geschaefts aus", freut sich Richard Eittreim, Director International Business Development beim Spieleproduzenten Mindscape aus Novato, Kalifornien. Rund 11 000 der etwa 100 bis 150 Mark teuren Games seien alleine im letzten Jahr weltweit ueber den Ladentisch an die vorwiegend zwischen zehn und 17 Jahre alte Kundschaft gegangen.

Der Markt fuer PC-Computerspiele laesst sich in verschiedene Kategorien einteilen. Denk- und Geschicklichkeitsspiele wie "Tetris" sowie Action-Games und Flugsimulatoren beziehungsweise Weltraumspiele dominieren derzeit den Markt.

So gilt Microsofts "Flight Simulator" vor allem bei der etwas aelteren Kundschaft nach wie vor als Evergreen. Besonders aber der "Wing Commander 3" (WC 3) von der Electronic-Arts-Gruppe Origin hat sich zum Kassenschlager entwickelt. Kein Wunder: Auf vier CDs bietet dieses Spiel Videos, Musik und Joystick-Geruehre vom Feinsten. Um das vier bis fuenf Millionen Dollar teure Projekt moeglichst realistisch zu gestalten, wirkten professionelle Schauspieler wie Mark Hamill mit, der bereits im Star-Wars-Film die Hauptrolle uebernommen hatte. "Das war eigentlich der erste interaktive Film", erklaert Michael Hengst, Chefredakteur der Spielezeitschrift "Power Play". Rund zwei Stunden Movie flimmere bis zum Game-Over auf dem Monitor. "Da steckt Geld drin", unterstreicht Hengst die derzeitige Situation der Spiele-szene. Das Geschaeft laufe so gut, dass sich Hengst kuenftig bei einem Spielehersteller seine Broetchen verdienen wolle. Alleine im Origin-Forum des Online-Service "Compuserve" tauschen tagtaeglich Hunderte von WC-3-Fans Tips und Tricks aus.

Politische und wirtschaftliche Simulationen locken andererseits vor allem aeltere Kunden, die groesseren Wert auf den Anspruch eines Spiels legen. "Sim City" und "Sim Ant" sowie "Civilization" bieten dabei teilweise historische Umgebungen. Absoluter Spitzenreiter in puncto Action-Games ist im Moment zweifelsohne "Doom" von ID- Software. "Weltweit spielen es Millionen, hierzulande ist es indiziert: Ein blutruenstiges Computerspiel verbreitet sich durch die Datennetze", war erst kuerzlich im "Spiegel" zu lesen.

"Was die Zukunft bringt sind Spiele, Spiele, Spiele"

Ob einsam zu Hause vor dem Monitor oder in der Gruppe via Netz: Doom hat mittlerweile Millionen Fans in seinen Bann gezogen. Ueber einen regen Verkauf koennen sich derzeit auch Hersteller von Fantasy- und Rollenspielen freuen. Vor allem "Ultima 8" vom WC-3- Produzenten Origin verkauft sich wie warme Semmeln.

Aber auch "serioese" Hersteller von Business-Applikationen wollen sich das Milliardengeschaeft mit dem elektronischen Spielzeug nicht entgehen lassen. So hat etwa die Novell-Tochter Wordperfect vor rund einem Jahr eine eigens fuer den Heimmarkt positionierte Produktlinie "Main-Street" auf den Markt gebracht. Nicht nur Spiele, sondern auch abgespeckte Versionen von Textverarbeitungen, Datenbanken oder Terminplaner sollen das Business mit dem Consumer ankurbeln. Selbst der bis vor kurzem auf das bierernste Geschaeft mit Grosskunden und kleineren Bueros eingestellte Softwareriese Microsoft will sich nun mehr denn je privaten Benutzern widmen. Sowohl Kinder als auch Jugendliche und erwachsene Endanwender hat der Windows-Anbieter ins Visier genommen.

"Was die Zukunft bringt, sind Spiele, Spiele und nochmals Spiele", machte denn auch Paul Osborne, General Manager bei Microsoft, klar, auf welchen Bereich das Unternehmen aus Redmond in Zukunft sein Augenmerk richten will.

Microsofts Streben nach dem Endanwendermarkt ist verstaendlich. Rund 92 Prozent aller derzeitigen Videospiele basieren auf Konsolen, beklagt sich etwa Alex St. John, als Technical Evangelist zustaendig fuer das Spieleengagement des Quasimonopolisten.

Um die anvisierte Kundschaft von Sega und Nintendo ueberzeugen zu koennen, arbeitet Microsoft derzeit mit Unternehmen zusammen, die moeglichst viele der Konsolen-Games auf das kuenftige 32-Bit- Betriebssystem Windows 95 portieren. Doch bereits heute hat die Gates-Company eine Reihe von Consumer-orientierten Applikationen parat. Unter dem Titel Home-Linie bringt Microsoft nicht nur Spiele wie den Flugsimulator, "Basketball", "Baseball" oder das Kino-Lexikon "Cinemania" auf den Markt, sondern offeriert auch "ernsthafte" Programme wie die Enzyklopaedie "Encarta" fuer den Einsatz im trauten Heim.

Fuer die Zukunft ist ohne Zweifel der Markt fuer Online- und Windows-Spiele anvisiert. Waehrend Spiele-Grosslieferant Sierra in Zukunft fast ausschliesslich fuer Microsofts Windows entwickelt, konzentrieren sich andere derzeit auf Spiele, die es ermoeglichen, mehrere Mitspieler via Modem gemeinsam zu beteiligen. Auch beim Anbieter von "Carmen Sandiego", Br+derbund, sind Online-Games ein Muss fuer die Zukunft.