Weltweites Managementsystem TMN erfordert genaue Definition von Protokollen:

CCITT tüftelt an zentralem Management

18.08.1989

Seitdem sich Telekommunikationsnetze aus der vollständig analogen Struktur der Vergangenheit in die heutigen integrierten digitalen Netze und das breitbandige ISDN von morgen entwickeln, stellt sich die Frage nach ihrer Administration, Steuerung und Überwachung vollkommen neu. Das Problem wird sowohl national als auch international intensiv studiert. CCITT (Comité Consultatif International Télégraphique et Téléphonique) arbeitet derzeit am Konzept "Telecommunications Management Networks (TMN)" und wird im Laufe der derzeitigen Studienperiode (1988 bis 1992) Empfehlungen. das heißt Standards einführen.

Die Telekommunikation und ihre Netze beschäftigen sich mit der Übermittlung von Informationen in Form von Sprache, Texten, Bildern und Daten. Telekommunikation findet zwischen Menschen und Maschinen in allen möglichen Kombinationen auch über sehr große Distanzen mit Hilfe der Telekommunikationsnetze statt. Es wird zwischen den Vermittlungsnetzen und den Übertragungsnetzen unterschieden:

- Auf den einzelnen Vermittlungsnetzen - hierzu zählen das Fernsprech-, Telex-, die Datexnetze - werden die jeweiligen Dienste, wie Fernsprechen, Fernschreiben, Teletex, Dateidienste, abgewickelt. Aufgrund der gemessenen und geplanten Verkehrsanforderungen wird der Bedarf an Kanälen ermittelt und vom Übertragungsnetz bereitgestellt. Zum Aufrechterhalten der Dienste ist es erforderlich, die Verfügbarkeit der Übertragungsnetze sicherzustellen.

- Wichtigste Funktion des Übertragungsnetzes dagegen ist es, die Verbindungsanforderungen von Vermittlungs- und festgeschalteten Netzen mit optimaler Qualität und höchster Sicherheit zu erfüllen. Konfiguriert ist das Übertragungsnetz als eng vermaschtes Netz, über dessen Knoten die physikalischen Verbindungen geschaltet werden (Liniennetz). Es wird angestrebt, diese physikalischen Verbindungen aus Gründen der Verfügbarkeit über mehrere verschiedene Trassen zu führen.

Die Hauptgründe für die Schaffung von TMN durch die internationalen Institutionen liegen in mehreren Erwartungen:

- Hohe Dienstqualität und Netzverfügbarkeit bei vernünftigen Kosten,

- rationelle Arbeitsmethoden

- standardisierte Arbeitsabläufe.

Unterstützende Rechnersysteme mit zentralisierten Arbeitsplätzen bedienen heute Netze mit Ausrüstungen verschiedener Art, in unterschiedlichen Versionen und von unterschiedlichen Herstellern. Um zukünftig hohe Qualität bei vertretbaren Kosten zu gewährleisten, ist es fundamental, daß die Netzwerkressourcen standardisierte Management-Schnittstellen mit zugehörigen Funktionen und Abläufen erhalten.

Die Effizienz von TMN hängt von drei Basisfaktoren ab:

- TMN muß in seinem Telekommunikations-Managementkonzept alles beinhalten. Dies umfaßt sämtliche funktionalen Bereiche, das heißt das Management der Netzkonfiguration und ihrer Leistung, die Überwachung auf Fehler und Ausfälle einschließlich schneller Reaktion, die Abrechnung für Benutzer sowie die Sicherheit der Netze. TMN muß dazu mit allen Instanzen der Vermittlungs- und Übertragungsnetze kommunizieren, also mit Vermittlungsstellen, Übertragungsknoten und den Netzwerkendgeräten. Dazu muß es ein abstraktes Abbild nicht nur dieser Kommunikationspartner, sondern des TK-Netzes insgesamt führen und ständig vervollständigen.

- TMN muß alle Telekommunikationsnetze bedienen können: IDN, ISDN, Datennetze sowie die existierenden, digitalen und analogen Netze. Es muß Dienst- und Netzübergänge ebenso berücksichtigen wie künftige Migrationswege. Die bereits vorhandenen Managementinstanzen der TK-Netze müssen mit TMN-lnstanzen kommunizieren können.

- Das Management von Ausrüstungen unterschiedlicher Typen und Hersteller erfordert natürlich standardisierte Schnittstellen. CCITT und andere Institutionen erarbeiten derzeit Empfehlungen für die Architektur, Funktionen und Schnittstellen von TMN. Am weitesten fortgeschritten ist dabei die US-amerikanische Standardisierungsbehörde ANSI (American National Standards lnstitute) mit ihrem Standardisierungskommitee für Telekommunikation T1. Die Arbeit dort basiert auf den Managementprotokollen von OSI, erweitert diese jedoch im Sinne der TK-Bedingungen.

Die Architektur von TMN sieht eine Trennung zwischen den zu administrierenden Netzen und den Managementeinrichtungen vor (Bild 1). TMN ist als "Overlay"-Netzwerk für die TK-Netze geplant mit eigenen Übertragungswegen und zugehöriger Protokollarchitektur. Eine Hierarchie von Rechnersystemen, "Operations Systems" genannt, führt die Managementaktivitäten aus und kommuniziert dazu sowohl untereinander als auch mit den einzelnen Systemen im TK-Netz, die Netzwerkelemente genannt werden.

Physisch besteht TMN aus zwei Systemsorten und aus zwei Netzwerkarten (Bild 2):

- Operationssysteme (OS) zur zentralen, dezentralen und gegebenen falls funktional spezialisierten Netzwerkkontrolle,

- dem Datenkommunikationsnetz (DCN) für die Datenfernübertragung zwischen TMN-lnstanzen,

- Vermittlungseinrichtungen (MD), die insbesondere herkömmliche Einrichtungen an die Operationssysteme koppeln, und

- dem lokalen Kommunikationsnetz (LCN), das der örtlichen Übertragung in einzelnen Betriebsstellen dient.

T1 hat mehr als 150 Befehle definiert

Die zu verwaltenden Objekte von TMN sind im Begriff Netzwerkelemente (NE) zusammengefaßt. Dabei wird wiederum unterschieden in

- die Netzwerkelemente selbst; hierunter fallen alle Vermittlungssysteme, Übertragungsknoten und Verstärkerstellen sowie Leitungen Anschlüsse, Multiplexer etc.,

- Gruppen von NEs wie Schaltungen, Verbindungen und Pfade im Netz, sowie schließlich

- Teile der NEs, insbesondere die Wartungseinheiten, Baugruppen etc.

Die Managementobjekte werden mittels der sogenannten Q-Schnittstellen an das TMN angeschlossen. Die Q-Schnittstellen verbinden darüber hinaus die einzelnen TMN-Systeme miteinander. Bedienstationen kommunizieren mit einer F-Schnittstelle entweder direkt mit einem Netzwerkelement oder mit TMN-Teilen. Verschiedene TMN-Netze sollen künftig über eine X-Schnittstelle miteinander interagieren. Die Q-Schnittstellen werden gerade spezifiziert, während die Arbeit an den F- und X-Schnittstellen noch gar nicht begonnen hat.

Die funktionalen Bereiche von TMN fallen in zwei Kategorien: die allgemeinen TMN-Funktionen und die TMN-Anwendungsfunktionen. Die allgemeinen Funktionen werden für die Arbeit innerhalb des TMN selbst benutzt und umfassen: Transport von Daten zwischen TMN-Teilen, Speicherung von Daten, Zugriffssicherheit, Archivierung, Verarbeitungsfunktionen zur Analyse und Auswertung sowie Unterstützung von Bedienerarbeitsplätzen. Die Anwendungsfunktionen von TMN werden dagegen zur Bedienung der zu administrierenden Netze eingesetzt. Die Befehls- und Nachrichtenliste ist in die funktionalen Bereiche des OSI-Managements gegliedert (siehe Kasten)

Die erwähnte amerikanische Normierungsgruppe T1 hat eine Liste von mehr als 150 Befehlen aus den erwähnten Arbeitsbereichen definiert. Dabei sind die beiden letztgenannten (Abrechnungs- und Sicherheitsmanagement) noch gar nicht ausreichend berücksichtigt worden. Diese Liste wird "OAM&P-Funktionsliste" genannt (Operation, Administration, Maintenance and Provisioning). Es muß nicht erwartet werden, daß jede Funktion darin von jedem NE oder auch jedem TMN genutzt werden wird. Für bestimmte Anwendungen wird sie zu umfangreich sein, für andere nicht spezialisiert genug.

Alle TMN-Schnittstellen basieren auf OSI-Protokollen (Bild 3). Grundlage der definierten OAM&P-Funktionsliste ist einerseits FTAM (File Transfer, Access and Management) für die rein dateiorientierten Funktionen, andererseits CMISE (Common Management Information Service Element) und ROSE (Remote Operations Service Element) zur Unterstützung der transaktionsorientierten Managementfunktionen. Alle Funktionen greifen auf ACSE (Association Control Service Element) zurück, das allgemein die Kontrolle über Datenverbindungen erlaubt. FTAM, ROSE und ACSE liegen als Empfehlung oder internationaler Standard bei CCITT oder ISO vor; CMISE ist weitgehend als technisch stabil zu betrachten (derzeitiger Status ist "Draft International Standard").

Der wirtschaftliche Betrieb von modernen, hochkomplexen Telekommunikationsnetzen stützt sich auf ein effizientes, automatisiertes Netzmanagement. Das heißt, rechnergestützte Automatisierungs-, Kontroll- und Optimierungssysteme

sorgen für maximale Nutzung der Netzkapazität - vor allem in Störungs- und Überlastsituationen - sowie für die Bereitstellung aller gebotenen Dienste in hoher Qualität. Dies geschieht durch Überwachen und Steuern des Nachrichtennetzes auf bestmögliche Verkehrsabwicklung hin, und zwar mit Vorteilen für Betreiber und Benutzer.

Dieser Bedarf nach effizienter Organisation und Administration der TK-Netze bei vernünftigen Kosten erfordert neue Managementsysteme mit standardisierter Architektur. Die TMN-Architektur ermöglicht eine große Bandbreite an Systemen, die die unterschiedlichsten Anforderungen erfüllen. Die Automatisierung betrifft Netzressourcen mit standardisierten oder nichtstandardisierten Schnittstellen und zeigt damit auch Migrationswege auf.

Erhöhte Sicherheitsanforderungen

Um vom TMN-Konzept zu weltweit kooperierenden Managementsystsmen zu kommen, muß allerdings noch eine Reihe von Problemen gelöst werden. Darunter fällt die Definition der Q-, F- und X-Protokolle ebenso wie die Modellierung der Netzwerkobjekte in Management-Informationsbanken. Darüber hinaus muß die Funktionalität und innere Konsistenz der OAM&P-Liste sichergestellt werden, wobei die erhöhten Sicherheitsanforderungen von TK-Netzen nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Dennoch muß TMN von der Nutzern und Betreibern der Netzwerke als große Chance betrachtet werden, da standardisiertes, rechnergestütztes Netzwerkmanagement für den leistungsfähigen und wirtschaftlichen Betrieb von TK-Netzen in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird.

Funktionale Bereiche des OSI-Managements

Performance Management:

- Leistungsüberwachung sammelt ständig die Performancedaten im Netz.

- Verkehrssteuerung überwacht die Informationsströme und reagiert auf Ausnahmesituationen.

- Beobachtung der Dienstqualität zeichnet alle Parameter auf, die Aufbau und Abbau von Verbindungen sowie ihre Qualität indizieren.

Fehlermanagement und Wartungsunterstützung:

- Alarmüberwachung reagiert aus Ausfälle von Netzelementen und bestimmt Art und Bedeutung des Fehlers.

- Fehlerlokalisierung liefert weitere Informationen zur exakten örtlichen Eingrenzung eines Ausfalls in NE-Subsystemen.

- Testeinrichtungen analysieren den Zustand von Verbindungen und Ausrüstungen.

Konfigurationsmanagement:

- Logistik verwaltet die Netzwerkausrüstung, sorgt für Ersatzteile und setzt die einzelnen Teile in Betrieb.

- Status und Kontrolle steuert und überwacht (auf Anfrage) die Network-Elements-Arbeit soweit nötig.

- Installation, unterstützt logisch die Maßnahmen zum Aufbau, zur Erweiterung und Verkleinerung von Netzelementen.

Abrechnungsmanagement

sorgt für die Verfügbarkeit von Abrechnungsinformationen.

Sicherheitsmanagement

sichert den Zugriff auf die gespeicherten Informationen und sorgt für die vertrauenswürdige Bearbeitung der Daten.