Automobilhersteller spart Aufwendungen für externe Trainer

CBT: Konventionelle Schulung ist nicht immer die beste Lösung

15.05.1992

Computer Based Training (CBT) verringert den Aufwand bei der Koordination von Schulungsmaßnahmen und entlastet damit die zentralen Fortbildungsabteilungen der Unternehmen. Daneben läßt sich durch den Wegfall von Trainerhonoraren bei nachweislich sichergestelltem Lernerfolg eine Menge Geld sparen. Am Beispiel einer Großrechnerapplikation beschreibt Jens Geisel*, wie die Volkswagen AG in Wolfsburg vom Einsatz computergestützter Lernprogramme profitiert.

ISPF (Interactive System Productivity Facility) ist ein umfangreiches Großrechner-Utilitypaket, das unter anderem zum Verwalten und Editieren von Datenbeständen dient. Bei Volkswagen arbeiten rund 6000 Mitarbeiter mit diesem Tool. Aus der großen Anwenderzahl ergibt sich ein entsprechend hoher Schulungsbedarf.

"Bis vor einiger Zeit haben wir zur ISPF-Ausbildung zweitägige Seminare angeboten", berichtet Christoph Smolinski von der Zentralen Fortbildungsabteilung der Volkswagen AG. "Doch seit etwa einem Jahr verlagern wir den Ausbildungsschwerpunkt bei dieser Anwendung auf ein Großrechner-CBT."

Das Lernprogramm stammt von der Neustädter Internationalen Consulting und Rechenzentrum GmbH (ICR). Der Automobilkonzern hat eine Firmenlizenz erworben, so daß heute alle 6000 ISPF-Anwender ohne Zugangsbeschränkung mit dem ICR-CBT arbeiten können.

Das Programm könnte mittelfristig die bisher abgehaltene konventionelle ISPF-Schulung komplett ersetzen. Erste vielversprechende Erfahrungen brachte der Einsatz im Rahmen einer DV-Nachwuchskräfte-Ausbildung, bei der das Lernprogramm als begleitende Maßnahme zum Zuge kam. Dank der positiven Resonanz auf dieses Pilotprojekt sollen Lernende bei VW in Zukunft nur noch einen Leitfaden zum gezielten Durcharbeiten des umfangreichen CBTs erhalten .

Der Leitfaden enthält eine Liste der Trainingsprogramm-Module, die ursprünglich Themen des Seminars waren. Wenn der Anwender das CBT mit Hilfe des Leitfadens durcharbeitet, hat er den gleichen Wissensstand, den er nach Besuch des konventionellen Seminars gehabt hätte. Auf diese Weise lassen sich mit der Lernsoftware erhebliche Kosten sparen, weil Aufwendungen für externe Trainer und Schulungsmaterialien entfallen.

Die generelle Entscheidung zugunsten des computerunterstützten Lernprogramms fiel nach intensiven Recherchen. In Zusammenarbeit mit dem Automobilbauer lotete das Institut

für Pädagogik an der Universität Braunschweig Möglichkeiten und Grenzen computergestützter Lernprogramme aus. Die Forschungen ergaben, daß CBTs bei einem geeigneten Umfeld zumindest den gleichen Lernerfolg wie konventionelle Schulungen garantieren. In der Regel seien die interaktiven Programme bei geringerem finanziellen Aufwand sogar effizienter als herkömmliche Seminare, so die Braunschweiger Wissenschaftler.

Parallel zur universitären Forschungsarbeit untersuchten die Wolfsburger den Markt der angebotenen Großrechner-Lernprogramme. Das ICR-Produkt konnte im direkten Vergleich mit dem Wettbewerb wegen seiner fachlichen und pädagogischen Qualität überzeugen. Smolinski: "Vieles, was wir im Anfangsstadium gesehen haben, kam kaum über einen simplen Lesebuchersatz hinaus. Im Gegensatz dazu bietet das jetzige Lernprogramm Interaktivität, Erfolgskontrollen und eine didaktisch sinnvolle Struktur."

Die Akzeptanz von CBTs bei den Anwendern ist durchweg positiv. Weil man nicht an starre Seminarzeiten gebunden ist und auch das Tempo des Lernerfolgs frei bestimmen kann, wird diese Form der selbstbestimmten Ausbildung am Großrechnerterminal oder am PC von der Mehrzahl der Anwender akzeptiert.

Eckhard Moser, Produktmanager für den Bereich Ausbildung bei ICR weist darauf hin, daß die ISPF-Kursreihe sich vom Ansatz her an alle Mitarbeiter wendet, die im Rahmen ihrer Tätigkeit ISPF-Datenbestände bearbeiten sollen. "Das kann ein frischgebackener Informatiker ebenso sein wie ein gestandener, kaufmännisch ausgebildeter Mitarbeiter, der zum erstenmal mit der DV in Berührung kommt", so Moser. Entsprechend gründlich wurde das CBT konzipiert. Es umfaßt fünf Module, die das Leistungsspektrum des Pakets vollständig abdecken..

Im ersten Modul wird die TSO/ISPF-Umgebung vorgestellt; Modul II führt in die Parameter-Option ein, und Modul III zeigt dem Lernenden, wie Datasets im Browse-Modus eingesehen werden können. Der ISPF-Editor ist Thema des vierten Moduls, während sich Modul V den ISPF-Utilities widmet. Ein Clou dabei: Die Trainingssoftware läuft auf IBM-kompatiblen Host-Systeme mit MVS, TSO oder VTAM und 327x-Schirmen, aber auch auf PCs, die unter DOS betrieben werden. Die PCs müssen über minimal 512 KByte RAM, ein Diskettenlaufwerk, eine Festplatte und einen Monochrom- oder Farbbildschirm verfügen.

"Die PC-Option werden wir in unserem neuen Selbstlernzentrum nutzen, das mit Personal Computern ausgerüstet ist", sagt Christoph Smolinski.