CAPITIX: Startups entdecken die Realität

08.05.2002
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) Das branchenspezifische Trendbarometer CAPITIX ist im ersten Quartal 2002 mit 1337 Punkten wieder über die Startmarke von 1000 Punkten gesprungen, nachdem der Index im vierten Quartal auf 812 Punkte zurückgegangen war. Als Grund sieht der Initiator Capital Stage IT/New Media vor allem das Bestreben der Gründer, früher Geld zu verdienen.

„Die Wachstums-euphorie vergangener Monate ist in den Hintergrund getreten“, beurteilt Oliver Bube, Geschäftsführer von Capital Stage IT/New Media, die Entwicklung der letzten Monate.

Die gesunkene Investitionsbereitschaft der VC-Szene und das auch sonst wenig freundliche wirtschaftliche Klima scheinen die Gründer nicht abzuschrecken. Im Gegenteil: Der winterliche Einbruch an Beteiligungsanfragen ist überwunden. Nach Angaben von Capital Stage IT/New Media stieg die Anzahl der eingereichten Business-Pläne im Februar und März wieder deutlich an (Computerwoche online berichtete).

Damit nicht genug, sind die IT-Newcomer offensichtlich bemüht, sich den Investoren attraktiver zu präsentieren. So hat sich nach Ansicht der Beteiligungsgesellschaft neben der Quantität auch die Qualität der Anträge verbessert, die Mehrheit der Bewerber hat die Angabe der wichtigsten Kennziffern wie Umsatz-, Ergebnis- und Mitarbeiterplanung, Kapitalbedarf oder Liquiditätssituation als absolutes "Must" für den Businessplan erkannt. Ein weiterer Hinweis ist das Bestreben der IT-Newcomer, früher als bisher profitabel zu werden: Gaben sich die Bewerber im vorangegangenen Quartal im Schnitt noch 49 Monate Zeit bis zum Erreichen des Break-Even, so müssen nun 42 Monate ab der Gründung genügen. Die Profitabilitätsfrist ab dem Zeitpunkt der Antragstellung sank im Mittel von 19 auf 17 Monate. Um den eigenen Vorgaben Genüge leisten zu können, planen immer mehr kapitalsuchende Startups, Dienstleistungen in ihr Portfolio aufzunehmen.

Der Kunde rückt in den Vordergrund

Als wichtigen Verwendungszweck des eingeworbenen Kapitals nannten fast zwei Drittel der Bewerber Investitionen in den Vertrieb. Im vorangegangenen CAPITIX waren es nur 50 Prozent, die diesem Bereich die notwendige Aufmerksamkeit zukommen ließen, vor einem halben Jahr planten sogar nur knapp über ein Viertel der Antragsteller entsprechende Aufwendungen. „Inzwischen ist bei jungen Unternehmen die Erkenntnis durchgedrungen, dass man nicht nur Kapitalgeber, sondern insbesondere Kunden für seine Ideen und Projekte gewinnen muss“, bewerten Oliver Bube, Geschäftsführer von Capital Stage IT/New Media, und Sassan Mirhachemzadeh, Projektmanager, diesen Trend. Als ebenfalls erfreulich zeigte sich, dass kein Kapital mehr für Altschuldentilgung benötigt wird.

Der Kapitalbedarf pro Jahr ist gegenüber dem vierten Quartal 2001 durchschnittlich von 1,6 Millionen auf 1,2 Millionen Euro gesunken, gleichzeitig rückten Investitionen in den Vertrieb in den Vordergrund.   Quelle: Capital Stage 

Deutlich öfter als im letzten Quartal wollen die Startups dagegen wieder im Ausland aktiv werden. Anders als vor einem Jahr handelt es sich hier jedoch vorwiegend um Expansionspläne in die Nachbarländer Östereich und Schweiz und nicht um den Gang über den großen Teich. Neu - wenn auch in der Anfangsphase gewagt - ist zudem die Strategie, Mitbewerber zu übernehmen. Immerhin acht Prozent der Startups äußerten in den Businessplänen ihre Akquisitionsgelüste. Interessant ist außerdem, dass technische Investitionen stark an Bedeutung verloren haben. Nur vier Prozent der Unternehmen beabsichtigen, sich diesbezüglich zu engagieren, im vorangegangen Quartal waren es noch knapp ein Viertel der Bewerber.

CAPITIXDas branchenspezifische Trendbarometer "CAPITIX" (Capital Stage Information Technology Index) wurde erstmals im dritten Quartal 2001 aufgelegt. Die Initiative von Capital Stage IT/New Media, einer Tochter der Hamburger Finanzdienstleistungsgruppe Capital Stage AG, soll nach den Worten von Geschäftsführer Oliver Bube mit dazu beitragen, den angesichts vieler Internet-Pleiten und allgemein schwacher Marktlage derzeit etwas angekratzten Ruf der IT-Industrie wieder aufzupolieren. Grundlage der Indexberechnung sind Beteiligungsanfragen von Unternehmen aus dem IT- und New-Media-Sektor. Dabei werden - selbstverständlich streng anonym - relevante Daten der Newcomer wie Mitarbeiter- und Umsatzplanung, Zeitkorridor bis zum Break-even sowie eigene Investitionen verdichtet und gegen bereits existierende und vergleichbaren Beteiligungen im Capital-Stage-Portfolio gespiegelt. Wissenschaftlicher Beirat bei der Entwicklung des

CAPITIX war Assistenzprofessor Stefan Buse vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg.

Consulting zum Überleben

Um früher als bisher produktiv zu werden, setzen die Gründer - wie bereits weiter oben erwähnt - verstärkt auf Beratungsleistungen. Damit verbunden wächst der Bedarf an Mitarbeitern in der Anfangsphase nun auf durchschnittlich 25 an, in der vorangegangenen Periode waren es nur 18. Ab dem dritten Jahr haben die Unternehmen dann wieder einen vergleichbaren Mitarbeiterstand.

ASP-Lösungen haben dagegen an Wachstumsbedeutung verloren. Konnte sich der Bereich im letzten Quartal noch recht gut behaupten, ist die Zahl der Anträge dieser Sparte nun aufgrund der gesunkenen Umsatzerwartungen um die Hälfte zurückgegangen und dürfte bei Investoren auf ein geringeres Interesse stoßen.

Segmente mit überdurchschnittlichen Wachstumserwartungen und vergleichsweise schnell möglichem Break-even existieren praktisch nicht.  Quelle: Capital Stage

Wie bereits im vorangegangenen Quartal weist das Segment New Media- und Mobile-Lösungen die höchsten Umsatzerwartungen auf. Wehmutstropfen ist allerdings laut Capital Stage der aufgrund relativ hoher Anfangsinvestitionen vergleichbar spät zu erwartende Break-Even. Im Bereich Analyse-Software und Middleware ist das genaue Gegenteil der Fall: Aufgrund geringerer Anfangsleistungen kann man hier mit einer frühen Profitabilität rechnen, allerdings sind die Wachstumsprognosen bescheidener. In diesem Segment wird zudem durch Consulting-Leistungen schon früh ein Cash-Flow generiert.

In "Cool Companies - Hot Products" werden wir Sie weiterhin über wichtige Veränderungen im "CAPITIX" auf dem Laufenden halten.