Zielstrebigkeit, Durchsetzungshärte und Hartnäckigkeit

Canion ade: Mit Pfeiffer herrschen bei Compaq nun rauhere Sitten

08.11.1991

MÜNCHEN (bk) - Kein Unternehmen sorgte in den vergangenen neun Jahren in der DV-Szene für soviel Furore wie die texanische Compaq Computer Corp. Spektakulärer hätte nun auch der Wechsel an der Firmenspitze nicht vonstatten gehen können: Mitbegründer

Joseph R. "Rod" Canion wurde vom Verwaltungsrat innerhalb weniger Stunden geschaßt. Künftig herrscht Marketing-Profi Eckhard Pfeiffer über Wohl und Wehe der derzeit leicht angeschlagenen Company.

Der Rausschmiß von Canion, der Compaq im Februar 1982 zusammen mit seinen Texas-Instruments-Mitstreitern Bill Murto und Jim Harris gegründet hatte und dessen Person untrennbar mit dem rasanten Aufstieg von Compaq verbunden ist, kam zwar äußerst überraschend, zumindest für Europa-Chef Andreas Barth aber hatte sich Canions Ausscheiden schon seit längerem abgezeichnet.

Konflikte bei der Gewaltenteilung

Durch die Berufung Eckhard Pfeiffers zum Chief Operating Officer mit Verantwortung für das gesamte weltweite operationelle Geschäft Anfang des Jahres habe sich Canion nur noch mit dem strategischen Teil der Unternehmensentscheidungen befaßt. Im

Rahmen dieser "Gewaltenteilung" sei es aber immer wieder zu Konflikten gekommen, weil Canion bei allen Entscheidungen nach wie vor das letzte Wort hatte und Pfeiffer sich mit seinen Vorstellungen häufig nicht durchsetzen konnte.

Letztendlich, so glauben US-Analysten, ist der Compaq-Mitbegründer an seiner zögerlichen Reaktion auf Veränderungen im Markt, die fallenden Marktanteile seines Unternehmens und seiner übertriebenen Treue zu eingefahrenen Händlerkanälen gescheitert. Barth: "Rod Canion ist nicht nur ein liebenswürdiger und freundlicher Unternehmer, er hat Compaq auch immer als sein eigenes Unternehmen betrachtet, auch wenn es rechtlich nicht so war. Deshalb scheute er sich, schmerzliche, aber notwendige

Maßnahmen - beispielsweise Entlassungen - frühzeitig zu treffen." Gerade solche Entscheidungen aber habe der Board of Directors von Canion erwartet.

In der Tat sind erst seit einigen Wochen weitreichende Umstrukturierungspläne der Texaner bekannt. So soll die Vertriebsschiene erweitert werden - neben den traditionellen autorisierten Compaq-Fachhändlern wird es künftig auch autorisierte Systempartner geben, die neben Verkauf vor allem Service und Support leisten können - und erstmals wird es bei dem PC-Highflyer zu einer Straffung der Belegschaft kommen. Rund 1400 Jobs stehen zur Disposition, davon 150 in der europäischen Fertigungsstätte in

Schottland. Im dritten Quartal bildete Compaq deshalb Rücklagen von 135 Millionen Dollar, die dem Unternehmen wiederum mit rund 70 Millionen Dollar den ersten Verlust in der knapp zehnjährigen Firmengeschichte bescherten.

Mit Pfeiffer wird bei Compaq künftig ein anderer Wind wehen. Zwar beschreibt Barth den früheren Europa-Chef als ruhigen und besonnenen Manager, der nicht übereilt handelt und der Rod Canions Vorstellungen vom Consensus-Management immer unterstützt hat. Doch attestiert er Pfeiffer auch eine "ungeheure Zielstrebigkeit, Hartnäckigkeit und Durchsetzungshärte". Andere Worte finden US-Analysten. Sie sehen den Deutschen als knallharten, aggressiven Marketing-Manager, dessen Führungsstil in krassem Gegensatz zu Canions eher weichen Gangart steht. Michael Swavely, den Pfeiffer Anfang des Jahres als Chief Operating Officer ersetzt hatte und der mittlerweile laut Barth im Verwaltungsrat bei der Mips Computer Inc. ein ruhiges Manager-Leben ohne operationelle Funktion führt, äußert gar große Zweifel an den Führungsqualitäten des neuen Compaq-Chefs. Sein Managementstil, so zitiert die "Computerworld" den Ex-Compaq-Mann, sei der der Einschüchterung: "Ich glaube nicht, daß viele Mitarbeiter begierig darauf sind, in solch einem Umfeld zu arbeiten."

Davon wiederum will Barth nichts wissen. Sicherlich sei Pfeiffer direkter und druckvoller, was dazu führen werde, daß die jetzt begonnenen Umstrukturierungsmaßnahmen mit Vehemenz umgesetzt würden. "Doch er ist nun schon seit neun Monaten im Hauptquartier tätig, und die Manager der Vorstandsetage sowie der darunter angesiedelten Ebene akzeptieren Pfeiffers Art und unterstützen sie."

Leise Kritik sandte Barth vielmehr an die Adresse der jahrelangen Leitfigur Compaqs: "Canion hat das Consensus-Management sehr extrem verfolgt. In der Anfangszeit, als das Unternehmens noch klein war, war es sicherlich gut und auch machbar, das Team in die Entscheidungsfindung einzubinden und solange zu diskutieren, bis man zu einer einheitlichen Meinung gelangt. Ein solches Management-Verhalten wird aber ad absurdum geführt, wenn es notwendige Entscheidungen verhindert."