Mindestlöhne

Call Center in der Zwickmühle

18.08.2009
Von pte pte
Die in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsene Call-Center-Branche gerät im Zuge der Krise durch einen ruinösen Preiskampf und geforderte Mindestlöhne in die Bredouille.

Den anhaltenden Abschwung in der Telekommunikationsbranche bekommen vor allem die etablierten Telefondienstleister als Zulieferunternehmen im Servicebereich mehr als deutlich zu spüren. Weil in Rezessionszeiten zunehmend weniger Handys und auch DSL-Anschlüsse verkauft werden, bedeutet dies zwangsläufig auch weniger Arbeit für die Telefonisten. Kaum erfreulich für die Call-Center-Branche fordert die Gewerkschaft DPV für die rund 450.000 deutschen Call-Center-Angestellten einen Mindestlohn von 9,50 Euro.

"Die Argumente der Gegenseite können wir als Gewerkschaft nicht nachvollziehen. Die Call-Center-Branche wächst in Rezessionszeiten vielleicht schwächer, aber sie wächst weiter. Das berichten uns immer wieder Marktteilnehmer", erläutert DPV-Sprecher Maik Brandenburger im Gespräch mit pressetext. Ziel müsse es sein, dass die Angestellten der Branche hierzulande von ihrem Gehalt leben können, ohne auf zusätzliche staatliche Unterstützungen angewiesen zu sein. Laut dem Gewerkschafter reichen die bislang gezahlten fünf bis sechs Euro je Stunde dazu nicht aus. Die Arbeitgeberseite sieht dies anders. Wegen der wirtschaftlichen Situation schließt die Bertelsmann-Tochter Arvato Kurzarbeit nicht aus.

Problematisch ist aber nicht nur der Streit mit den Gewerkschaften, um "Hungerlöhne", wie sie DPV-Chef Volker Geyer unlängst nannte. Vor allem junge Unternehmen mischen immer öfter den Markt auf und versuchen über Lohndumping einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Die Durchsetzung eines Mindestlohns gestaltet sich aber auch vor dem Hintergrund eines in Deutschland fehlenden Arbeitgeberverbandes, mit dem ein Tarifvertrag geschlossen werden kann, als schwierig. Laut dem DPV-Chef schneiden auch Riesen wie Bertelsmann schlecht ab. So soll Bertelsmann frühere Mitarbeiter der Deutschen Telekom unter Druck gesetzt haben. Sie sollten in Potsdam einen Vertrag mit 30 Prozent weniger Einkommen unterschreiben.

Arvato lässt diesen Vorwurf Geyers nicht gelten und verweist darauf, dass die Stundenlöhne nur in den ersten zwölf Monaten unter sieben Euro betragen hätten. In Potsdam liefen jedoch Gespräche mit den Betriebsräten über die Zukunft des Standorts. Hintergrund ist, dass Arvato als der mit Abstand größte europäische Call-Center-Anbieter 2007 und 2008 von der Telekom zehn Call Center mit rund 1700 Mitarbeitern übernommen hatte. Den Angestellten wurde im Zuge der Übernahme versprochen, dass sie ein Jahr lang ihr altes Telekom-Gehalt beziehen und anschließend vier Jahre lang ein Mindestgehalt von 25.000 Euro im Jahr erhalten sollen. Verhandlungsknackpunkt dürfte sein, dass Mindestlöhne für alle Marktteilnehmer gelten. (pte)