DV in der Leiterplatten-Erstellung

CAD-Systeme erleichtern nicht bloß die Platinen-Entwicklung

31.05.1991

Bei der Auswahl eines Leiterplatten-Systems steht der Interessierte einer verwirrenden Vielfalt sehr unterschiedlicher Systeme gegenüber. Der Priesbereich erstreckt sich dabei von 1000 bis weit über 100000 Mark pro Arbeitsplatz. Selbst bei Systemen, die auf PCs beziehungsweise Workstations gestützt sind, reicht die Spannbreite der Kosten für die Software von 1000 bis 40 000 Mark. Für den potentiellen Käufer ist dies mehr als verunsichernd, da alle Hersteller behaupten, ihre Software sei professionell, ausgereift und eine gute Investition für die Zukunft. Norbert Ritter* beschreibt die Kriterien, die beim Kauf eines CAD-Systems beachtet werden sollten.

Der Unterschied zwischen den CAD-Systemen kann also nicht nur in der Leistungsfähigkeit der Soft- und Hardware liegen. Kriterien für die Auswahl des Systems sind sicherlich die Größe der Leiterplatten, die Art der Bestückung - ob analog oder digital -, die verwendete Technologie (DIL oder SMT), die Anzahl der Lagen, also einlagig, zweilagig oder mehrlagig, die Dichte der Bestückung, die Anzahl der verschiedenen Entwicklungen pro Jahr, die Möglichkeiten des Datenaustauschs mit anderen Systemen und last, not least das vorhandene Budget.

Wichtig sind auch die hierarchischen Strukturen

Der Unterschied der verschiedenen Systeme wird deutlicher, wenn man die rein technischen Merkmale beiseite läßt und Eigenschaften betrachtet, die sich kaum in Mark und Pfennig rechnen lassen. Hierzu gehören Erlernbarkeit und notwendige Einarbeitungszeit, Datensicherheit, Erweiterungsmöglichkeiten, Vernetzbarkeit, Designsicherheit, Datenintegrität und Datenaustausch mit anderen Systemen, etwa PPS, Lagerverwaltung und Kostenkalkulation.

Ein schnell und leicht erlernbares System führt zur schnellen Produktivitätssteigerung und damit Amortisation der Investition. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Logik in der Benutzerführung und der Menüstruktur, die UNDO-Funktion, um Arbeitsschritte rückgängig zu machen und Grafikhilfen zur Definition neuer Bauteile. Wichtig sind auch hierarchische Strukturen, Wiederkehrende Schaltungsteile wie Stromversorgungen oder Endstufen können als Hierarchie abgespeichert und in verschiedenen Designs benützt werden. Es sollte auch die Erfahrung des Lieferanten, der Hotline-Support und das Schulungsangebot berücksichtigt werden. Denn was nützt die leistungsfähigste Software, wenn sie nicht optimal eingesetzt werden kann oder aus Fragen Probleme werden, weil die Hotline nicht funktioniert.

Jedes CAE/CAD-System ist modular aufgebaut. Die meisten Systeme bestehen aus drei Hauptmodulen: Schaltbildentwicklung, Platinen-Layout und Plazierung der Bauteile sowie Routen. Die Bibliotheken sind manchmal übergreifend, das heißt, sowohl das Schaltbildmodul als auch der Layout-Editor greifen auf eine Zentralbibliothek zu.

Es werden oft die Begriffe Foreward- und Backward-Annotation benutzt. Sie bedeuten nichts anderes, als Änderungen im Schaltbild nachträglich in die plazierte Platine zu übertragen und umgekehrt. Gerade die Rückwärtsübertragung der Änderungen, von der Platine in das Schaltbild, ist oftmals nicht oder nur sehr umständlich möglich und wird deshalb nicht konsequent durchgeführt.

Anderungen sind der Pin-und Gattertausch beim Plazieren der Bauteile, um die Routebarkeit zu verbessern, das Umbenennen der Bauteile auf der Platine, um die Bestückung beziehungsweise den Service zu erleichtern und das Hinzufügen oder Weglassen ganzer Bauteile. Das Schaltbild stimmt dann mit der fertigen Platine nicht überein. Die Konsequenzen treten meistens erst bei den nächsten Platinenänderungen auf. Sollte der Entwickler das Unternehmen zwischenzeitlich verlassen haben, verschlimmert dies die Lage noch erheblich.

Viele Schwierigkeiten könnten vermieden werden, wenn Kommentare über kritische Stellen im Design vom Entwickler an den Layouter weitergegeben würden. Sie sollten Informationen über besondere Leiterbahn-Breiten, -Abstände wegen Störsignale-oder besonders kritische Leiterbahn-Längen wegen Laufzeitprobleme enthalten. Die oftmals benutzten Handzettel gehen verloren und sind schwierig zu archivieren. Am besten und sichersten ist es, wenn Nachrichten und Kommentare im Schaltungsentwurf gemacht werden. So können sie nicht verlorengehen und sind zudem noch einwandfrei dokumentiert. Zur Datensicherheit gehört auch die Überprüfung offener Verbindungen und der automatische Vergleich der Anschlüsse im Schaltbild und auf der Platine. Abweichungen müssen nicht nur dokumentiert, sondern auch auf dem Bildschirm angezeigt werden.

Klebetechnik zu umständlich

Die meisten CAE/CAD-Systeme im PC-Bereich werden gekauft, weil die Klebetechnik zu umständlich oder das Service-Büro zu teuer ist. Der Anwender, der eigentlich nur schnell und kostengünstig Platinen entwickeln und Änderungen durchfuhren möchte, entdeckt bald zusätzlichen Nutzen wie Schaltbild- und Platinendokumentation, die Erstellung von Stücklisten, möglichst mit Lieferanten, Preisen, alternativen Bauteilen, Kostenkalkulation und -überprüfung. Um Doppelarbeit zu vermeiden, muß der Datenaustausch mit dem Einkauf, der Lagerverwaltung und der Kostenrechnung gewährleistet sein.

Dies ist nur die kommerzielle Umgebung des CAD-Systems. Oftmals gibt es bereits einen Anschluß an technische Systeme zur Simulation, thermischen Analyse und andere CAD-Systeme wie mechanisches CAD, um Leiterplatten-Umrandungen und Aussparungen zu konstruieren und zu bemaßen. Der Datenaustausch mit anderen Systemen ist keine Kann-Funktion, sondern ein Muß, wenn redundante Arbeiten vermieden werden sollen und sich der Rationalisierungserfolg einstellen soll.

Das System muß ausbaubar sein

Das CAE/CAD-System muß ausbaubar sein, soll man nicht nach kurzer Zeit an die Grenzen stoßen und mit Workarounds, also Notbehelfen, die geplante Produktivitätssteigerung gefährden. Selbst wenn heute herkömmliche durchkontaktierte Bauteile benützt werden, sollte das CAD-System bereits beidseitig bestückte SMT-Platinen handhaben können, idealerweise mit mehreren Lagen. Bei einfachen Platinen ist ein Autorouter umstritten, aber warum soll etwas in Handarbeit entstehen das genauso gut automatisch erledigt werden kann. Ein guter Autorouter, eventuell mit Rip-up-und-retry-Algorythmus, ist um so wichtiger, je dichter die Platinen werden und je mehr Lagen nötig sind.

Ein CAD-System sollte immer unter Berücksichtigung der Schaltungskomplexität der nächsten Jahre angeschafft werden. Bevor man sich für ein CAD-System entscheidet, sind die Marketing- und Vertriebsabteilungen gute Ratgeber, sie haben meist eine Vorstellung davon, wie sich der Markt entwikkelt und wie künftige Produkte aussehen, was sie können müssen und was sie kosten dürfen. Diese Produkte müßten mit dem heutigen CAD-System herstellbar sein.

Starker Preisrutsch bei Low-cost-Workstations

Unter diesen Punkt fällt auch eine eventuelle spätere Umstellung vom PC auf eine Workstation, natürlich mit Übernahme der bestehenden Entwicklungen. In den letzten zwölf Monaten hat bei den Low-cost-Workstations ein starker Preisrutsch stattgefunden, zudem kommen immer -mehr Sparc-Clones auf den Markt. Das Software-Angebot für diese Unix-Rechner wird immer breiter, auch im kommerziellen Bereich.

Es ist nicht auszuschließen, daß der Entwickler künftig auf dem PC arbeitet, Simulation, Layout und Routen aber mit Sparc-Hardware erfolgen. Dies setzt selbstverständlich Datenintegrität und -kompatibilität über alle Hardware-Plattformen voraus.

Bei PC-Systemen muß auf jedem Arbeitsplatz ein CAD-System installiert sein, da diese Systeme über einen Hardware-Log geschätzt sind, der meistens auf die serielle Schnittstelle am PC zugreift.

Die Bibliotheken und das Projektmanagement werden in der Regel über den Server verwaltet, um sicherzustellen daß alle Anwender auf die neuesten Dateien zugreifen. Das zentrale Projektmanagement verwaltet auch Stücklisten und andere Reports, damit bei Änderungen nur ein File gepflegt werden muß.