CA-Management: Bereichsdenken passé - Kooperation okay

11.08.1989

Der Einzug von C-Techniken (CAD, CAM, CAE) stellt die historisch gewachsenen Strukturen und Zuständigkeiten der DV/Org.-Abteilungen in Frage. Soll die Verantwortung und Zuständigkeit für technisch-wissenschaftliche Systeme den Fachabteilungen übertragen oder von der zentralen DV/Org.-Abteilung wahrgenommen werden? Eine Gretchenfrage, denn dem klassischen DV-Leiter fehlt für die technische Informationsverarbeitung oft das ingenieurmäßige Know-how. Die Fachabteilungen in Produktion, Forschung und Entwicklung indes können die Implementierung eines integrierten Informationssystems für die C-Bereiche im Alleingang nicht durchführen. Vor ein paar Jahren stritten sich die DV-Bosse darüber, welchem Bereich die Zuständigkeit für CAD/CAM übertragen werden soll. Heute geht man das zentrale Problem ganz anders an. Die einzig wahre Lösung ist für Hans-Peter Fröschle vom Stuttgarter Fraunhofer-lnstitut für Arbeitswirtschaft und Organisation "ein abteilungs- und funktionsübergreifender Dialog". Paul Walk, Leiter DV/Org., Schneider Rundfunkwerke: "Der Bereich Konstruktion und Fertigung erfordert von der Konzeption bis zur Realisierung eines Projektes die intensive Zusammenarbeit von Systembetreuer, Anwender und dem Informationsmanagement."

Hans-Peter Fröschle

Fraunhofer-lnstitut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart

Das Spannungsverhältnis zwischen den DV/Org.-Abteilungen und den Fachbereichen bezüglich der Aufgabenteilung wird seit Jahren diskutiert und besteht noch heute. Durch die breite Diskussion hat diese Uneinigkeit über die strategische Bedeutung der betrieblichen Informations- und Kommunikationsstruktur und über das Thema Informationsmanagement einen neuen Stellenwert erhalten.

In den Fachabteilungen ist man sich heute darüber im klaren, welche Bedeutung der Informations- und Kommunikationsstruktur für die tägliche Arbeit, auch bei abteilungs- und unternehmensübergreifenden Fragestellungen zukommt. Viele Fachabteilungshierarchien sind deshalb fest entschlossen, die Planung dieser Infrastruktur nicht aus den Händen zu geben.

Gegenteiliger Auffassung sind die Fach- und DV/Org.-Abteilungen auch hinsichtlich des Zieles Integration der Informations- und Kommunikationsstruktur. Die Fachabteilungen fordern die primäre Realisierung der Anwendungsintegration, auch in einer heterogenen Systemumgebung. In den DV-Bereichen dagegen herrscht sehr oft noch eine stark technikorientierte Sichtweise vor, die das Ziel einer homogenen Technikinfrastruktur verfolgt.

Der allgemeine Wunsch nach Anwendungsintegration ist für beide Unternehmensbereiche Ansatzpunkt, die bislang weitgehend voneinander getrennt geführten Diskussionen über Bürokommunikation und CIM (Computer Integrated Manufacturing) unter einen Hut zu bekommen. Auf der Anwenderseite wird hier verstärkt der Ruf nach CIB (Computer Integrated Bussines) laut.

Diese Tendenz hat die Realisierung einer strategischen Planung der Informationsverarbeitung zur Folge. Die Forderungen beziehungsweise Wünsche der Anwender, sowie deren Stärken und Schwächen müssen dabei berücksichtigt werden. Eine weitere Konseqenz, die aus dieser Entwicklung resultiert, ist die Installation eines Informationsmanagements, das von seinem Selbstverständnis über die Festlegung technischer Schnittstellen und unternehmensweit integrierter Datenmodelle hinausreicht. Dies kann jedoch weder von einzelnen Fachabteilungen noch vom DV- oder Organisationsbereich im Alleingang erfüllt werden. Hier ist ein abteilungs- und funktionsübergreifender Dialog die einzig wahre Lösung.

Günther König

Leiter DV/Org., Lappkabel KG, Stuttgart

Die Mündigkeit der Fachabteilungen ist heute soweit gediehen, daß sie mit dem Medium Datenverarbeitung größtenteils kompetent umgehen können. Insbesondere trifft dies auf technische Bereiche zu, in denen Aufgaben wie die Integration von CA-Systemen verschiedener Hersteller gelöst werden.

Der Einzug dieser C-Techniken hat das Berufsbild des DV-Leiters stark verändert. Wo früher ein spezielles Wissen auch in Detailfragen notwendig war, ist heute mehr der Koordinator gefragt. Legt man als Beispiel die Verbindung zwischen einem Konstruktionssystem (CAD) und einem Rechner für die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) zu Grunde, so fällt das eine Produkt in den Bereich Fertigung, das andere in den der Forschung und Entwicklung. Wer, wenn nicht der DV-Leiter, kann übergeordnet für die Integration dieser beiden Systeme sorgen?

In einer Zeit, in der es zunehmend möglich und sinnvoll wird Standardprodukte einzusetzen, wo es notwendig ist den Markt in allen Gesichtspunkten nicht aus den Augen zu verlieren, in dieser Zeit hat kein Byte-Manipulator Konjunktur. Die Mannschaften aus dem technischen Bereich werden heute mit Anforderungen konfrontiert, die die DV-Abteilung nicht allein lösen kann. Da aber der größte Teil von bestehenden Anwendungen heute eine Integration im Gesamtunternehmen erfahren muß, ist von allen Beteiligten die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zum Dialog gefordert.

Hier heißt es sich gegenseitig ernst zu nehmen, nicht die Kompetenz des anderen anzuzweifeln. An diesem Punkt laufen derzeit und auch künftig genügend Lernprozesse, speziell bei DV-Verantwortlichen. Die Quintessenz dieser Entwicklung wird die Wandlung des DV-Leiters zum Informationssystemmanager sein.

Paul Walk

Leiter DV/Org., Schneider Rundfunkwerke

Ein Großteil der Organisations- und Datenverarbeitungsabteilungen ist infolge alt eingesessener Strukturen nicht in der Lage, die von CAD/CAM-Anwendern benötigten Lösungen zu realisieren. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, muß die DV/ Org.-Abteilung in ein Informationsmanagement mit strategischer Zielsetzung und in Fachbereiche für die systemseitige Betreuung der Anwendungen gegliedert werden. Der Konstruktions- und Fertigungsbereich ist unter Berücksichtigung des Gesamtkonzeptes eines Unternehmens von einem Spezialisten-Team zu betreuen.

Die Schwerpunkte der Fachabteilungen und der DV/Org.-Bereiche werden sich, bedingt durch komplexe Systeme wie CAD-, CAM- und CAP-Rechner, eindeutig verschieben. Die Hauptaufgabe der zentralen DV-Abteilung wird künftig das Handling von Netzwerken, die Regulierung und Steuerung des Datenflusses sowie die Verwaltung von Unternehmensdaten sein. Um zu verhindern, daß jeder Bereich seine eigene Suppe kocht, ist es erforderlich, das Know-how zu konzentrieren.

Für die Fachabteilungen bedeutet der Einzug von Konstruktions- und Fertigungstechnik ein Umdenken. Der Stellenwert für Verantwortung und Betreuung von Soft- und Hardwaresystemen vor Ort wird gegenüber den zentral gesteuerten Aktivitäten deutlich zunehmen. Dieser Entwicklung können die Fachabteilungen insofern entgegenwirken, als sie sich mit dem Aufbau einer individuellen durchgängigen Datenstruktur beschäftigen. Dies muß natürlich in Anlehnung an die Datenstruktur des Gesamtunternehmens geschehen.

Ich sehe hier die Notwendigkeit, daß das Know-how über die Konstruktions- und Fertigungstechniken durch die Arbeit an dezentralen CA-Systemen vor Ort gesammelt werden muß. Moderne Hard- und Softwaresysteme bieten zwar ein relativ großes Maß an Komfort, doch ohne detaillierte Kenntnisse der jeweiligen CAD/CAM-Komponenten

kann keine optimale Nutzung erreicht werden.

Die Projekte im Bereich Konstruktion und Fertigung erfordern von der Konzeption bis zur Realisierung die intensive Zusammenarbeit von Systembetreuer, Anwender und dem Informationsmanagement.

Frank-Peter Poschmann

Leiter des Bereichs Automation, Enator Nord GmbH, Hamburg

Die technische Datenverarbeitung ist heute meist den Fachabteilungen unterstellt und die kommerzielle DV wird von zentralen DV/ Org.-Abteilungen betreut. Zur Zeit findet in den Unternehmen ein Wandel statt, den der Trend zur Integration im Fertigungsbereich ausgelöst hat. Ziel ist, die vorherrschende Anarchie im Bereich der technischen Datenverarbeitung zu überwinden. Die Anwender haben nämlich erkannt, daß Systeme, die inkompatibel sind, Standards nicht oder nur ungenügend unterstützen und deren Benutzerführung eigenwillig ist, Feinde der Integration sind. Die Entscheidung für ein System darf nicht vom Preis und der Funktionalität allein abhängen. Im Hinblick auf Computer Integrated Manufacturing (CIM) gewinnt die Kommunikation mit anderen Hard- oder Softwaresystemen auf unterschiedlichen Ebenen immer mehr an Bedeutung.

Die strategische Planung der Systemlandschaft ist daher unabdingbar. Insellösungen müssen vermieden und dürfen allenfalls für eine Übergangszeit geduldet werden. Daß Minicomputer und Workstations in die Fachabteilungen gehören, darüber ist man sich heute einig. Bei der technischen Datenverarbeitung jedoch liegt der Fall noch anders. Meistens kann sie nicht auf zentralen Mainframes ablaufen, jedoch muß die Verantwortung für diese Hard- und Softwaresysteme von einer zentralen Stelle übernommen werden. Dazu ein Beispiel aus der Praxis:

Die Fachabteilungen in der Produktion, Forschung und Entwicklung eines unserer Kunden aus der Automobilindustrie waren bisher relativ frei in ihrer Entscheidung über den Einsatz neuer Computersysteme. Im Laufe der Jahre führte dies dazu, daß heute alles was gut und teuer ist, in den Abteilungen dieses Konzerns besichtigt werden kann. Dadurch wird die Integration gelähmt und es entstehen unnötige Reibungsverluste.

Jetzt gibt es dort Bestrebungen, die Betreuung der technisch-wissenschaftlichen Systeme der zentralen DV/Org.-Abteilung zu überlassen. Ob dies Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Eine zerklüftete Systemlandschaft ist nicht leicht zu begradigen. Kleinere Unternehmen haben es hier leichter, den entscheidenden Schritt zu tun, um Computer- Anarchie zu vermeiden.

Dieses Beispiel zeigt, daß die bestehenden Systeme nicht nur im kommerziellen Bereich, sondern auch in der technischen Datenverarbeitung mit einem umfassenden DV-Audit überprüft werden müssen. Nur so läßt sich in einer langfristigen Strategie der künftige DV-Bebauungsplan festlegen.