Windows XP/Windows XP Professional: Was bringt der Umstieg von NT 4 oder 9x/ME

Business-Windows in neuem Gewand

23.11.2001
Auf Consumer-PCs ist Microsofts neues Betriebssystem seit Oktober die Regel. Auch Unternehmen stehen nun zunehmend vor der Entscheidung, ob vorhandene PCs auf Windows XP Professional umgestellt werden sollen. Angesichts angespannter IT-Budgets und mitunter gerade erst abgeschlossener Windows-2000-Migrationsprojekte steht dabei die Frage im Vordergrund, welche Vorteile sich daraus überhaupt ergeben. Von Eric Tierling*

Gut eineinhalb Jahre nach der Vorstellung von Windows 2000 schickt Microsoft mit Windows XP sein neuestes Business-Betriebssystem ins Rennen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der in unterschiedlichen Ausführungen gezielt den Einsatz entweder auf Clients oder auf Servern erlaubt, ist Windows XP als reines Client-Betriebssystem konzipiert. Die Server-Variante unter der Bezeichnung Windows .NET Server lässt noch ein paar Monate auf sich warten.

Windows XP gibt es in zwei Varianten: Die auf den privaten Anwender zugeschnittene Home Edition scheidet für Unternehmen weit gehend aus, da jedwede Unterstützung beispielsweise für Domänen, das Active Directory sowie Gruppenrichtlinien fehlen. Somit lässt der Hersteller keinen Zweifel daran, dass für die Schar professioneller Anwender einzig das teurere Windows XP Professional (als direkter Nachfolger von Windows 2000 Professional) in Frage kommt - ein Fakt, den es vor allem beim Erwerb preisgünstiger Desktop- und Notebook-PCs in Kaufhäusern zu berücksichtigen gilt.

Außenseiter 64-Bit-XPDritter im Windows-XP-Bunde ist die 64-Bit-Edition, die aber nur auf mit Itanium-Prozessor bestückten Computern ihren Dienst verrichten kann und vorerst nur zusammen mit diesen, nicht hingegen einzeln erhältlich ist. Eine integrierte 32-Bit-Emulation soll sicherstellen, dass vorhandene 32-Bit-Windows-Applikationen auch auf der neuen 64-Bit-Plattform einsatzfähig sind. Konkrete Praxiserfahrungen hierzu stehen jedoch noch aus.

Vom veränderten optischen Design abgesehen, das sich über eine Gruppenrichtlinie (wenn auch nicht ganz) auf Wunsch wieder auf das altbekannte Outfit früherer Windows-Versionen zurücksetzen lässt, weist Windows XP Professional viele Ähnlichkeiten zu seinem unmittelbaren 2000er Vorgänger auf. Zahlreiche Verbesserungen erschließen sich aber erst bei der Arbeit mit dem neuen System.

Anwender von Windows NT und Windows 9x/ME sehen sich einer wahren Fülle neuer Funktionalitäten gegenüber. Zum Beispiel können Administratoren bei den zur zentralen Desktop-Konfiguration dienenden Gruppenrichtlinien nun ermitteln, welche resultierenden Effekte ihre verschachtelte Verwendung auf unterschiedlichen Ebenen des Active Directory hat. Das erweist sich insbesondere bei der Planung, aber auch der Analyse unbedacht eingerichteter Gruppenrichtlinien als nützlich. Software-Einschränkungsrichtlinien versetzen Unternehmen in die Lage, exakter als bisher zu definieren, welche Applikationen auf PCs betrieben werden dürfen.

XP meldet FehlerNeu ist auch die Fehlerberichterstattungs-Funktion. Damit kann ein XP-Professional-PC Probleme, die beispielsweise zum Absturz bestimmter Programme auf dem Arbeitsplatz führen, automatisch einem Server in der Firma melden. Und der Help-Desk erhält mit der Remote-Unterstützung, die eine Fernsteuerung von PCs über Intranet und Internet gestattet, ein praktisches Tool, das den Support unbedarfter Anwender erleichtert.

Neuerungen erwarten den Windows-XP-Professional-Anwender nicht zuletzt im Mobility-Bereich. Die TCP/IP-Konfiguration bietet nun etwa die bedarfsweise Verwendung statischer IP-Adressen, ohne dass Anwender ihren Netzwerkadapter ständig umkonfigurieren müssen. Das ist beispielsweise für Notebooks sinnvoll, die auch außerhalb des Unternehmens im Einsatz sind. Offline-Dateien, die mit einem Netzwerk-Server automatisch synchronisiert werden, kommen nun mit DFS (Distributed File System)-Strukturen sowie EFS (Encrypting File System)-verschlüsselten Dateien zurecht.

Augenfällig sind die Änderungen bei der Wireless-LAN-Unterstützung: Out-of-the-Box versteht es Windows XP Professional, mit wechselnden Standorten und dem dabei auftretenden Roaming umzugehen. Dabei werden automatisch alle gefundenen WLANs anzeigt und können per Mausklick ausgewählt werden. Die neue Roaming-Funktionalität soll der Vielfalt unterschiedlichster WLAN-Konfigurations-Utilities ein Ende bereiten, doch zeigt die Praxis, dass erst wenige der bislang erhältlichen WLAN-Adapter mit diesem Feature zurechtkommen.

Ein weiteres Novum von Windows XP Professional stellt Remote Desktop dar, das den Firmen-PC in eine Art persönlichen Terminaldienste-Server verwandelt, der genau eine Sitzung gestattet. So kann der Anwender von unterwegs oder zu Hause aus mit seinem gewohnten Windows-Desktop einschließlich aller Applikationen, Dokumente und Netzwerkverbindungen arbeiten - und zwar von jedem Computer aus, auf dem ein Terminaldienste-Client installiert ist.

Nahtlos passt sich Windows XP Professional in existierende Unternehmensnetzwerke ein, in denen Windows-NT-Domänen oder Active-Directory-Domänen unter Windows 2000 existieren. Einschränkungen gibt es hierbei aber beim neuen Feature der schnellen Benutzerumschaltung, die ein paralleles Arbeiten mit mehreren lokal angemeldeten Benutzern ermöglicht. Diese Option steht ausschließlich im Peer-to-Peer- respektive Arbeitsgruppen-Modus bereit, nicht aber bei einer Domänen-Zugehörigkeit des PCs im Unternehmens-LAN.

Für Novell-Connectivity ist ebenfalls gesorgt, zumindest bis zu einem gewissen Grad: So wartet Windows XP Professional praktisch mit demselben Netware-Client wie Windows 2000 Professional auf. Dieser beherrscht zwar Verbindungen zu Netware-Servern und dem hierarchischen NDS-Verzeichnisdienst, setzt dafür aber die Verwendung von IPX voraus. Für den reinen IP-Betrieb, den Novell seinen Netzwerk-Betriebssystemen, beginnend mit NetWare 5.0, beigebracht hat, eignet sich der von Microsoft stammende Netware-Client somit leider nicht. Unternehmen, die das Novell-eigene Protokoll aus ihren Netzwerken verbannt haben und stattdessen die Verbindung zur Netware-Welt einzig über TCP/IP abwickeln, müssen daher den Novell-eigenen Netware-Client einsetzen. Der ist derzeit allerdings in einer Betaversion erhältlich.

AD für das Desktop-ManagementGut gelöst hat Microsoft den Mischbetrieb von Windows-2000-Professional- und Windows-XP-Professional-Clients im Hinblick auf die zentrale Konfiguration über das Active Directory: Im Utility zur Konfiguration der Gruppenrichtlinien ist klar gekennzeichnet, ab welcher Windows-Version respektive Service-Pack-Revision eine bestimmte Einstellung Gültigkeit erlangt (siehe Abbildung). Netzwerk-Clients, die mit einer älteren Windows-Version zu Werke gehen, ignorieren schlichtweg die ihnen unbekannten Vorgaben.

Die mit Windows XP neu eingeführten Gruppenrichtlinien können auch in einer vorhandenen Windows-2000 Active-Directory-Umgebung genutzt werden. Allerdings ist ein manueller Eingriff erforderlich: Der Administrator muss die zugehörigen Gruppenrichtlinien-Dateien auf einen Domänen-Controller kopieren. Zusammen mit den bereits weiter oben genannten Verbesserungen bei den Gruppenrichtlinien setzt Microsoft also seine mit Windows 2000 eingeschlagene Richtung fort, das Desktop-Management der Arbeitsplatz-PCs über ein zentrales Active Directory zu steuern, um ausufernder IT-Verwaltungskosten Herr zu werden. Wie sein Vorgänger unterstützt Windows XP Professional zudem die richtlinienbasierende Softwareinstallation in Verbindung mit einem Active Directory sowie den netzwerkgesteuerten Rollout über die Remote-Installationsdienste.

XP-Umstieg: Clients im VisierDie mit zahlreichen Assistenten garnierte und renovierte Benutzeroberfläche von Windows XP Professional mag manch ein Experte als überladen und störend empfinden. Unerfahrene Anwender dagegen nehmen diese Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Aufgaben-Ansichten, die in Ordnern zusätzlich angeboten werden, häufig dankend an.

Angesichts der Verwandtschaft von Windows XP Professional zu Windows 2000 Professional dürften viele Unternehmen keine Eile beim Umstieg an den Tag legen. Anders sieht es dagegen bei Firmen aus, in denen Windows 9x/ME oder Windows NT auf Arbeitsplatz-PCs vorherrschen: Die neuen Funktionalitäten in Verbindung mit der gegenüber Windows 98/ME und ihrer wackligen 16-Bit-Architektur spürbar besseren Stabilität dürfte einige Administratoren sofort vom Umstieg überzeugen. NT-4-Anwender profitieren bei Windows XP Professional von einem wesentlich besseren Hardware-Handling, das zum Beispiel PC-Cards und USB mit einbezieht. Zahlreiche Treiber für die unterschiedlichsten modernen Geräte befinden sich bereits im Lieferumfang des Betriebssystems, und für nicht unterstützte Geräte können Treiber direkt aus dem Internet heruntergeladen werden. Auch die Gerätetreiber von Windows 2000 sind weit gehend mit XP kompatibel.

Moderat ausgefallen sind die Hardwareanforderungen für das neue Betriebssystem. Microsoft empfiehlt einen PC mit mindestens 300-Megahertz-CPU, 128 MB Arbeitsspeicher und 1,5 GB Platz auf der Festplatte. Die meisten der in den vergangenen zwei Jahren verkauften PCs eignen sich daher für ein Upgrade. Schlechte Karten jedoch hat, wer noch Windows 95 oder gar 3.1x einsetzt - und zwar nicht, was die zugrunde liegende Hardware betrifft: Für diese Betriebssysteme bietet der Hersteller schlichtweg keine Upgrade-Pfade auf Windows XP Professional mehr an. (wm)

*Eric Tierling ist Autor zahlreicher Betriebssystem-Bücher und freier Journalist.