Business Re-Engineering und lernende Organisation ergaenzen sich Chefs verwechseln noch immer Fuehrungsaufgabe mit Kontrolle

21.07.1995

KOELN (hk) - Unternehmen, die waehrend ihrer Umstrukturierungsphase - neudeutsch Re-Engineering genannt - nicht die Voraussetzungen fuer eine lernende Organisation schaffen, sollten es lieber gleich sein lassen. Diesen Standpunkt vertritt der Koelner Wissenschaftler Robert Fieten. Nur eine staendige Selbsterneuerung sichere das Ueberleben.

Von einer Lernkultur seien die heutigen Unternehmen weit entfernt, verkuendete Fieten im Rahmen einer Veranstaltung des Betriebswirtschaftlichen Instituts fuer Organisation und Automation (Bifoa) in Koeln. Er hat folgende Defizite ausgemacht:

- Fuehrung wird mit Kontrolle und Verwaltung verwechselt;

- Organisationsmitglieder sollen funktionieren und

- Mitarbeiter blicken nach innen auf ihre Abteilungen und nach oben auf ihre Vorgesetzten, statt sich nach draussen auf die Kunden zu konzentrieren.

Solche Strukturen wirkten kostensteigernd und hemmten die flexible und schnelle Anpassung an geaenderte Marktverhaeltnisse. Der Koelner Betriebswirt fordert die Beseitigung von ineffizienten Ablaeufen und Organisationsstrukturen. Seine Empfehlung an die Unternehmen lautet daher "einfach ueberlegen". Gerade durch die Schaffung anpassungsfaehiger und schnell lernender Organisationen koennten die Unternehmen schwer kopierbare Wettbewerbsvorteile aufbauen. "Wichtig ist der Kompetenzwettbewerb", so sein Credo, das heisst, die Betriebe sollten bestrebt sein, in neuen Maerkten Fuss zu fassen und nicht in etablierten um eine Verbesserung ihrer Position kaempfen.

Notwendige Voraussetzung sei allerdings "das konsequente Erlernen von best practices". Der unternehmerische Erfolg stelle sich letztlich nur durch eine "aggressive kontinuierliche Selbsterneuerung" ein. Dazu benoetigten die Firmen das, so Fietens Beobachtung, kaum erschlossene kreative Potential der Mitarbeiter. Es gelte, "Koennen und Wollen zu mobilisieren". Lag frueher der Schwerpunkt auf dem Koennen, also der Schulung der Belegschaft, gehe es jetzt um das Wollen, um die Motivation.

Business Re-Engineering, davon ist der Wissenschaftler ueberzeugt, veraendert alle Positionen im Unternehmen und dadurch auch das Arbeitsumfeld fuer die Beschaeftigten - unabhaengig von ihrer hierarchischen Position. Das Unternehmen der Zukunft sei kein nach Abteilungen gegliedertes, streng hierarchisches Gebilde, sondern ein Netzwerk von Geschaeftsprozessen. Diese liegen in der Zustaendigkeit von kompetenten Prozess-Managern und Teams, die jedoch gesamte Vorgaenge und nicht nur Teilschritte zu verantworten haben.

Das Leitmotiv fuer die Fuehrungskraefte sollte das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung hinsichtlich der wettbewerbsentscheidenden Faktoren Qualitaet, Kosten und Zeit sein. Dies erfordere indes permanentes Lernen der gesamten Organisation auf allen Ebenen vom Sachbearbeiter bis zum Vorstand. Die Zusammenarbeit vollziehe sich weniger durch hierarchische Eingriffe als durch das Zusammenbringen der Mitarbeiter in Projektgruppen.

Fieten hat folgende Trends ausgemacht, wenn es um die Frage geht, wie die Arbeitswelt nach der Umstrukturierungswelle aussehen wird:

- von der funktionalen Fachabteilung zum Prozessteam,

- von eng definierten Positionen zu mehrdimensionalen Stellenprofilen,

- von der Kontrolle der Mitarbeiter zum "Empowerment" (Befaehigung),

- von der Ausbildung zur Personalentwicklung,

- von einer Verguetung nach Stellung in der Organisation zur Verguetung nach dem Beitrag zur Wertschoepfung.

Fuer den Bifoa-Experten sind die Begriffe Re-Engineering und lernende Organisation mehr als nur Modetrends. Es seien Bewegungen, die darauf abzielten, Unternehmen "fit zu machen fuer die heutigen und zukuenftigen Herausforderungen". Dabei stuenden unternehmerisches Handeln und die permanente Auseinandersetzung mit dem Kerngeschaeft im Vordergrund. Ein Ausruhen auf den Lorbeeren duerfe es nicht geben. Fuer die Unternehmensleitungen bedeute dies, dass sie in Zukunft "mehr denn je die Voraussetzung fuer eine hohe Veraenderungskraft" schaffen muessen.u