Cognos-Anwenderkonferenz '99

Business Intelligence: Visionen und Praxis

01.10.1999
NEUSS (as) - Werkzeuge, die dem Aufbau von Business Intelligence (BI) im Unternehmen dienen, gelten heute als strategisch. Anwendern machen jedoch immer noch die technische Komplexität der Produkte und organisatorische Probleme zu schaffen. Dies war auch auf der Cognos-Anwenderkonferenz zu hören. Derweil bewegen sich die Hersteller und Analysten bereits in anderen Sphären und werben für Portale sowie durch Informationen gesteuerte Geschäftsprozesse.

Es ist vor allem ein Marketing-Problem, das Hersteller von Software für Reporting (Berichte), Query (Abfragen) und Online Analytical Processing (Olap) derzeit umtreibt. Sie haben immer größere Mühen, sich von der wachsenden Konkurrenz abzusetzen und ein Alleinstellungsmerkmal zu finden, das sie zumindest in einigen BI-Segmenten zum Platzhirsch macht. Diese Aufgabe ist um so schwieriger als sich potentielle Kunden offensichtlich weniger für Markennamen als für die technische Qualität und guten Support interessieren. Auch haben die Firmen meist klare Vorstellungen davon, wozu sie die Werkzeugen benutzen wollen, und stehen somit neuen Werbebotschaften zunächst reserviert gegenüber.

Ob daher das von immer mehr Herstellern propagierte Buzz-Wort "Portal" den erhofften Zuspruch bei der Kundschaft bringt, bleibt abzuwarten. Immerhin eröffnet ein Firmenportal neue Möglichkeiten. Durch individuell gestaltbare Arbeitsumgebungen, in denen sich strukturierte und unstrukturierte Informationen bündeln lassen, kann die Informationsbelieferung stärker als bisher auf die Bedürfnisse der immer noch wenig motivierten Endbenutzer und Kunden zugeschnitten werden. Allerdings wird dabei kaum erwähnt, daß für den Erfolg von Portalen zunächst eine umfassende, integrierte, hochskalierbare, Metadaten-zentrierte und auf der Extensible Markup Lan- guage (XML) basierte Infrastruktur für die Informationsbereitstellung und vor allem -bearbeitung entstehen muß. Diese muß das Web-Frontend mit dem Olap-Server, Data-Warehouse, Groupware, Archiv- und Dokumenten-Management-Lösungen, weiteren operativen Systemen wie ERP-Software, externen Daten und bei den Anwendern vorhandenen Informationen verknüpfen.

Hinter einem Firmenportal verbirgt sich damit letzten Endes eine Knowledge-Management-(KM-)Lösung, welche die den Bedürfnissen der Anwender angepaßte Informationen unternehmensweit und in Echtzeit liefern kann. Eine solche Mammutaufgabe hat jedoch bisher noch keiner der Hersteller mit seinen Produkten gelöst. Vielmehr können sie nur einen Teil der benötigten BI-Infrastruktur anbieten und vermarkten in erster Linie Web-Frontends, die bisher separate Analysemöglichkeiten nun in einer Oberfläche vereinen.

Auch belegt das geringe Interesse der Anwender an den mittlerweile seit rund zwei Jahren angebotenen Portalen, daß die Zeit noch nicht reif ist.

Als weiterer Versuch, den Anwendern ein eigenes Profil zu vermitteln, gilt das Bemühen der Hersteller, sich nicht mehr als reine Technologie-Anbieter von Standardsoftware zu vermarkten. Vielmehr streben nun immer mehr von ihnen danach, durch "Lösungen" den Kunden einen Mehrwert zu bieten. Hierzu gehören vor allem vorgefertigte Software für Branchen oder Fachabteilungen, die Best Practices zu Templates, Modellen oder Cubes verdichten. Neue Anwendungsgebiete für Analyse-Tools entstehen ferner als Erweiterung von Applikationen für das E-Business- und Customer-Relationship-Management (CRM).

Weitere unternehmensstrategische und zugleich werbewirksame Vorteile von BI-Produkten stehen schließlich im Zusammenhang mit der allerorten diskutierten Ausrichtung der Geschäftsprozesse auf den Kunden. Schützenhilfe bekommen die Hersteller dabei von Marktkennern wie Wolfgang Martin, BI-Experte der Meta Group. Dieser erklärte den über 500 Teilnehmern der Cognos-Konferenz, daß sie Zeugen einer "Informationsrevolution" seien. Alle Geschäftsprozesse unterliegen danach künftig einem nachfrageorientierten Planen, dem Supply-Chain-Planning (SCP), das die bisher separaten Fertigungsprozesse mit den aus den BI-Systemen gewonnenen Informationen vereint. Das Data-Warehouse und die Analysesoftware schlüpfen beim SCP in die Rolle von Leistungskontrollinstanzen in Unternehmen. Sie liefern Informationen über die vorhandenen Ressourcen oder helfen dem Controller und der Geschäftsleitung über eine Art "Cockpit" bei der Überwachung der Unternehmensorganisation mit Anwendungen wie "Activity Based Costing" oder "Balanced Scorecards". Ziel ist es, "am Ende Informationen richtig zuzuteilen und eine Information-Supply-Chain entstehen zu lassen".

Anwender denken pragmatischer

Doch auch dieser Traum bewegt innerhalb der wachsenden Anwendergemeinde bisher nur wenige. Dort stehen nach dem schweißtreibenden Aufbau eines Data-Warehouse nicht großspurige Zukunftsvisionen auf der Tagesordnung, sondern stufenweise umsetzbare Projekte, in denen einzelne unternehmensstrategische oder fachbereichsspezifische Ansätze verfolgt werden. Unter diesen dominieren Web-basierte Anwendungen, die veraltete und fehlerhafte Berichtssysteme ablösen und der Bereitstellung von Informationen für die Analyse von Vertriebs- und Marketing- oder Logistikaktivitäten dienen. Dies war auch in den zahlreichen Branchenvorträgen in Neuss immer wieder festzustellen, in denen es vor allem um Lösungen für das Beschaffungs- und Flotten-Management, das Trial-Management in der klinischen Forschung, die Potential- sowie Zielgruppen- oder Sortimentsanalyse ging.

Beispiele: Die Schweizer Kiosk AG, Tochter des Handelsriesen Valora Holding AG, besaß sehr schlechte produktbezogene Daten aus ihren Filialen und führte noch Strichlisten über den Abverkauf. In einem dreimonatigen Projekt wurde ein Data-Mart aufgebaut, das täglich die zuvor aufwendig vorverarbeiteten Bon-Daten aus derzeit 125 Kassen speichert. Anschließend lassen sich mit Hilfe von Cognos Olap-Tools die gewonnenen Wareninformationen auswerten und darstellen. Laut Projektleiter Marc Meier verbesserte sich die Qualität der Bewegungsdaten und die Anwender erhielten ein einfach zu benutzendes Frontend. Weitere Schulungen sind aber noch erforderlich.

Bei der "Bild"-Zeitung in Hamburg wird gegenwärtig mit "Basis Regio" ein System zur Vertriebssteuerung entwickelt. Es soll helfen, die Zahl der Remissionen von derzeit 16,2 Prozent oder 900000 Exemplaren pro Tag durch mikrogeografische Analysen des Absatzmarktes zu senken. Dabei werden Raum- und Strukturdaten vom Anbieter Claritas mit tagesgenauen Verkaufszahlen, Stamminformationen, Adressen und weiteren Beschreibungen kombiniert und im Data-Warehouse vorgehalten. Mit Hilfe der Olap-Technik lassen sich die Daten nun auswerten und als Standard-Reports oder Excel-Spreadsheets darstellen. Alle Bild-Grossisten erhalten zudem aus dem Gesamtdatenwürfel für sie relevante Sub-Cubes zugeschickt.

Die Mannheimer Phoenix Pharmahandel AG modernisierte und vereinheitlichte ihr veraltetes Berichtswesen für Finanzen und Controlling. Dieses bestand bis dato aus manuell erstellten Excel-Spreadsheets, die per Fax verschickt wurden und meist erst vier bis fünf Wochen nach Monatsabschluß vorlagen. Phoenix baute deshalb zunächst ein Data-Warehouse auf, das aufbereitete Altdaten und monatlich Stammdaten aus den europäischen Filialen vorhält. Anschließend entwickelte die IT-Abteilung länderspezifische Cubes, die via File Transfer Protocol (FTP) an 92 Profit-Center in acht Ländern verschickt werden und es den derzeit 50 Endbenutzern ermöglichen, zwei Standardberichte aufzurufen oder Ad-hoc-Analysen zu starten. Die Monatsdaten liegen heute am Folgetag des Abschlusses vor.

Akzeptanz der Werkzeuge bleibt großes Problem

Wie ein roter Faden zog sich durch alle Vorträge der zweitägigen Konferenz das Problem, daß die Arbeiten nicht nur wegen der zahlreichen technischen Herausforderungen immer wieder in Verzug gerieten. Vielmehr bleiben die Systeme nach wie vor hinter den Erwartungen der Anwender zurück, weil bei der Implementierung der Produkte zuwenig auf organisatorische und "kulturelle" Eigenheiten im Unternehmen geachtet wird. Dies bestätigt auch Gerald Wiese, Chef der Gwit Consulting aus Goslar und Vorsitzender der mittlerweile auf 85 Firmen angewachsenen Cognos-User-Group. So gehe es auf den Anwendertreffen neben den üblichen Schwierigkeiten, wie etwa dem Arbeiten mit unterschiedlichen Versionen der Werkzeuge, immer wieder um die mangelnde Kommunikation und die Zuordnung der Verantwortlichkeiten zwischen der IT und der Geschäftsleitung.

Eine daher von den Teilnehmern mit viel Verständnis aufgenommene Schilderung dieses Problems gaben Isabelle Droll und Claus Lagershausen, beide Controller bei der Hapag Lloyd Touristik Union, zu der unter anderem 31 Veranstaltermarken wie TUI und Ltur gehören. Dort ist seit rund drei Jahren ein Data-Warehouse produktiv und beliefert die rund 400 Anwender mit Berichten zur Entscheidungsunterstützung wie etwa Statistiken. Aufgrund der komplexen Geschäftsstruktur mit 25 Unternehmensbereichen mußte die IT 40 Datenwürfel mit bis zu 100 Dimensionen und über 50 Measures erstellen, die es heute aufwendig zu pflegen gilt.

Vor allem aber wurde das System im Top-down-Verfahren eingeführt und ist bisher nicht an die speziellen Bedürfnisse der wenig motivierten Benutzer angepaßt. So sträuben sich manche von ihnen, ihre Berichte nur noch online anzuschauen und drucken benötigte Unterlagen weiter aus. Selbst das Abbilden bestehender Statistiken auf das neue Medium im Verhältnis eins zu eins verursachte bei manchen Alteingesessenen den Eindruck, "daß man jetzt gar keine Unterlagen mehr für die Arbeit in der Hand habe".

Die beiden Controller versuchen deshalb Schritt für Schritt, die Informationsbereitstellung zu verbessern und die Akzeptanz zu steigern. Dabei gehen sie einen Weg, der derzeit häufiger anzutreffen ist: Ausgewählte und geschulte Mitarbeiter in den Fachabteilungen (Knowledge-Manager) sollen im weiteren Verlauf ihre Kollegen unterstützen und motivieren. Dies hat den Vorteil, daß diese Experten die gelieferten Informationen besser als ein IT-Mitarbeiter interpretieren können und für eine schnellere Akzeptanz der BI-Anwendungen im Unternehmen sorgen.

Hinzu kommt der Aufbau eines Enterprise Information Systems. Zu ihm gehören Balanced Score- card für das Management, Oberflächen für die Ad-hoc-Analyse sowie ein Verzeichnis aller verfügbaren Unternehmensinformationen im Browser. Um die Komplexität zu reduzieren und den Nutzen des Systems zu steigern, sind laut Droll und Lagershausen weitere Veränderungen geplant. So werden die Zahl der bisher 4000 meist unwichtigen Reports auf nur noch 200 beschränkt und bereichsspezifische Data-Marts implementiert. Gelingt die technische und organisatorische Restrukturierung, dann könnte am Ende eine anwenderzentrierte, einheitliche Wissensbasis entstehen, die alle Entscheidungsprozesse optimal unterstützt - ein großer Schritt in Richtung Portal.