Business Intelligence - die nächste Runde

18.10.2002
MÜNCHEN (as) - Historisierte Daten auszuwerten und daraus Maßnahmen abzuleiten ist den Verfechtern eines Business-Performance-Managements zu wenig. Sie möchten mit Hilfe ihrer IT sämtliche Unternehmensaktivitäten laufend prüfen (Soll-Ist-Vergleich) und daraus das weitere Vorgehen ableiten können.

Um den Erfolg von Maßnahmen, Strategien und Geschäftsplänen zu messen, geben sich bis heute viele Unternehmen mit den Daten aus der Buchhaltung und Rechnungslegung zufrieden. Deren Finanzplanung basiert jedoch in erster Linie auf Jahresbudgets, Quartalsabschlüssen und mehr oder wenig schlüssig errechneten Forecasts. Zudem müssen die aus den operativen Systemen stammenden Finanzdaten oftmals langwierig abgestimmt und konsolidiert werden, wobei viele Arbeitsschritte manuell erfolgen und schließlich in einer Zusammenstelllung von Excel-Spreadsheets münden. Eine umfassende und vor allem kurzfristige Beurteilung der Unternehmensleistung oder gar proaktives Handeln, um Verluste und Fehlentwicklungen zu vermeiden, sind dadurch nur schwer möglich.

Von Insellösungen zu Plattformen

Business-Intelligence-(BI-)Anwendungen sind hier ein Weg, um mehr über die finanziellen Verhältnisse des eigenen Unternehmens herauszufinden. In der Praxis entstanden jedoch vor allem abteilungsbezogene, isolierte Lösungen, die lediglich Auswertungen und Berichte auf der Basis historischer, üblicherweise in einem Data Warehouse aufbereiteter operativer Daten erlauben, nicht jedoch die Ist-Daten aus den transaktionsorientierten Systemen einbeziehen. Somit ist letztlich auch hier nur ein Teil der Unternehmensleistung überprüfbar.

Dies soll sich nun mit dem Business-Performance-Management (BPM) mittelfristig ändern. Die Idee ist, unternehmensweit historisierte (Data Warehouse) und operative Daten zu erheben, mit den Kennzahlen und Plandaten des eigenen Geschäftsmodells zu kombinieren und in einer leistungsfähigen BI-Infrastruktur zu bearbeiten und zu verteilen. Der Soll-Ist-Vergleich von Geschäftszahlen kann dabei je nach Anforderung ad hoc oder zu einem festgelegten Zeitpunkten erfolgen. Die Ergebnisse lassen sich den zuständigen Mitarbeitern umgehend mit Hilfe leistungsfähiger, vorzugsweise Web-basierender Reporting-Lösungen zustellen. Unternehmen könnten dann kurzfristiger auf dynamische Veränderungen am Markt reagieren und Risiken systematisch bewerten.

Der Aufbau einer BPM-Infrastruktur samt ihren Auswertungskomponenten ist laut Beratungsfirmen wie Gartner bereits möglich. Anbieter von BI- oder auch ERP-Software werben schon heute mit Lösungen für BPM, "Corporate Perfomance Management" oder "Enterprise Performance Management" (siehe Kasten "BPM-Produkte"). So haben Firmen wie Cognos, SAS Institute, Hyperion Solutions, Applix, Business Objects oder SAP und Peoplesoft teilweise ihre BI-Tools in "BI-Suiten" oder BI-Plattformen" zusammengeführt, mit denen sich auch operative und relationale Daten besser integrieren, analysieren und mit Hilfe von Unternehmenskennzahlen organisieren lassen sollen.

Verlockend am BPM-Konzept ist für solche Anbieter, dass sie ihren Kunden einen Weg zu dem immer öfter nachgefragten Mehrwert ihrer BI-Systeme aufzeichnen können. Dabei hoffen die Hersteller zugleich, ihre Data-Warehouse-Lösung und/oder einem Server für Online Analytical Processing (Olap) als zentrale und kostspielige BPM-Plattform beim Kunden zu positionieren. Manche BI-Anwendungen von Wettbewerbern in den Fachabteilungen könnten dabei zugunsten der eigenen Suite abgelöst werden. Mit der Infrastruktur lassen sich zudem weitere analytische Anwendungen und Tools für Berichtswesen, Planung, Budgetierung, Forecasting, Balanced Scorecards, Dashboards sowie Werkzeuge für die Anwendungsentwicklung vermarkten. Schließlich könnten auf diesem Framework auch neu entwickelte analytische BPM-Anwendungen erstellt werden.

Doch bei der vollständigen Umsetzung einer leistungsfähigen BPM-Infrastruktur lauern viele alte Probleme auf den Kunden. So etwa die Extraktion, Transformation und Laden (ETL) der operativen Daten als eine Aufgabe, die bis heute 80 Prozent des Einführungsaufwands eines Data Warehouse ausmacht. Ebenso sind laut einer Untersuchung der CW-Schwesterpublikation "Infoworld" im BI-Datenbank-Server technisch anspruchsvolle Arbeiten wie die Sicherung der Datenqualität, die einheitliche Metadaten-Verwaltung sowie das schnelle Bearbeiten von Client-Zugriffen nötig. Heutige Systeme nutzen für die Datenintegration mit Quellsystemen in erster Linie Massenlader oder eine stückweise, speicherintensive Aktualisierung der Felder (Drip-feed). Anbieter wie Ascential Software und Informatica haben hier mittlerweile (kostspielige) Lösungen entwickelt, die den ETL-Prozess automatisieren und das Anbinden operativer Systeme über Standardadapter und XML erlauben.

BPM erhöht Komplexität

Weitere Herausforderungen an die IT sind die Entwicklung komplexer BPM-Prozessmodelle und die richtige Auswahl der Daten, mit denen sich eine Unternehmensleistung prüfen lassen kann, sowie vor allem die Integration der bestehenden Datenmodelle der bisherigen Abteilungslösungen. Nur wenn diese gelingt, sind Anwendungen wie Scorecards und Monitoring möglich. Außerdem sollten Unternehmen nicht übersehen, dass analytische Anwendungen bisher nur von Spezialisten erstellt und genutzt wurden. BPM sieht hingegen eine weit größere Benutzergruppe mit möglicherweise Tausenden von Clients vor.

Die BI-Plattform muss dementsprechend skalierbar sein und künftig relationale Ist-Daten im Terabyte-Bereich sowie multidimensionale (Plan-)Daten handhaben können. Zudem wird verlangt, dass sich Queries von der Server-Engine parallel abarbeiten lassen, ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept implementiert ist sowie eine zeitgleiche Bearbeitung von Datenbeständen durch mehrere Benutzer möglich ist. Ebenso benötigt der Server eine Write-back-Funktion für die Planung, um ein Zurückschreiben gegen die Datenbank zu ermöglichen.

Angesichts des umfassenden Ansatzes gehen Marktbeobachter wie die Meta Group oder AMR Research davon aus, dass das BPM-Konzept in den kommenden Jahren stufenweise durch Zukauf einzelner Komponenten umgesetzt wird. Allerdings fangen viele Unternehmen laut Martin Cornelius, Director Solutions bei Hyperion, nicht auf der grünen Wiese an. Zwar sei der BPM-Begriff als solcher bei den Kunden noch nicht angekommen, erste Komponenten befänden sich aber schon im Einsatz.

BPM ist schon Praxis

Diese Einschätzung teilt Thomas Greutmann, Leiter der Geschäftsfelder beim IT-Dienstleister Syskoplan. So habe man beim Bertelsmann Buchclub eine Planungsanwendung aufgebaut, die als wichtige Kennziffer täglich die Zahl der Neumitglieder vergleicht (Absatz abhängig von der Kundenzahl, Neuzugänge, Abgänge) und regelmäßig auswertet, ob aktuelle Werbekampagnen erfolgreich laufen. Ferner habe Syskoplan erste Projekte mit "SAP SEM" und dem dazu benötigten "Business Warehouse" gemacht und konnte zumindest in puncto Planung und Simulation einsatzreife BPM-Anwendungen erstellen. "Ist ein Data Warehouse als Infrastruktur bereits vorhanden, so liegt der Investitionsrahmen für die BPM-Lösungen im Schnitt bei 30 bis 40 Manntagen sowie den Kosten für einige Lizenzen."

Für Greutmann und andere ist BPM eine Weiterentwicklung von BI und derzeit deshalb im Gespräch, weil viele Unternehmen nach einem Zusatznutzen ihrer Data Warehouse-basierenden BI-Anwendungen suchen. Nach seiner Ansicht haben die meisten Unternehmen verstanden, dass ein stufenweiser Aufbau eines Data Warehouse sinnvoller ist als unsystematisches Reporting und überdimensionierte Datenmodelle. Nun setze sich die Einsicht durch, dass der bisherige Planungsprozess im Unternehmen zu unstrukturiert war und ein geschlossener Regelkreis für Plan/Ist samt Planungsanwendungen nötig ist."

Unternehmen rät Greutmann, BPM in taktischen Teilprojekten anzugehen und stets auf eine saubere Umsetzung des Konzepts zu achten. BI-Frontend-Produkte sollten Firmen erst nachrangig auswählen, da diese ansonsten die Infrastruktur diktieren könnten und neuerlich dezentrale Lösungen in den Abteilungen entständen. "Fachbereiche trennen sich nur ungern von den auf ihre Anforderungen zugeschnittenen Lösungen. Es muss aber eine übergreifende BI-Infrastruktur geben, da viele der lokal gespeicherten Informationen auch von anderen Abteilungen regelmäßig gebraucht werden."

Organisatorische Herausforderung

Doch auch die Unternehmensleitung muss laut Volker Schwab, Geschäftsführer der Cognos GmbH, ihre Hausaufgaben machen und ein komplexes Management-Konzept entwickeln. Dabei heißt es sich zu entscheiden, ob eine flächendeckende Distribution von Geschäftsinformationen gewünscht ist und wie Mitarbeiter entsprechend ihrer Funktion in die Unternehmensziele einzubinden sind. Die einzelnen Entscheider sämtlicher Hierarchieebenen brauchen zudem einen kompletten Überblick über die Unternehmensziele und -strategien und müssen wissen, wie sie selbst die Unternehmens-Performance beeinflussen. "Soll die BPM-Strategie nicht scheitern, muss sie von allen Beteiligten geteilt werden sowie konsistent und im gesamten Unternehmen gültig sein. Sie sollte daher eindeutig formulierbar sein."

Gartner war's

Nach "Business Intelligence" (BI) hat das Beratungsunternehmen Gartner mit "Corporate Performance Management" (CPM) einen weiteren Begriff für entscheidungsunterstützende Softwareprodukte vorgestellt. Danach ist CPM "ein Satz von Methodiken, Metriken, Prozessen und Systemen, mit denen sich die Unternehmensleistung überwachen und steuern lässt." In der Praxis bedeutet dies einen bunten Mix aus BI-Produkten - insbesondere analytischer Anwendungen, Kennzahlen-basierender Lösungen sowie Tools für die Echtzeit(-nahe) Auswertung von Geschäftsprozessen.

Unternehmen ihrerseits können mit dem CPM-Begriff noch wenig anfangen, sehr wohl jedoch mit einer kohärenten und zeitnahen Unternehmensplanung. Daher wird CPM neue strategische Debatten über das künftige Potenzial von BI anstossen. Gartner rechnet folglich damit, dass schon in drei Jahren rund 40 Prozent aller Großunternehmen über eine wie auch immer geartete CPM-Strategie verfügen werden - vorausgesetzt, den Marktforschern fällt bis dahin nicht ein neuer Terminus ein.

BPM-Produkte

Zu den immer zahlreicheren Anbietern von BPM-Produkten, die zusätzlich zu den Standard-BI-Tools für Analyse, Query und Reporting auch spezielle Tools für die Unternehmenssteuerung bieten, zählen heute:

- Hyperion Solutions: Software für Planung und Budgetierung, Finanzkonsolidierung und -Reporting, Perfomance Scorecard sowie Modellierung.

- SAS Institute: unter anderem Tools für Balanced Scorecards (Strategic-Performance-Management), Planung und Budgetierung, Konsolidierung, Finanzkonsolidierung und -Reporting sowie für Activity-Based-Cost-Management.

- Cognos: Produkte für Scorecards (Key Performance Indicators), Budgetierung, Konsolidierung und Reporting, analytische Anwendungen.

- Applix: Software für Planung und Analyse.

- MIS: analytische Anwendungen für die Unternehmensplanung, Risk Management, Balanced Scorecard, Beteiligungscontrolling und Konsolidierung.

- Comshare: Suite für Planung und Controlling, Tools für Forecasting, Budgetierung, Konsolidierung und Reporting.

- Corvu: unter anderem Tools für Balanced Scorecards und BPM

Zu den Anbietern von ERP-Software, die auch BPM-Lösungen anbieten, zählen:

- Peoplesoft: Suite für Enterprise-Performance-Management, die lizenzierte Software für Budgetierung, Planung, Balanced Scorecard sowie analytische Anwendungen umfasst.

- SAP: Suite für "Strategic Enterprise Management" bestehend aus Anwendungen für Planung, Budgetierung, Konsolidierung, Performance Management und analytische Anwendungen.

- Oracle: Software für Activity-based Management und Balanced Scorecards. Die bisherigen analytischen Anwendungen für Finanzen und Sales werden derzeit vom Olap-Server "Express" auf die Datenbank "9i" portiert.

- J.D.Edwards: lizenzierte Produkte für Planung und Budgetierung sowie vorkonfiguierte Data Marts für Finanzen, Sales, Leistungsmessung und Beschaffung.