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Bundestrojaner - "Einbrechen wird nicht nur der Staat"

11.09.2007
Von pte pte
Die Befürworter des Bundestrojaners haben vor dem Hintergrund der Terrorbedrohung die Oberhand gewonnen. 58 Prozent sind für eine entsprechende Ausweitung der Polizeikompetenzen, während sich 36 Prozent dezidiert gegen den Einsatz des sogenannten Bundestrojaners aussprechen, besagen die Ergebnisse einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD. Angesichts dessen gehen auch die Kritiker in die Offensive und wollen Aufklärungsarbeit - auch aus technischer Sicht - leisten. "Die zentrale Frage ist, welche Ziele wir verfolgen. Wollen wir Sicherheit oder die staatliche Kontrolle", sagt Joachim Jakobs, Sprecher der Free Software Foundation Europe (FSFE) gegenüber pressetext. "Wenn der Staat in Computersysteme einbrechen kann, dann können das auch andere. Die Menschen werden damit zusätzlichen Missbrauchsrisiken ausgesetzt."

FSFE-Mitglied und Sicherheitsexperte Werner Koch ortet bei einem möglichen Einsatz des Bundestrojaners Probleme mit der Computersicherheit im Allgemeinen. "Da unterschiedliche Betriebssysteme existieren, wird es wohl nicht eine allgemeine Software für die Online-Überwachung geben, sondern eher einen Werkzeugkasten für staatlichen Einbruch", erläutert Koch. Dabei gerate der Staat in den Interessenkonflikt, denn einbruchsichere Rechner wären dann ein Hindernis. Laut Koch würde in der Praxis wohl eher der Rechner physikalisch manipuliert werden, indem beispielsweise Keylogger installiert werden. Durch so eine Wanze wäre es dann einfach möglich, verschlüsselte Nachrichten abzuhören.

Die FSFE sieht zudem eine große Gefahr für freie Software an sich. Sie sei in doppelter Hinsicht betroffen. Da Systeme mit freier Software äußerst sicher gemacht werden können, müsse damit gerechnet werden, dass in Deutschland keine sichere Software mehr entwickelt werden darf, mahnt Bernhard Reiter, Deutschland-Koordinator der FSFE. Durch den Hackerparagrafen (pressetext berichtete: http://www.pte.at/pte.mc?pte=070705003 ) käme eine weitere Unsicherheit hinzu, da Sicherheitssoftware meist auf zwei Arten genutzt werden kann: Einerseits, um in einen Rechner einzubrechen und andererseits, um Rechner und deren Sicherheitsstufe zu analysieren. Durch diese gesetzliche Unsicherheit werde weniger Software entwickelt und die Computergüte schlechter untersucht, ist Reiter überzeugt.

"Von derlei Gesetzen profitieren chinesische Kriminelle künftig noch mehr, denn auch die Bundesregierung bekommt weniger Werkzeuge, um sich selbst zu sichern", so Reiter. "Letztlich müsste sich die Bundesrepublik abschotten und den Austausch von Expertise auf diesem Gebiet deutlich einschränken. Damit laufen wir Gefahr, weitere Kompetenzen und kreative Menschen zu verlieren, welche wir in unserem Land dringend brauchen". (pte)