Veraltete TA-Diskettenstationen werden verschrottet:

Bundesbahn fährt mit Tandem auf Kurs'90

18.12.1987

FRANKFURT/MÜNCHEN (ujf) - Die überfällige Modernisierung des Dienstleistungsunternehmens Bahn nimmt konkrete Züge an. Mit ihrem Projekt "Kurs '90" steuert die Frankfurter DB-Zentralverwaltung auf die Installation eines kundenfreundlicheren Informationssystems zu. Generalunternehmer für das zentrale System ist die Tandem Computers GmbH: die intelligenten Terminals liefert die Siemens AG.

Das Projekt, mit dem der Bahnvorstand verlorenes Terrain im Reisegeschäft zurückgewinnen will, heißt Kurs '90; dem Namen zum Trotz soll es im wesentlichen schon zu Beginn des Sommerfahrplans 1989 realisiert sein. Den sperrigen Triumph-Adler-Geräten des Typs TA 1069 mit ihren 8-Zoll-Disketten, die derzeit noch in den meisten Fahrkartenausgaben der Bahnhöfe stehen, schlägt bald das letzte Stündchen. Im Lauf des nächsten Jahres werden sie Zug um Zug durch Siemens-Mikrocomputer des Typs PC-D 2 mit speziellen Billett-Druckern ersetzt - bundesweit über 1000 Stück in 580 DB-Fahrkartenverkaufsstellen.

Obwohl als Kern des Systems die "NonStop"-Rechner von Tandem fungieren, die die Bahn vor einigen Jahren für die Platzbuchung angeschafft hatte, werden die Siemens-Mikros in den Bahnhöfen vorerst an das Netzwerk der 25prozentigen DB-Tochter "Start Datentechnik" angeschlossen, an dem auch die Terminals der DER/abr-Reisebüros hängen. Denn die Software für die Online-Verbindung zwischen Arbeitsplatz und Tandem-Host in der Frankfurter Zentrale ist noch nicht fertig. Sie soll dem Vertrag zwischen Bundesbahn und Tandem zufolge bis Ende Januar 1989 zur Verfügung stehen und dann bis März in der Praxis getestet werden. Zulieferer der Individualprogramme ist - als Subunternehmer von Tandem - das Bonner Softwarehaus Gikom. Bis die komplette Lösung läuft, bedient sich die Bahn des Umwegs über "Start".

Sobald die Verknüpfung über ein bahneigenes "Integriertes Netz" (IN) in X.25-Technik abgeschlossen ist, reicht ein einziges Terminal für die Funktionen Zugauskunft, Platzreservierung und Fahrkartenverkauf; für die Kunden entfällt - zumindest theoretisch - das lästige mehrmalige Schlangestehen. Außerdem stehen dann Informationen über kurzfristige Änderungen von Zugläufen sofort zeitgleich allen Schaltern zur Verfügung. Damit die Leitungen zum Host nicht überstrapaziert werden" speichert das System - so die Planung - lokal auf der Harddisk die gängigsten Tarifinformationen. Und auch bei Fahrpreiserhöhungen oder Sonderangeboten reduziert sich die Zeitspanne Information der Fahrscheinverkäufer von mehreren Wochen auf höchstens einen Tag.

Bei der Neugestaltung ihres DV-Konzepts geht es den Mannen um Bahn-Chef Reiner Gohlke und Marketing-Vorstand Hemjö Klein allerdings um mehr als um die vordergründige Verbesserung des Kundendienstes am Schalter. Abgesehen von sogenannten "Best-Choice"-Angeboten, die dem Fahrgast beispielsweise die Wahl zwischen der schnellsten und der billigsten Verbindung ermöglichen, soll Kurs '90 auch der DB-Marketingabteilung helfen. Statt - wie bisher - alle vier Wochen die Verkaufsdaten von Disketten in den Rechner zu laden, können die Schienenverkehrs-Strategen demnächst alle 24 Stunden aktuell den Erfolg oder Mißerfolg ihrer rosaroten oder schwarz-rot-goldenen Reiseangebote überprüfen.

Das Projekt Kurs '90 wird insgesamt etwa 35 Millionen Mark verschlingen, davon sechs Millionen für die Tandem-Software. Im Mittelpunkt der Lösung steht die zentrale Datenbank unter Non-Stop-SQL. Die angeschlossenen Siemens-Terminals PC-D 2 werden jeweils konfiguriert mit 40-MB-Festplatte, 15-Zoll-Schwarzweiß-Monitor mit Positivdarstellung sowie einem Fahrkartendrucker; als Betriebssystem wählte die Bahn Microsofts Unix-Derivat Xenix.