Büro der Zukunft: Zweifel mit Vanille

13.11.1981

Auf nationalen und internationalen Symposien und Kongressen, die sich mit Telekommunikation befassen, wird seit geraumer Zeit wieder ein Begriff strapaziert, der von Organisationsexperten schon mehrmals totgesagt wurde - das Büro der Zukunft.

In die Ankündigungsstille auf dem Markt der traditionellen Mainframe-Anlagen platzen Computer-Hersteller und Textsystem-Anbieter mit einer Vielzahl von Entwicklungen für die elektronische Bürokommunikation hinein. Vorläufiger Schlußpunkt: Sydney Lambs "assoziativer" Speicher "on a Chip", für den der deutsche Elektrokonzern AEG-Telefunken jetzt die Lizenzrechte erworben hat (siehe Seite 1).

Wenige Tage zuvor hatte der US-Hersteller Wang, selbsternannter "King of AO" (Automated Office), mit der Vorstellung einer futuristischen DV/TV-Kombination fürs Büro von sich reden gemacht. Als "Alliance" wurde ein Bürosystem vorgestellt, das die einheitliche Anwendung der Elemente Daten, Text, Bild und Sprache ermöglicht - eine Mischung aus Datenbankcomputer, Nebenstellehanlage, elektronischem Briefkasten, Fernkopierer und Bildtelefon. Ein Multifunktionsterminal, wie es im (Marketing-)Buche steht.

Damit beginnt, laut Wang, eine neue Generation der Bürotechnik - charakterisiert durch "Digits" und Benutzerfreundlichkeit.

In drei, vier Jahren, behaupten die AO-Trommler aus Neu-England, gehöre Alliance zu den "Vanilla Products", die jeder einsetzen könne. Zweifel sind angebracht. Vor allem lassen sich die Chancen derartiger Elektronikhilfen beim normalen Büroangestellten nicht recht einschätzen. Schon die bloße Beschreibung der Systemmerkmale (siehe oben) weckt Unbehagen - "Big Brother" lugt um die Ecke.

Nicht zu unterschätzendes weiteres Hemmnis: Mit der Implementierung der neuen Office-Technologien dürfte der heutige DV-Manager bei weitem überfordert sein. Schließlich erfordert die Einführung einer praktikablen Kommunikations-lnfrastruktur Investitionen, die in ihrer Höhe noch nicht abschätzbar sind.

Und wie den Informationsnutzen bewerten? Erinnerungen an die "MIS-Misere" werden wach. Denn in der Diskussion um das "Büro der Zukunft" argumentieren die Anbieter noch mit Versatzstücken aus den sechziger Jahren, als "Management Information Systems" zum Symbol der Computer Avantgarde wurde: Mehr Kreativität und bessere Entscheidungen durch schnellere Informationen, so die Kausalkette, deren schwächstes Glied offenbar der Entscheider.

So hat das technisch Machbare seine Grenzen im Wirtschaftlichen und - nicht zuletzt - im Menschlichen. Fazit: Der Markt ist noch nicht reif. Würde man heute einen potentiellen Benutzer fragen, ob er das totale Büro der Zukunft haben wolle ("Total Office Solution"), so wäre es verständlich, wenn er mit "Nein" antwortet.