IIR Praxisforum 2003: Führungskräfte zwischen Kostendruck und Mitarbeiterführung

"Budgets sind Verschwendung"

21.11.2003
OFFENBACH (iw) - Kostendruck, Budgetzwänge und hohe Erwartungen der Mitarbeiter bereiten Führungskräften Kopfzerbrechen. Viele von ihnen fürchten um ihren Job. Experten fordern nun die Abkehr von Budgets und übertriebenem Controlling, stattdessen sei strategisches Denken wichtig.

Die andauernde Wirtschaftsflaute hat sich in den Köpfen von Managern und Mitarbeitern gleichermaßen eingenistet und beschneidet stark den Handlungsspielraum. Der viel strapazierte Begriff Krise hätte gute Chancen, zum meist verwendeten Wort des Jahres aufzusteigen. Das Praxisforum 2003 des Kongress- und Weiterbildungsanbieters IIR lief zwar unter dem Titel "Führungskräfte zwischen Kostendruck und Mitarbeiterführung", doch in vielen Vorträgen hatte sich der Begriff Krise einen festen Platz erobert. Im Griechischen bedeutete Krise Entscheidung, Orientierungs- und Entscheidungslosigkeit beschreibt den dahinter liegenden Abgrund heute treffender. Einige Manager ähneln dem Kaninchen, das vor der Schlange in Ehrfurcht erstarrt, behaupten manche Experten. Selbstverständliches wird zum Problem, Entscheidungen stellen unüberwindbare Hindernisse dar.

"In vielen Krisen fühlen Menschen sich als Opfer. Der Unterschied ist nicht, ob man in einer Krise steckt oder nicht, sondern wie man sich zu ihr stellt. Die allzu schnelle Rede von einer Krise ist nicht selten ein Signal dafür, dass man seine Souveränität verloren hat", erklärt Jürgen Werner, der an der Universität Witten-Herdecke Philosophie und Rhetorik lehrt. Einen solchen Souveränitätsverlust beobachtet Werner beispielsweise bei Managern, die nur noch auf Kennzahlen fixiert sind oder in ihren Entscheidungen blind irgendwelchen Analysten und Beratern folgen. Laufen Führungskräfte deren Vorgaben hinterher, verlieren sie ihre Unternehmensziele und Strategie aus den Augen. Krise umschreibt dann lediglich die eigene Unfähigkeit, mit einer Situation umzugehen und Entscheidungen zu treffen. Als Ausweg empfiehlt er beispielsweise, die eigene Urteilskraft zu fördern und alle sechs Monate die eigene Strategie zu überdenken. Verfügt ein Unternehmen über genügend Innovationspotenzial, ist es weniger anfällig für Turbulenzen.

Werners Analyse scheint keineswegs realitätsfern: "In unserem Haus geben sich die Berater die Klinke in die Hand. Sie verfrühstücken jetzt das Geld, das wir durch Kürzungen eingespart haben", ärgert sich ein Kongressteilnehmer, der nicht genannt werden möchte. "Entscheidungen treffen längst nicht mehr unsere Manager", fügt er resigniert hinzu. Schließlich erlaube diese Methode, später die Berater für das Scheitern verantwortlich zu machen, so seine Vermutung.

Budgets, Planzahlen oder der Rotstift allein helfen den wenigsten Führungskräften, ihre Unternehmen wieder in die Gewinnzone und auf Kurs zu bringen. Der Berater Dieter Brandes geht noch einen Schritt weiter: "Vergessen Sie Ihre Budgets", empfiehlt er den anwesenden Kongressteilnehmern, "konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche." Der ehemalige Aldi-Manager weiß, wovon er spricht. Seine Erfahrungen mit dem erfolgreichen Discounter und die daraus abgeleitete Management-Theorie fasst Brandes unter der Maxime "Einfach managen" zusammen. In Offenbach erntete er für seinen Ansatz regen Beifall. Vielen Opfern der neuen Zahlengläubigkeit sprach er aus der Seele.

Klare Ziele sichern den Erfolg

Auch Brandes plädiert für eine klare Unternehmensstrategie. Am Beispiel der Aldi-Welt verdeutlicht, heißt das: klare Ziele, gute Qualität, niedrigste Preise und Kosten sowie eine eingeschränkte Zahl von Produkten. Von Komplexität hält Brandes weder etwas auf Unternehmens- noch auf der Angebotsseite. Er präsentierte den Zuhörern eine "Checkliste des Verzichtens" à la Aldi. "Budgets und Jahresplanungen sind die größte Verschwendung", schimpfte er. Manager hätten wichtigere Aufgaben als monatlich oder vierteljährlich Zahlenkolonnen in Excel-Tabellen einzutragen und Ausgaben umzuschichten. Marktforschung und Benchmarking seien ebenfalls überflüssig und ständen zusammen mit luxuriösen Geschäftsräumen und edlen Firmenwagen auf seiner Streichliste. Das Postulat der Bescheidenheit gilt für Angestellte und Führungskräfte gleichermaßen. Statt Marktforschung empfiehlt er Managern auf die eigene Intuition, Erfahrung und Phantasie in Verbindung mit gesundem Menschenverstand zu vertrauen. Ein guter Riecher für Neues und Trends könne ebenfalls nicht schaden. Außerdem solle man auf sein eigenes Urteilsvermögen hören: "Was sich wie Quatsch anhört, ist auch Quatsch." Die wichtigste Konstante ist für den ehemaligen Aldi-Manager allein der Kundennutzen. Werde ihm oberste Priorität eingeräumt, komme der wirtschaftliche Erfolg von selbst.

Selbst-Marketing hilft der Karriere

Doch auch wenn Manager alles richtig machen, können sie von Entlassung bedroht sein. "Wer Mitarbeiter in Krisenzeiten führen will, dessen eigene Karriere sollte sicher sein", empfiehlt Christian Zielke, Professor für Kommunikation in der Wirtschaft an der Fachhochschule Gießen-Friedberg. Trotz aller Sachzwänge des Tagesgeschäfts sollten Führungskräfte ihr persönliches Fortkommen im Auge behalten. Wer morgens ins Büro geht und fleißig seinen Postkorb abarbeitet, hat laut Zielke ein Problem. Technisch orientierte Mitarbeiter neigen überwiegend zu dieser Arbeitshaltung. In Krisenzeiten sind die Fleißigen oft die ersten, die gehen müssen, so die Erfahrung des Professors. "Selbst-Marketing ist unumgänglich. Dazu gehört auch, politische Spielchen mitzuspielen", erläutert er. Außerdem hilft ein gutes Netzwerk über unterschiedliche Abteilungen und Hierarchiestufen hinweg. Den Teilnehmern gibt er zahlreiche Tipps: "Stellen Sie sich vor, Sie treffen Ihren Chef im Aufzug und sollen ihm in einem zweiminütigen Spot ihre Kernkompetenzen vorstellen."

Ein anderer Hinweis zielt auf die Struktur im Unternehmen ab. Welchen Stellenwert nimmt die eigene Abteilung ein? Mitarbeiter und Manager hilft es, wenn sie wissen, wie sie und ihr Team eingeschätzt werden. "Sie sollten sich im Unternehmen wie auch in der Bewerbungssituation als Problemlöser präsentieren", erklärt Zielke. Stehen Umstrukturierungen an, sollte das eigene Frühwarnsystem rechtzeitig anspringen. Zielke empfiehlt, auch außerhalb der Firma ein gutes Netzwerk aufzubauen. Ob im Berufsverband, Sportverein oder der eigenen Verwandtschaft - mit etwas Phantasie lässt sich das Marketing in eigener Sache lernen.

Die schwierige Arbeitsmarktlage sollte weder Managern noch Angestellten als Ausrede dienen, Entscheidungen aufzuschieben. "Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, nur das zu tun, was Sie gerne tun und gut können. Sie sollten sich fragen: Teilt das Unternehmen Ihre Werte? Kommen Sie durch das Unternehmen Ihren Zielen, Wünschen und Träumen näher?" Diese Fragen warten auch in Krisenzeiten auf Antworten.