IT im Tourismus/Mit Reisereservierung im Kampf um die Margen bestehen

Buchung enthält wertvolle Kundendaten

01.03.2002
Airlines und Tourismusindustrie sind mit nachlassendem Konsum konfrontiert. Die Anbieter müssen genauer auf die Kundenbedürfnisse eingehen. IT muss helfen, touristische Kompetenz möglichst wirksam zu vermarkten. Computerreservierungssysteme (CRS) spielen dabei eine Hauptrolle. Von Achim Tschauder*

Der Wettbewerb wird härter. Liberalisierung, die Öffnung des europäischen Binnenmarktes und das Internet mischen die Branche auf. Darauf haben die Luftfahrt- und Touristikunternehmen reagiert: Sie sind internationale Fusionen eingagangen, stärkere Anbieter haben die schwächeren übernommenen, allen voran die Lufthansa mit der von ihr initiierten Star Alliance. Aus klassischen Reiseveranstaltern haben sich integrierte Konzerne entwickelt, die mit Airlines, Hotels, Zielgebietsagenturen und Reisebüros Dienstleistungen über die gesamte touristische Wertschöpfungskette anbieten und als multinationale Touristikkonzerne nun Quellmärkte in zahlreichen europäischen Ländern bedienen.

Interessante Möglichkeiten der KundenbindungDieser Wandel in der Unternehmenslandschaft erforderte eine rasche Entwicklung und Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Diese eröffnet den Leistungsanbietern die Möglichkeit, ihre Produkte über das Internet - multimedial aufbereitet und herausgeputzt - dem Endkunden direkt, ohne Einbindung eines Reisemittlers, anzubieten. So werden laut Gfk-Monitor mittlerweile 16,3 Prozent aller Hotels, 14,8 Prozent aller Reisen, 12,4 Prozent der Bahn- und 11,4 Prozent der Flugtickets online gebucht.

Dies bringt beiden Seiten, Anbietern wie Verbrauchern, nicht nur Kostenvorteile, sondern eröffnet auch interessante Möglichkeiten der Kundenbindung.

Mit der durch das Internet geschaffenen Transparenz wuchsen gleichzeitig die Anforderungen an die IT der Unternehmen. Die herkömmlichen Reservierungs- und Vertriebssysteme reichten in ihrer Funktionalität nicht mehr aus.

Traditionelle Systeme geraten ins AbseitsDie Konstruktion integrierter Reisekonzerne verfolgt im Wesentlichen das Ziel, die konzerneigenen Kapazitäten wirksamer zu nutzen und auf diese Weise die Gewinnspanne zu vergrößern. Diese Struktur stellt die Beteiligten vor neue Aufgaben: Die einzelnen Geschäftsbereiche lassen sich nur dann konsequent auslasten, wenn sie eng mit den anderen Bereichen integriert sind und die IT diese Verbindung gut unterstützt.

Neue Yield-Management-Systeme und -Techniken zur nachfrageorientierten Angebotssteuerung müssen entwickelt, integriert und operativ umgesetzt werden. Die optimale Auslastung der eigenen Kapazitäten erfordert dabei insbesondere eine effiziente Steuerung des Verkaufs im stationären Vertrieb. Hier braucht es außer motivierten Mitarbeitern vor allem intelligente IT-Systeme. Die Kompetenz des stationären Vertriebs liegt nicht darin, eine Buchung durchzuführen oder einen Auftrag abzuwickeln, sondern optimal auf das Kundenbedürfnis zugeschnittene Angebote zu verkaufen. Bereits heute bieten die Produktpaletten der Konzerne einen Querschnitt, der einen Großteil der Kundenbedürfnisse abdeckt. Die Kunst liegt darin, dem (konzerngebundenen) Verkäufer ein IT-System an die Hand zu geben, das eine optimale Angebotsauswahl unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Gesamtmarge ermöglicht.

Die Zukunft in der Tourismusbranche wird so aussehen: Integrierte Konzerne werden ihrem internen Vertrieb einen direkten Zugriff auf die eigenen Reservierungssysteme einrichten. Dabei kommen Tools zum Einsatz, die neben dem stationären Vertrieb auch andere Vertriebskanäle unterstützen und sowohl Experten- als auch Endkundenzugriffe ermöglichen.

Damit geraten die Anbieter rein traditioneller Systeme ins Abseits. Ihnen wird Geschäftspotenzial entzogen, denn mit der ausschließlichen Bündelung verschiedener Lieferantensysteme wird auf Dauer kein rentables Geschäft mehr zu machen sein. Gefragt sind heute Gesamtsysteme für veranstalterübergreifende Buchungs- und Ticketing-Verfahren auf internationaler Ebene, die ein neutraler Anbieter seinen Kunden zur Verfügung stellen kann.

Als marktführendes Reisevertriebssystem in Deutschland hat Start Amadeus den Trend erkannt und richtet sowohl seine Organisation als auch sein Leistungsportfolio konsequent in diese Richtung aus. Auch Anbieter in Teilsegmenten der Tourismusindustrie wie Trust International, ein führender Anbieter umfassender Services im Bereich der Reservierung und Distribution der globalen Hotellerie, folgen dieser Entwicklung.

So arbeitet Trust gerade an der Weiterentwicklung seines CRS unter Einbindung vor- und nachgelagerter Systeme mit dem Ziel, auf Basis von Web-Technologien seinen Kunden neue und umfangreiche Funktionalitäten zur Optimierung von Verkaufsprozessen zu bieten. Dies beinhaltet CRM-Anwendungen ebenso wie Tools zur Gruppenabwicklung und für ein effizientes Yield-Management (siehe Kasten "Yield-Management").

Deutlichere IT-EffizienzDer Konsolidierungsprozess im Markt überträgt sich auch auf die Organisation der Unternehmen. Waren IT-Projekte in den vergangenen Jahren noch stark der eher fragmentierten Anpassung einzelner Funktionen und Anwendungen gewidmet beziehungsweise stark vom E-Business-Hype geprägt, ist nunmehr beim Einsatz von Informationstechnologie eine klare Ausrichtung auf die Effizienz zu erkennen, wie die weltweite CSC-Umfrage Critical Issues bestätigt. Gemäß dieser Entwicklung verfolgen die Projekte im Umfeld von Reservierungssystemen vorrangig das Ziel, die Effizienz der Unternehmensorganisation zu unterstützen, da Investitionen in die Informationstechnologie sich schneller und deutlicher als bisher auf die Effizienz des Gesamtunternehmens auswirken müssen. Die Kernkompetenz touristischer Unternehmen liegt in der Produktion und im Absatz touristischer Leistungen. Informationstechnologie wird daher mehr und mehr "Mittel zum Zweck", diese Kompetenz effektiv und effizient am Markt auszuspielen.

Airlines und Tourismusindustrie kämpfen derzeit mit einem radikal veränderten Kaufverhalten und zurückgehendem Konsum: hohe Abgabenlasten, ungünstige Wirtschaftsdaten, steigende Arbeitslosenzahlen - die Ursachen sind vielfältig.

Wem gehören die Kundendaten?So unerfreulich diese Entwicklung auch ist, sie enthält ein konstruktives Moment: Das Bewusstsein für die Notwendigkeit, Produkte und Dienstleistungen ganz an den Bedürfnissen der Zielgruppen auszurichten, ist zweifelsohne gewachsen. Dennoch wurden und werden die Kundeninformationen bis heute nur unzureichend genutzt - und das, obwohl eine Reisebuchung erheblich weitreichendere Erkenntnisse über den Kunden liefert als Geschäftsvorfälle in anderen Branchen. Die noch unbeantwortete Frage, wem denn eigentlich die Kundendaten gehören (dem Reisemittler oder dem Reiseveranstalter), mag diese Tatsache erklären. Im Zuge der Entwicklung zu integrierten Konzernen verliert das Thema aber ohnehin an Bedeutung: Unabhängig vom Ort, an dem die Kundendaten entstehen, werden sie zentral und umfassend durch das Konzern-Marketing genutzt werden.

Fakt ist, dass mittlerweile alle Beteiligten erhebliche Anstrengungen unternehmen, die direkte Ansprache des Kunden, losgelöst vom jeweiligen Kontaktkanal, durch den Einsatz geeigneter Tools zu unterstützen. Die Herausforderung wird darin liegen, diese Tools in die Systemlandschaft, den Sales Channel sowie den Marketing-Mix des Unternehmens zu integrieren.

Reservierungssysteme und Global-Distribution-Systeme werden in ihrer Reinform nur einen untergeordneten Stellenwert haben. Ihre Zukunftsfähigkeit hängt von ihrer Weiterentwicklung mit Blick auf neue Funktionalitäten wie die flexible, industrielle Produktion von Reiseleistungen und die Unterstützung einer Vielzahl von Vertriebskanälen ab. Die Chance der Reisevertriebssysteme als neutraler Mittler liegt darin, als zentraler Baustein zwischen Kunden und Anbieter geeignete Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die den Anbietern diese Flexibilität ermöglicht. Ihr Leistungsspektrum kann sich dabei bis hin zu ASP-Diensten wie zum Beispiel die Bereitstellung von CRM-Applikationen oder anderen Anwendungen erweitern. (bi)

*Achim Tschauder ist Account Manager Travel bei CSC Ploenzke in Kiedrich bei Wiesbaden.

Yield-ManagementSeinen Ursrprung hat das Yield-Management in der amerikanischen Airline-Industrie als Instrument der Gewinnsteigerung. Als nachfrageorientierte Management-Strategie zur Angebotssteuerung hat sich das System des Yield-Managements zunächst in der Tourismuswirtschaft bewährt und inzwischen in vielen anderen Wirtschaftszweigen, insbesondere der Dienstleistungsbranche, Einzug gehalten.

Kernidee ist, durch eine nachfragelenkende Variation der Absatzkonditionen von angebotenen Leistungen die Erträge zu erhöhen. Erfolgreiches Yield-Management basiert auf der Strukturanalyse der im Planungszeitraum erwarteten Nachfrage. Zentrale - aber nicht alleinige - Stellschraube des Yield-Managements ist natürlich der Preis.

Flug- oder Hotelkapazitäten werden zum Beispiel zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Das Yield-Management steuert dabei die Größe der Kapazitäten in den verschiedenen Preissegmenten und die Buchungskonditionen, zu denen sie zu einem bestimmten Zeitpunkt am Markt angeboten werden.

Optimierung der Auslastung bedeutet im Yield- Management nicht Auslastung um jeden Preis. Vielmehr werden die Kapazitäten so gesteuert, dass jedes Nachfragesegment, wie zum Beispiel die Plätze in einem Flugzeug, zum höchsten am Markt realisierbaren Preis angeboten werden. Die Untergrenze der realisierbaren Preise ermittelt sich aus der jeweiligen kostenrechnerischen Vertretbarkeit (Deckung der variablen Kosten).