Btx als preisgünstige Alternative undoder Ergänzung zu "Start", aber:Reisebranche wartet auf sicheren Rechnerverbund

29.06.1984

Die Reisebranche ist eine der drei Branchen von denen sich die Protektoren des Bildschirmtexts durch attraktive Anwendungen eine nachhaltige Steigerung der Akzeptanz des neuen Postmediums erwarten. Anders als bei Banken und Versicherungen oder dem Versandhandel hatten die Reisemanager jedoch neben dem Telefon schon längere Zeit ein elektronisches Medium, über das sie ihre Geschäfte, sprich Buchungen, abwickelten, nämlich das klassische EDV-System "Start". Teilweise wird Bildschirmtext in Zukunft diesen "teuren" und in der Branche umstrittenen Dienst substituieren. In welchen Bereichen und zu welchen Kosten erläutert der folgende Beitrag von Dieter Mussler, von der NUR Touristik GmbH. Frankfurt, der auf einem Vortrag basiert, den der Autor auf der telematica in Stuttgart gehalten hat.*

Die Direktbuchungsmöglichkeit für Privathaushalte ist für uns zur Zeit kein Thema. Wir konzentrieren uns voll auf den Btx-Reisebüro-Buchungsdialog. Während der vergangenen drei Jahre konnten die Btx-Reisebüros aus unserem Vertriebsweg fast die gesamte Angebotspalette buchen. Nach den üblichen Anfangsproblemen und der fortdauernden Überlastung der Btx-Feldversuchs-Zentralen wurde zwischenzeitlich eine hohe Stabilität und Sicherheit auf der technischen Seite erreicht, so daß man durchaus von einer eingefahrenen und praktischen Buchungsmöglichkeit für Reisebüros sprechen kann.

Was die Akzeptanz der Btx-Buchungsmöglichkeit durch Reisebüros betrifft, können wir feststellen, daß das Interesse der Reisebüros sehr groß ist und die Abwicklung einer Reisebuchung via Btx auf keinerlei Probleme stößt. Das große Interesse läßt sich unter anderem daran erkennen, daß selbst unter den eingeschränkten Bedingungen der Cept-Übergangslösung bereits über 20 Reisebüros einen Btx-Anschluß erhalten haben.

Insgesamt sind bis heute über 80 Reisebüros aus unserem Vertriebsweg als Btx-Reisebüros aktiv und haben zwischenzeitlich über 2500 Buchungen mit einem Gesamtumsatz von über 3,0 Millionen Mark via Btx abgewickelt. Zusammenfassend lassen sich zwei wesentliche Vorteile für das Reisebüro aus der Nutzung von Btx erkennen.

Btx als Buchungsmittel für Reisebüros ist:

- preisgünstig, selbst unter den Gebührenfesseln der bundesweiten Einführung

- veranstalterneutral - mit nur einem Gerät lassen sich Buchungen bei mehreren Veranstaltern abwickeln.

Zum Vorteil der Preisgünstigkeit läßt sich vorab anmerken - auf Details gehe ich im Punkt "Kosten" ein -, daß ein Massenkommunikationsmittel, wie es Btx ist oder besser gesagt werden soll, preisgünstiger sein muß als alle Individualkommunikationsmittel.

Die Veranstaltungsneutralität ist meines Erachtens aus Sicht der Reisebüros einer der wesentlichen Vorteile, da von einem Gerät - im Gegensatz zu Start - alle Veranstalter gebucht werden können.

Der oft beschworene und zum Teil bereits eingetretene Geräte-Dschungel in den Reisebüros dürfte somit bald ein Relikt der Vergangenheit sein.

Buchungen standardisieren

Neben der Standardisierung der technischen Kommunikation zwischen unterschiedlichen Systemen besteht ja darüber hinaus die berechtigte Hoffnung, daß auch die Buchung einer Reise standardisiert werden kann.

Die Bemühungen des Deutschen Reisebüroverbandes, einen einheitlichen Buchungsstandard zu verwirklichen, werden hoffentlich dazu beitragen, daß die Reisebüromitarbeiter sich mehr auf die Beratung der Kunden konzentrieren können und nicht in einer Vielfalt unterschiedlicher Buchungsverfahren ersticken.

Daß die offene Kommunikation mit mehreren Veranstaltern, wie sie im Btx möglich ist, zwangsläufig zu einer Liberalisierung des Vertriebs führen wird, wie mehrfach behauptet, ist für mich nicht erkennbar.

Die Entscheidung über den Zugang zum externen Rechner liegt nach wie vor in der Zuständigkeit des Betreibers und wird sicherlich nach seinen vertriebspolitischen Zielsetzungen vergeben werden.

Gigantische Einnahmequelle

Daß die relativ günstige Kostenbelastung, wie sie während der Feldversuchsphase sowohl für Btx-Teilnehmer wie auch für Informationsanbieter gegeben war, nicht im Dienstbetrieb fortzuführen ist, leuchtet sicherlich jedem ein, der auch von Staatsbetrieben eine kostendeckende Arbeitsweise erwartet.

Nur darf meines Erachtens das Medium Btx nicht zu einer gigantischen Einnahmequelle wie beispielsweise das Telefon werden.

Die zur Zeit verabschiedete Gebührenordnung, wie sie ab 1986 voll zur Wirkung kommen soll, tendiert in diese Richtung und erweckt den Eindruck, als wolle man gewissen Vorinvestitionen innerhalb weniger Jahre amortisieren und dann entsprechende Gewinne verbuchen.

Ich glaube, die Deutsche Bundespost wäre gut beraten, wenn sie die endgültige Wirksamkeit der vollen Gebühren noch einmal überdenkt und die tatsächliche Einführung der Gebühren auf jeden Fall von der Akzeptanz des Mediums in der Übergangsphase abhängig macht und nicht gleiche Fehler wie andere europäische Länder begeht.

Kosten/Nutzen für Reisebüros

Für Reisebüros, die Btx ausschließlich als Buchungsmittel verwenden und nicht darüber hinaus noch Informationsanbieter sein wollen, werden sich die direkt zuzuordnenden Kosten in einem meines Erachtens vertretbaren Rahmen halten.

Neben den Investitionskosten von zirka 3000 Mark für eine Minimalausstattung kommen noch die Modemgebühren und die variablen Telefonkosten von je 8 Minuten ß 23 Pfennige hinzu.

Bei einem maximalen Buchungsvolumen von zirka 1000 Passagieren pro Jahr, die nach unseren Erfahrungen über ein Gerät abwickelbar sind, bedeutet dies eine Belastung an variablen Kosten von zirka 3 Mark pro Passagier einschließlich der Modemgebühren.

Rechnet man die Abschreibungskosten hinzu, so dürfte nach heutigen Erkenntnissen eine durchschnittliche Btx-Kosten-Belastung von zirka 3,70 Mark je Passagier entstehen.

Nicht eingerechnet in diese Rechnung sind eventuelle Belastungen, die durch eine Umlage der den Veranstaltern entstehenden Kosten für je eine Datex-P-Verbindung zu den Btx-Zentralen entstehen könnten.

Ob und in welcher Höhe es notwendig sein wird, seitens der Veranstalter Gebührenbelastungen umzulegen, läßt sich für unser Haus zur Zeit noch nicht absehen.

Vergleicht man jedoch die direkt zuzuordnenden Kosten für Btx-Buchungen von zirka 3,70 je Passagier, mit den Kosten der herkömmlichen EDV-Terminals, so entsteht folgendes Bild: Bei Gebühren von 500,- Mark bis 1500,- Mark pro Monat, die je nach Leistungsumfang heute von den Veranstaltern oder "Start" erhoben werden, entspricht dies bei einem Umsatz von 1000 Passagieren pro Jahr einer durchschnittlichen Belastung je Passagier von 6 Mark bis zu 18 Mark.

Eine Differenz von minimal 2,30 Mark je Passagier zugunsten einer Buchung mittels Btx ist meines Erachtens eine interessante und vor allem preiswerte Alternative zum EDV-Terminal mit enormen Fernsprechgebühren, da die Reservierungszentralen häufig nicht im Ortsnetz liegen.

Unberücksichtigt ist hierbei, daß über ein Btx-Gerät fast alle Veranstalter gebucht werden können und darüber hinaus die Kostenbelastung bis auf wenige Anteile variabel und damit abhängig vom tatsächlichen Buchungsaufkommen ist .

Ich möchte jedoch nicht so weit gehen und Btx als 100prozentigen Ersatz für herkömmliche EDV-Terminals sehen.

Nach unseren Erfahrungen dürfte Btx vor allem für kleinere und mittlere Reisebüros, die heute ein EDV-Terminal wirtschaftlich nicht einsetzen können, eine preiswerte Möglichkeit zur Direktbuchung beim Veranstalter bieten.

Wir beabsichtigen daher auch nicht, Btx als Ersatz für unsere bisherigen Terminals einzusetzen, sondern als eine sinnvolle Ergänzung, um noch mehr Buchungen direkt vom Reisebüro abzuwickeln.

Kosten/Nutzen für Veranstalter

Die Kosten, die den Veranstaltern entstehen, lassen sich nicht pauschalieren, da je nach Struktur der Reservierungssysteme unterschiedlich umfängliche Programmanpassungen notwendig sind.

Darüber hinaus ist eine entsprechende Software zur Überwachung und Durchführung der Kommunikation zwischen dem Reservierungssystem und den Btx-Zentralen notwendig.

Nicht absehbar sind zum heutigen Zeitpunkt auch die möglichen zusätzlichen Belastungen durch vermehrte elektronische Anfragen und Buchungen zu Spitzenzeiten.

Exakt meßbar sind zum heutigen Zeitpunkt lediglich die Kosten für Datex-P-Anschlüsse, Leitseiten etc. so wie sie durch die Gebührenordnung festgelegt sind.

Ich glaube jedoch, daß diese Gebühren den geringsten Anteil des Gesamtaufwandes beim Veranstalter ausmachen werden.

Vorteile für die Veranstalter dürften sich meines Erachtens aus einer Reduzierung der telefonischen Reservierungszentralen und einer umfassenden Information der Reisebüros über das Produkt ergeben.

Weitere Entwicklung

Mit der nunmehr absehbaren stufenweisen Einführung der neuen Btx-Technik wird zum Herbst dieses Jahres erstmals eine größere Anzahl Btx-Teilnehmer das System live erproben können. Wie bei jedem größeren Projekt ist in der Einführungsphase mit Behinderungen und Problemen zu rechnen. Als größtes Risiko für eine exakte Terminierung stellt sich jedoch momentan der Rechnerverbund dar.

Meines Erachtens ist bei dem jetzigen Rechnerverbund-Software-Entwicklungsstand bis zum 31. 12. 84 eine ausgetestete und laufsichere Rechnerverbundanwendung mit neuer Technik nicht zu erreichen.

Die Bundespost wäre gut beraten die Terminierung für die Abschaltung der alten Rechnerverbundanwendungen noch einmal zu überdenken und der Rechnerverbundproblematik eine größere Bedeutung beizumessen.

Da der Anteil der kommerziellen Anwender zunächst unbestritten überwiegen wird und diese Teilnehmer den Rechnerverbund als wesentlichen Bestandteil des Btx-Leistungspaketes ansehen, wird auch der Einführungserfolg unmittelbar von den möglichst komfortablen und vor allem laufsicheren Rechnerverbundanwendungen abhängen.

Ich gehe davon aus, daß frühestens nach dem Jahreswechsel eine größere Anzahl Reisebüros sich am Btx-System beteiligen wird.

Insgesamt glaube ich jedoch daß es in den nächsten zwei bis drei Jahren unter anderem mit Btx möglich sein wird, von jedem Reisebüro aus eine Reise direkt mit verbindlicher Bestätigung zu buchen und die Beratung durch zusätzliche Informationen zu qualifizieren.