Bruessel marschiert, Bonn diskutiert

07.05.1993

War das wieder eine Woche, koennte man meinen, wenn man die letzten Apriltage im Bezug auf die europaeische TK-Politik Revue passieren laesst - und manch interessierter Zeitgenosse kommt besonders beim wehmuetigen Blick auf Bonn zu oben genanntem Fazit. Ganz so einfach, wie es sich indes Befuerworter und Gegner eines liberalisierten TK-Marktes in Europa bei ihrer Argumentation oft machen, ist die Situation nicht.

Stichwort Sprachmonopol:

Mit ihrem Stufenplan ging die EG- Kommission bei der Freigabe der leitungsgebundenen Uebertragung von Sprache ueber ihre urspruenglichen Absichten hinaus. Das nicht zuletzt unter dem Druck der Industrie zustande gekommene Papier dokumentiert jedoch nach Meinung nicht weniger Kritiker zum Teil blosses Wunschdenken, muss man sich doch gerade auch in der Telekommunikation mit einem "Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" auseinandersetzen. Im Klartext: Was in Grossbritannien, den Niederlanden und mit Einschraenkung auch in der Bundesrepublik und Italien realisierbar ist, macht in Laendern wie Portugal und Griechenland auf absehbare Zeit wenig Sinn - ganz zu schweigen vom Fehlen jeglicher Vorgaben fuer eine einheitliche Tarifgestaltung.

Stichwort Netzinfrastruktur:

Dass mit einer Freigabe aller Dienste und Services auch das Netzmonopol fallen muss, ist eine nicht erst seit gestern gelaeufige Erkenntnis. Was sich die EG-Kommissionaere jedoch bei ihrem Vorschlag der "TK-Zweckentfremdung" von Kabelfernsehnetzen gedacht haben, bleibt deren Geheimnis. Von der - im Vergleich zu den USA und Japan - rueckstaendigen europaeischen Netzinfrastruktur zu reden, ist eine (begruendete) Sache, von der technischen Realisierbarkeit (Schnittstellen etc.) eine andere. Nicht alles, was im US- Wahlkampf als Konzept fuer das naechste Jahrtausend gepriesen wurde ("Elektronischer Super-Highway"), ist politisch wie technisch serioes und auf Europa uebertragbar.

Stichwort Postreform II:

Man mag das Wort schon gar nicht mehr in den Mund nehmen, so verfahren scheint die Situation. Wie wenig Mut die Bonner Politik derzeit aufbringt, zeigt sich am Beispiel der juengst wieder aufgekommenen Debatte ueber die Telefongebuehren. Jeder weiss, dass die Telekom - im Kontext einer wann auch immer greifenden EG- weiten Harmonisierung - ihre Gebuehrenstruktur aendern muss. Dass dabei vor allem die Ortsgespraeche um ein Vielfaches teurer werden, wagt derzeit jedoch niemand an verantwortlicher Stelle auszusprechen. Aber, allen Skeptikern zum Trost, bald ist Sommerpause und naechstes Jahr wird in Bonn nur eines, naemlich gewaehlt.