Deutsche Hochschulen dienen als Zwischenlager für IBM-Rechner:

Broker ICS unterläuft Big Blues Rabattpolitik

30.11.1984

MÜNCHEN - "Nur ein Atomblitz kann uns in der Leasing-Welt vom Markt fegen", kommentiert Düsseldorfs ICS-Boß Helmut F. Eue Vorwürfe, er benutze einige deutsche Universitäten als "Rabattwaschanlagen" für IBM-Großrechner. Das Hamburger Broker-Pendant ICC sprach jetzt in einem Telex schon von einem möglichen neuen Leasing-Skandal, den es sehr bedauern müßte. Doch damit nicht genug: Die Hanseaten distanzierten sich gleichfalls von den Praktiken der ICS, "die in großem Umfang Maschinen des "blauen" Riesen mit sogenanntem Forschungsrabatt vermarktet haben soll, um daraus marktunüblich hohe Gewinne zu schöpfen."

Eigentlich, erklärt die im noblen Elbvorort Blankenese ansässige Internationale Computer Consulting GmbH (ICC), habe man die Bombe schon im Sommer platzen lassen wollen. Mittlerweile aber seien nicht nur die Mitbewerber voller Grimm, auch Kunden entrüsteten sich jetzt über die Praktiken der Düsseldorfer Dependance der schwedischen ICS.

Die geschmähten Geschäfte des Brokerhauses am Rhein waren, glaubt man Branchenkreisen, äußerst lukrativ. An mehreren deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen hat die Integrated Computer Service GmbH (ICS) nach Insidermeinungen diverse IBM-Rechner installiert und diese Maschinen in ständiger Regelmäßigkeit durch neue ersetzt. Die ausgetauschten Mainframes seien dann an kommerzielle Anwender in Deutschland und Übersee verkauft worden.

Dabei soll ICS die Rabatte, die IBM ausschließlich auf die in Lehre und Forschung eingesetzten Maschinen gewährt, nicht an "Mother Blue" zurückgezahlt, sondern in die eigene Tasche gesteckt haben.

Nach den Vorgaben von IBM aber müssen Nachlässe für sogenannte Forschungsmaschinen zurückgezahlt werden, verbleiben die Rechner nicht mindestens 36 Monate im wissenschaftlichen Bereich.

Die flotten Deals des ICS-Mannes Eue aber scheinen nicht zuletzt durch die Enthüllungsaktivitäten von ICC zur Ruhe gekommen zu sein. Den Hamburgern kann es obendrein nur recht gewesen sein, den lästigen Konkurrenten zu stigmatisieren. Eue war nach einem kurzen Zwischenspiel bei ICC zu ICS gegangen. Zwischen beiden Häusern herrscht verhaltene Stimmung, die aus persönlichen Differenzen resultiert.

Gerüchte besagen, der Marktführer habe an ICS eine Rabattrückforderung in Höhe einer zweistelligen Millionensumme geltend gemacht. Ereifert sich Eue bei Recherchen der CW: "Wir haben unsere Aktivitäten auf diesem Gebiet eingestellt, alles andere ist legal."

Was die finanzielle Seite betrifft, fühlt sich der Düsseldorfer Statthalter, den die Schweizer Leasingfirma COS als Spitzenverkäufer mit allen Tricks bezeichnet, gut abgesichert. Er stützt sich auf das Beteiligungspolster des "verrückten Möbelhauses aus Schweden" von 32 Prozent an der ICS- Mutter: "Ein Teil unserer Firma gehört schließlich Ikea."

IBM, zu deren guten Kunden ICS zählt, hüllt sich indes in Schweigen: "Wir reden mit zwei Leasinggesellschaften über die Hochschulrabatte und fordern die Einhaltung unserer Verträge mit Nachdruck", heißt es kurz und bündig. Keine Stellung möchten die Stuttgarter zu den Rabattforderungen nehmen.

Preisgünstiger Absatz

Mit dem drohenden Zeigefinger dürfte IBM die Geschäftspraktiken ihrer Verkaufsstütze ICS wohl kaum abtun können. Immerhin konnten auf diese Art Maschinen des Marktgiganten, der sich sonst schwer mit Nachlässen für die kommerziellen Kunden tut, preisgünstig an den Mann gebracht werden. Und so wird ICS nachgesagt, mit Preissenkungen nicht gerade zimperlich gewesen zu sein. Anwender aus der Industrie, die sich vorher noch an der Preispolitik IBMs gestoßen hatten, griffen nunmehr beherzt zu den Maschinen aus den durchlaufenden Hochschulposten.

Eine Methode, die bei den PCMs übel aufgestoßen ist und mit fassungslosem Kopfschütteln verfolgt wird. Sie sind in jüngster Zeit zunehmend das Opfer äußerst aggressiver Verkaufsstrategien der IBM, die in Deutschland gut 60 Prozent des Großrechnermarktes fest umklammert und weitere Expansionen auf ihre Fahne schreibt. Spekuliert wird in Branchenkreisen derzeit, ob der ICS-Handel mit Forschungsmaschinen bei IBM bis ins Topmanagement bekannt war.

Einig sind sich Beobachter jedoch daß zumindest der IBM-Vertriebsbereich für Lehre und Forschung sowie der technische Außendienst an einem Strang gezogen haben. Denn anhand der Seriennummer des Rechners hätte bei der Wartung die "Wanderschaft" nachvollzogen werden können. Ein Insider: "Wenn an der Uni Heidelberg drei Installationen gemacht werden, muß das doch auffallen."

Beanstandungen aber kamen offenbar nirgendwoher. Bemerkenswert, da dieses Tauschverfahren nach Kennern der Szene nicht neu ist, sondern schon seit langer Zeit so lief.

Interesse an den Mainframe-Schiebereien ist auch bei den lokalen Vertriebsbeauftragten anzunehmen Das halbseidene Verkaufsspielchen sicherte die notwendigen Erfolge - die begehrten Punkte - und besserte zudem die Provision auf.

Aktiv war ICS nach Marktbeobachtern auch, wenn Universitäten die Neuanschaffung eines Rechners planten. So wartete Eue bei einer Ausschreibung des Rechenzentrums für das Krebsforschungszentrum der Universität Heidelberg mit einer Offerte für eine IBM-CPU auf, die, so Mitbewerber, 500000 Mark unter dem direkten IBM-Angebot lag. Ein Geschäft, das für alle Vorteile hatte nur für die Konkurrenz nicht, kommt es denn auch aus den Reihen derer die sich bei diesem Prozedere ständig die Nase rieben.

Unis hielten Türen auf

Daß Universitäten bei den Rechnerwechseln die Tür aufhielten, gestehen sie nicht oder nur zögernd ein. ICS zumindest unterbreitete auf Geheiß IBMs der Universität Dortmund vor kurzem ein Angebot für einen neuen Großrechner. Doch diesmal schien der Lieferant aus Düsseldorf schlechte Karten zu haben. Der zuständige Ausschuß der Uni empfahl, einen IBM-kompatiblen Rechner von Siemens zu kaufen. So die Darstellung des stellvertretenden Rechenzentrumsleiter.

Dieses sei, bekräftigt er, der erste offizielle Kontakt zu ICS gewesen. Zu vorhergehenden inoffiziellen Gesprächen erklärte er mit euphemistischen Worten: "Sagen wir es so, die Uni Dortmund hat zur Firma ICS die gleichen Beziehungen gehabt wie zum Beispiel die Universitäten Bonn und Münster."

Den Anfang soll der schwunghafte Handel Eues an der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt genommen haben. Deren Rechenzentrums-Chef, Dr. Hagen Hultzsch, gleichzeitig noch bis Jahresende SEAS-Präsident, legt pragmatische Gelassenheit an den Tag. Es heißt schlicht, so Hultzsch, preiswerte Möglichkeiten für die Beschaffung neuer Rechner zu finden. Die Budgets der öffentlichen Haushalte würden immer kleiner, dem gegenüber habe die GSI aber eine Kapazitätswachstumsrate von jährlich 40 Prozent. Die knappen Etats belasten weniger die Forschungszentren als vielmehr die Universitäten. Hultzsch: "Es ist beispielsweise ein Unding, das Rechenzentren von Unis vor zehn Jahren mal eine Anlage bekommen haben, seitdem dort aber nichts mehr passiert ist."

Um den Innovationsprozeß bewältigen zu können ("Leider begreifen die Politiker unsere Forderungen Nicht") arbeitet der GSI- Mann mit ICS zusammen. Vorher waren es, erwähnt er am Rande, ICC und andere Firmen. Ob die Forschungsrabatte wieder an IBM zurückgezahlt werden müssen, schert Hultzsch indes wenig: "Der Broker kauft die Maschine bei IBM und hat mithin auch den Besitz. Damit interessiert uns das Rabattproblem nicht." Dieses recht flexible Verfahren sichert, daß Maschinen wie die /168, die schon vom Stromverbrauch sehr viel kostet durch neue Rechner zu attraktiven Konditionen ersetzt werden.

Immer zur rechten Zeit habe ICS sich an den Unis eingestellt, die sich um Gelder für einen neuen größeren Rechner bemühten, wissen Branchenkenner. Während des langwierigen Genehmigungs- und Beschaffungsverfahrens hätte Eue dann wohlklingende Angebote unterbreitet, denen die RZ-Verantwortlichen nicht widerstehen konnten.

So erklärte sich beispielsweise ICS großzügig bereit, die alte 3031, 32 oder 33 des Rechenzentrums in Zahlung zu nehmen. Die Interims- Installation war oft eine 3081 D, heute nicht mehr im Programm und von IBM zuletzt mit 40 Prozent Discount in den Markt gedruckt. Der fehlenden Power dieses Modells half ein Aufrüstsatz nach. Für das Gastspiel der getunten Anlage kassierte ICS nicht mehr als die Wartungskosten ärgert sich ein PCM-Anbieter. Nach einem halben Jahr wurde die Maschine wiederum ausgetauscht, und die dritte CPU schließlich war zumeist jene, die von der Hochschule wirklich bestellt worden war. Ein schneller Rechnerumschlag also.

Von diesen Nacht- und Nebel- Aktionen scheint die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn die bei der Rechnerbeschaffung aus öffentlichen Mitteln ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat, nichts zu wissen. Die Anträge der Hochschulen bearbeitet die Kommission für Rechenanlagen der DFG. Sie gibt Stellungnahmen ab sowie Empfehlungen an den Wissenschaftsrat. Mitglied dieses sicher einflußreichen Gremiums ist der agile Rechenzentrumsleiter der GSI, Dr. Hultzsch, der seine gute Zusammenarbeit mit ICS betont.