Aktienbesprechung: International Business Machines:

Broker honorieren IBM-Vertriebspolitik

01.07.1983

Die Aktien von International Business Machines (IBM), die unter anderem an der New Yorker Stock Exchange gehandelt wird, steht derzeit bei vielen amerikanischen Brokerhäusern, aber auch bei europäischen Banken weit oben auf der Empfehlungsliste. Allgemein erwartet man, daß dieses Unternehmen, das zu den Pionieren der Datenverarbeitung gehört, in den nächsten fünf Jahren ein Gewinnwachstum von durchschnittlich je 15 bis 17 Prozent erzielen könnte. Für das laufende Geschäftsjahr prognostiziert man einen Gewinn zwischen 8,50 und 9,00 Dollar je Aktie, der 1984 dann wohl auf 10,00 Dollar steigen werde.

Der Grundstein für diese positive Gewinnschätzung sind höhere Umsätze. Während das Umsatzvolumen von IBM 1982 bei insgesamt 34,36 Milliarden Dollar lag, könnte sich diese Größe im Geschäftsjahr 1983 um 16,4 Prozent auf 40 Milliarden erhöhen und 1984 noch einmal um 15 Prozent auf 46 Milliarden klettern, heißt es in Analysen. Diese beachtlichen Wachstumsraten dürften trotz der ungünstigen Wechselkursrelationen zwischen dem amerikanischen Dollar und den anderen wichtigen Währungen, die die Zuwachsraten in allen Bereichen negativ beeinflußt haben, und der rückläufigen Leasing-Einnahmen erzielt werden. Nach einer Schätzung von Merrill Lynch wird der erwartete Rückgang der Erträge aus Leasing-Verträgen um 8 Prozent durch eine Zunahme der Verkäufe an elektronischen Datenverarbeitungsanlagen um 36 Prozent mehr als ausgeglichen werden.

Viele Anleger vertraten in der Vergangenheit die Auffassung, daß Leasing-Verträge eine sicherere Einnahmequelle seien als Verkäufe. Obwohl IBM zumindest nach außen hin keiner der beiden Vertriebsarten den Vorzug gab, ließ sich doch aus einigen Preisentscheidungen und der Marktetingstrategie ablesen, daß der Kaufvertrag favorisiert wurde. Aufgrund dieser Geschäftspolitik sind auch die Leasing-Einnahmen seit dem ersten Quartal 1982 rückläufig.

Kauf vor Leasing

Dieser Trend dürfte sich nach Ansicht von Analytikern auch in Zukunft weiter fortsetzen, zumal sich im ersten Quartal 1983 der Kauf bereits installierter gemieteter Datenverarbeitungseinrichtungen verdoppelt hat. Damit war die Zuwachsrate doppelt so hoch wie bei Anlagen, die von Anfang an gekauft wurden. Angesichts der immer schneller voranschreitenden Entwicklung im Datenverarbeitungsbereich kann eine erfolgreiche Geschäftspolitik nach Ansicht von Merrill Lynch nicht auf den Vertrieb von Produkten über Leasing-Verträge gerichtet sein. Verträte IBM einen anderen Standpunkt, so würde man die Aussichten des Unternehmens nicht so positiv einschätzen, heißt es.

Während im laufenden Geschäftsjahr noch der Absatz an Großanlagen und Plattenlaufwerken beziehungsweise Magnetplattenstationen die treibende Kraft für das Geschäftsergebnis sein dürften, wird sich dies 1984 wohl ändern. Datenverarbeitungssysteme der mittleren und unteren Klassen, die 1983 kaum einen wesentlichen Anteil am Wachstum haben dürften, werden wohl 1984 aufgrund der konjunkturellen Lage und der Auswirkungen der immer kürzer werdenden Produktzyklen einen deutlichen Aufschwung erleben. Das verstärkte Engagement von IBM im Bereich der kleinen Anlagen wird daher ein entscheidender Punkt in der langfristigen Entwicklung des Unternehmens sein.

Auch Softwareprodukte und die neue Terminalreihe von IBM dürfte 1984 eine beachtliche Umsatzsteigerung erfahren. Ein weiterer Aspekt der bei der Betrachtung der Zukunft von IBM eine wichtige Rolle spielt ist nach Meinung der Broker der Einfluß der Einführung und der Auslieferung der neuen "4351" auf die Nachfrage für Rechner der 308X-Familie. Marktkenner gehen davon aus, daß es sich um eine 3-MIPS-Maschine handeln wird - also um einen Rechner, der etwa doppelt so schnell sein wird wie die derzeit schnellste Version 4341 (M 12).

Dies wäre eine direkte Konkurrenz für die 3083E, die allgemein als 3 MIPS-Rechner eingestuft wird. IBM könnte daher die Ankündigung auf Anfang 1984 hinausschieben. Mit der Auslieferung der ersten Rechner dürfte dann 1985 begonnen werden. Allerdings würde eine derartige Entscheidung den Produzenten von konkurrierenden steckerkompatiblen Anlagen wie Amdahl oder National Advanced Systems Zeit geben, den Vorsprung von IBM aufzuholen.

Somit ist auch eine Einführung des neuen Modells 435 schon Ende 1983 denkbar, wobei als begleitende Maßnahmen Preisnachlässe zwischen 20 und 25 Prozent für die Modelle der Serie 308 gewährt werden könnten, um hier die Nachfrage zu stimulieren, obgleich die Zielgruppe für beide Produktreihen unterschiedlich sind. Dieses Vorgehen wäre mit einem Preisvorteil und einem Zeitgewinn gegenüber der Konkurrenz verbunden, was wohl auch die Börse honorieren dürfte.

Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV)

Das KGV einer Aktie erfreut sich als eines der Bewertungskriterien für die Kurschancen eines Titels großer Beliebtheit. Als absolute Größe ist diese Kennziffer jedoch wenig aussagekräftig. Sie sollte in jedem Fall im Verhältnis zum durchschnittlichen KGV der Aktiengruppe, der der zur Diskussion stehende Titel angehört, oder sogar zu dem des gesamten Marktes gesehen werden. Ein vergleichsweise hohes KGV kann auf ein hohes Risiko hinweisen. Einmal kann dies nämlich bedeuten, daß der Titel im Verhältnis zum Gewinn des Unternehmens auf einem ziemlich hohen Niveau notiert, weil die betreffende Aktie gerade "in" ist. Bei Abwärtsbewegungen besteht eine große Anfälligkeit für einen scharfen Einbruch. Zum anderen können in einem hohen KGV auch vom Markt erwartete umfangreiche Gewinnzuwachsraten bereits vorweggenommen sein. Das Potential für weitere Kurssteigerungen wäre dann nicht sehr hoch einzuschätzen.

Ist das KGV einer Aktie dagegen niedrig, so kann dies einerseits eine Unterbewertung des Titels bedeuten und auf eine zu erwartende Kursanpassung nach oben hinweisen. Andererseits kann dies aber auch auf eine künftig schlechtere Gewinnentwicklung schließen lassen, die bereits im Kurs vorweggenommen wurde. Im KGV spiegelt sich also die Bewertung des Gewinns eines Unternehmens durch den Markt im Rahmen eines längerfristigen Trends wider. Da hier auch Prognosen über die künftige Entwicklung eingehen sind auf dem KVG basierende Entscheidungen natürlich mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren behaftet.

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