Hardware- und Softwareumsatz rückläufig

Breites Angebot schützt IBM vor der Krise

27.07.2001
MÜNCHEN (rs) - Ein leichter Umsatzrückgang bei steigenden Gewinnen: IBM ist eines der wenigen großen IT-Unternehmen, das bisher ohne größere Schäden durch die schwache Konjunktur lavierte. Doch bei genauerer Betrachtung der jüngsten Ergebnisse wird deutlich, dass auch Big Blue nicht unverwundbar ist.

Der Blaue Riese sitzt einmal mehr auf seinem hohen Ross. Nicht genug, dass IBM auch im zweiten Quartal 2001 die Erwartungen der Analysten erfüllte, während andere Branchengrößen mit Umsatzeinbrüchen und schrumpfenden Gewinnen enttäuschten; einen Seitenhieb auf die Konkurrenz kann sich IBM-Finanzchef John Joyce nicht verkneifen. "Die Wirtschaftsflaute hat auch die Schwäche einiger Unternehmen zutage gebracht", lästert er bei der Präsentation der Quartalsbilanz über die Wettbewerber.

Wie bereits im ersten kam IBM auch im zweiten Quartal 2001 mit einem blauen Auge davon. Der Umsatz verringerte sich weltweit um nicht einmal ein Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal von 21,65 Milliarden auf 21,57 Milliarden Dollar. Für diesen Ausrutscher, der manchen Beobachter überraschte, machte Joyce vor allem den starken Dollar verantwortlich. Bereinigt um Währungseffekte, hätte der Konzernumsatz gar um fünf Prozent zugelegt, rechnete er vor. Der Nettogewinn stieg von 1,94 Milliarden Dollar im Vorjahresquartal auf 2,04 Milliarden Dollar.

Servicegeschäft überrundet HardwaresparteEin differenzierteres Bild bietet sich jedoch, wenn man die einzelnen Geschäftsbereiche betrachtet. Fast der gesamte Gewinnzuwachs resultierte im zweiten Quartal aus den Aktivitäten der Dienstleistungstochter Global Services. Mit den um 6,8 Prozent gestiegenen Einnahmen in Höhe von 8,74 Milliarden Dollar überrundete der Servicearm erstmals in der Firmengeschichte die Hardwaresparte. Einzig das hier einberechnete Wartungsgeschäft mit einem verhaltenen Anstieg von drei Prozent drückte dieses Ergebnis, sonst wäre der Serviceumsatz von Big Blue sogar um neun Prozent gewachsen.

In den vergangenen Jahren hatte der Konzern seine Dienstleistungstochter zum umsatzstärksten IT-Service-Anbieter weltweit hochgepäppelt. IT-Beratung, Systemintegration, Outsourcing, Web-Hosting (von Hard- und Software) oder Support und Wartung: 130000 IBM-Leute erledigen mittlerweile weltweit diese Aufgaben.

Allein im Bereich E-Business-Integration schloss IBM im zweiten Quartal Servicekontrakte im Wert von 16 Milliarden Dollar ab und erweiterte damit seinen gesamten Auftragsbestand auf 95 Milliarden Dollar. Auch im Bereich der Netzintegrations- und -beratungsdienste etablierte sich Big Blue erfolgreich und nimmt mit einem Anteil von 18 Prozent derzeit den ersten Platz im globalen Markt ein.

Nach Ansicht von Firmenchef Louis Gerstner, der diese Entwicklung massiv vorangetrieben hatte, kommt dem Unternehmen nun zugute, dass das Servicegeschäft weniger konjunkturanfällig sei wie der Produktsektor. Als Beispiel führte er IBM Japan an, das trotz anhaltendender wirtschaftlicher Probleme im Land den Serviceumsatz im zweiten Quartal um elf Prozent steigerte.

PC-Segment drückt den UmsatzGerstners Optimismus wird allerdings nicht von allen Branchenkennern geteilt, denn der Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum relativiert sich, wenn man berücksichtigt, dass IBM bereits im vergangenen Jahr nur ein schwaches Wachstum verzeichnete. "Damals verschwanden viele Geschäfte mit dem Jahr-2000-Problem, und es dauerte ein gutes Jahr, bis sich der Servicesektor davon erholte", sagt Stephen Dube, Analyst der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein. Misstrauisch dürfte ferner die Tatsache machen, dass auch IBM stark an der Kostenschraube drehen muss. Von über 2000 Entlasssungen in den vergangenen zwei Monaten waren auch Mitarbeiter der Servicesparte betroffen. Außerdem strich IBM sein Budget für Forschung und Entwicklung rigoros zusammen. Statt über neun Milliarden Dollar fließen mittlerweile lediglich fünf Milliarden Dollar in diesen Sektor.

"Auch wir sind nicht immun gegen die allgemeine Wirtschaftsflaute", räumte IBM-CEO Gerstner vor allem angesichts anhaltender Probleme im Desktop- und im Festplattengeschäft sowie von Währungsverlusten ein. Obwohl IBM im vergangenen Jahr die Kosten der PC-Division kräftig reduziert hatte, gelang es dem Unternehmen nicht, das Segment im Plus zu halten. Nach zwei positiven Quartalen im Geschäftsjahr 2000 befindet sich das PC-Geschäft seit dem ersten Quartal dieses Jahres wieder in der Verlustzone. Auch im zweiten Quartal bestätigte sich der negative Trend: Der Umsatz im PC-Business sackte um 14 Prozent und zog den Quartalsumsatz für das gesamte Hardwaresegment mit nach unten. Gegenüber dem Vorjahresquartal sanken hier die Einnahmen um fünf Prozent auf insgesamt 8,65 Milliarden Dollar.

Nicht schlechter als der MarktDabei ging es der Konkurrenz jedoch nicht wesentlich besser. Einzig Direktanbieter Dell legte beim Umsatz zu; die übrigen Top-Five-Unternehmen - Compaq, IBM, HP und Fujitsu-Siemens - mussten Umsatzeinbußen zwischen 1,1 (FSC) und 10,5 Prozent (Compaq) hinnehmen. Dell steigerte seinen Marktanteil dank 3,9 Millionen verkaufter Einheiten von 11,4 auf 13,4 Prozent und baute damit seinen Vorsprung auf Compaq aus, das im zweiten Quartal rund 3,6 Millionen PCs absetzte. IBM landete mit 2,1 Millionen verkauften Einheiten auf Rang drei vor Hewlett-Packard mit knapp unter 2,1 Millionen Systemen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es Spekulationenen über den Verkauf der PC-Sparte gegenen, doch IBM scheint aus strategischen Überlegungen weiterhin an dem Verlustbringer festzuhalten: "Es ist eine Möglichkeit, den Fuß in die Tür des Kunden zu bekommen und so Folgegeschäfte mit margenfreundlicheren Software- und Servicegeschäften an Land zu ziehen", mutmaßt Gary Helmig, Analyst beim Investmenthaus Wit Soundview.

Umsatztreiber im Hardwaresektor sollen nach Vorstellung des Unternehmens eher die Server-Linien sein. Wie stark dieses Segment tatsächlich ist, lässt sich jedoch anhand der Angaben von Joyce schlecht nachvollziehen, da er für die einzelnen Serien lediglich die Wachstumsraten bei konstanter Währung bekannt gab. Demnach verzeichnete die E-Server-Linie einen leichten Anstieg um 2,5 Prozent auf 3,5 Milliarden Dollar, die Auslieferungen von Mainframes der Z-Serie wuchsen um 26 Prozent, während das Geschäft mit der P- und I-Serie schrumpfte. Auch für den Bereich der Intel-basierten Server, der X-Serie, lässt sich IBM nicht in die Karten schauen und berichtete lediglich von einem Rückgang "parallel zur Marktentwicklung".

Ein wie der PC-Sektor angeschlagener Bereich, der das Konzernergebnis in nächster Zeit empfindlich verschlechtern könnte, ist IBMs Geschäft mit Prozessoren. Zwar setzten die Armonker nicht wie Chipgigant Intel hauptsächlich auf PC-Prozessoren, sondern auf spezielle Bauelemente für die Kommunikations- beziehungsweise Entertainment-Branche, und wurden daher bislang nicht so stark von sinkenden Umsätzen und Gewinnmargen der Branche getroffen. Spätestens im laufenden Quartal wird jedoch auch Big Blue die Auswirkungen der Überkapazitäten und vollen Lager zu spüren bekommen. Wie Finanzchef Joyce auf der Bilanzpräsentation warnte, zeichne sich auf Kundenseite bereits eine zurückgehende Nachfrage ab. Volle Lager der Kunden aus dem TK-Sektor sowie der Netzausrüster könnten zu einem Rückgang des Halbleitergeschäftes zwischen 15 und 20 Prozent im dritten Quartal führen. Da er jedoch bereits im vierten Quartal wieder mit einem Aufschwung rechnet, hält der Finanzchef an einem Anfang des Jahres prognostizierten Umsatzwachstum für den gesamten Konzern im "oberen einstelligen Bereich ohne Wechselkurseffekte" für das Gesamtjahr 2001 fest.

Rückgang im Software-BusinessWie kaum ein anderer IT-Hersteller legt IBM den Geschäftsschwerpunkt innerhalb des Servicesektors - aber auch in den Segmenten Hard- und Software - auf E-Commerce-Anwendungen im B-to-B-Bereich. Mit einer kostspieligen Marketing-Kampagne bemüht sich Big Blue beispielsweise seit Beginn dieses Jahres, seine vier Server-Linien (S/390, RS/6000, AS/400 und Netfinity) unter der Marke "E-Server" zu verkaufen. Außerdem plant das Unternehmen, seine Betriebssystem-nahe Software wie die Datenbank DB2 und seine Middleware an Internet-Standards anzupassen. Ende Mai kündigte IBM zudem mit einer neuen Version seiner Websphere-Software einen Angriff auf Marktführer Bea Systems an. Einer Untersuchung der Marktforschungsfirma Giga Information Group zufolge konnte der Konzern im vergangenen Jahr seinen Anteil am Markt für Web-Application-Software von 16 auf 30 Prozent fast verdoppeln und ist damit Bea mit seinen 35 Prozent dicht auf den Fersen.

Doch auch wenn IBM im zweiten Quartal den Umsatz mit Websphere um 44 Prozent steigerte, schrumpfte der gesamte Softwarebereich insgesamt um 4,6 Prozent auf drei Milliarden Dollar. Ursache hierfür war das schleppende Geschäft mit der System-Management-Software Tivoli, das unter einem starken Nachfragerückgang litt. Auszuzahlen scheint sich hingegen der verstärkte Aufbau von Partnerschaften mit Softwarehäusern. Statt an eigenen Lösungen festzuhalten, die keine Chance haben, signifikante Marktanteile zu sichern, geht IBM nun den Weg über Allianzen. Beispiel CRM: IBM entwickelte unter dem Namen "Corepoint" eine eigene CRM-Lösung, stieß diese jedoch nach kurzer Zeit wieder ab und schloss eine Partnerschaft mit dem CRM-Marktführer Siebel. Nachdem dieser zuvor so gut wie keine IBM-Produkte hatte, da er Big Blue als Konkurrenz betrachtete, wuchs der Anteil nun von null auf 20 Prozent und soll noch weiter ausgebaut werden, denn einem Siebel-Sprecher zufolge wechseln die Kunden zunehmend von Oracle- auf IBM-Datenbanken.

Breit angelegte PartnerstrategieInsgesamt pflegt IBM derzeit 57 Partnerschaften mit anderen IT-Firmen. Eine davon mit dem Netzwerkriesen Cisco Systems, an den IBM 1999 gegen 300 Millionen Dollar ihre Abteilung für Netzwerkkomponenten abtrat. Damit verbunden war ein Abkommmen, dass Cisco in den nächsten fünf Jahren Chips im Wert von fünf Milliarden Dollar von Big Blue kaufen sowie eng mit Global Services zusammenarbeiten wird. Ähnliche Vereinbarungen mit Alcatel und Nortel folgten.

Nicht durch Partnerschaften, sondern über eine Akquistion verstärkte IBM seine Datenbankflanke. Mit dem Kauf des Datenbankanbieters Informix zu Beginn dieses Jahres gewann Big Blue neben einer Reihe gut ausgebildeter Techniker auch rund 100000 Kunden hinzu und erhöhte pro forma seine Anteile am Markt für verteilte Datenbanken auf einen Schlag. Ohne den Informix-Anteil, der erst ab Herbst mitgerechnet wird, konnte IBM das Geschäft mit DB2 im zweiten Finanzquartal um 19 Prozent ausweiten.

Im Speichermarkt gelang es IBM vor allem mit seinem Speichersystem "Shark", Boden gutzumachen. Wie der Finanzchef berichtete, stieg hier der Umsatz um 55 Prozent. Dabei dürfte IBM unfreiwillige Unterstützung vom Konkurenten EMC bekommen haben. Der Speicherexperte hatte in der Vergangenheit mit seiner Preispolitik maßlos übertrieben. Die Armonker nutzten daher die Chance, verärgerte Kunden aus der EMC-Fraktion zu gewinnen. EMC habe allen Grund zur Sorge, weil IBM den Konkurrenten hart angehen werde, glaubt Mike Adams von der Giga Information Group.

Die Konkurrenz schläft nichtAn den Ergebnissen der einzelnen Segmente wird deutlich, dass sich IBMs Strategie in der Konjunkturflaute bisher ausgezahlt hat. Durch die Diversifikation war der blaue Riese insgesamt weniger anfällig für Schwächen in einzelnen Märkten. Dennoch dürfte die Luft künftig wieder dünner werden. Denn war IBM bisher einer der wenigen großen Anbieter, der sich breit aufstellte und die Neuorientierung in Richtung Services und E-Business weitgehend abgeschlossen hatte, so zieht die Konkurrenz nun nach. Erst kürzlich verkündete Sun einen Kooperationsvertrag mit dem IT-Dienstleister EDS. Demnach werden beide Firmen künftig auch die Podukte und Services des Partners verkaufen. HP bemüht sich bereits seit längerem um eine Verstärkung seines Dienstleistungsarmes und erwarb nach einem gescheiterten Versuch, Pricewaterhouse-Coopers zu übernehmen, nun Teile des Recovery-Spezialisten und Leasinganbieters Comdisco für 610 Millionenen Dollar. Auch Compaq hat verkündet, rund 500 Millionen Dollar in sein Servicegeschäft zu stecken. IBMs große Dienstleistungskonkurrenten haben Zeit verloren, können aber trotzdem gefährlich werden.

Sollte Chief Operating Officer Samuel Palmisano, wie von Gerstner angekündigt, spätestens im nächsten Jahr den Posten des CEO übernehmen, steht ihm keine leichte Aufgabe bevor. Die Stärke von IBM, die Vielfältigkeit seiner Produkte, die den Konzern vor den Auswirkungen der Wirtschaftsflaute weitgehend geschützt hat, kann sich auch zu einer Schwäche wandeln. Immerhin gilt es, viele Märkte, Wettbewerber und Trends gleichzeitig im Auge zu behalten.

Abb: IBM-Geschäftsentwicklung

Quelle: IBM