Zugangstechniken unter der Lupe

Breitband für alle - so wird ein Traum Realität

07.06.2011
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Glasfaser - das Gold der Zukunft

München, Köln, Hamburg, Hannover, Braunschweig, aber auch Schwerte, Coburg, Hanau, Kornwestheim oder Lünen - in immer mehr bundesdeutschen Kommunen werden Glasfasernetze bis zum Endkunden geplant oder schon verlegt. Wer in den erschlossenen Ausbaugebieten wohnt, erhält bereits heute Bandbreiten von bis zu 100 Mbit/s oder gar höher. Und angesichts von Anwendungen wie IP-basierenden Videokonferenzlösungen, Arbeiten in der Cloud oder hochauflösendem IP-TV sowie 3D-TV sind viele Experten euphorisch.

Hartwig Tauber, Geschäftsführer des FTTH Council, einer europäischen Industrievereinigung mit 150 Mitgliedern aus der Glasfaserbranche, ist sich beispielsweise sicher, "dass langfristig an der Glasfaser kein Weg vorbeiführt, da selbst VDSL nicht die benötigten Bandbreiten liefert". Für Business-Anwender hätte der Siegeszug der Glasfaser noch eine andere Bedeutung: Sie wären nicht mehr auf die teuren SDSL-Verbindungen mit symmetrischen Upstream- und Downstream-Raten angewiesen, denn die Glasfaserzugänge offerieren auch schnelle Upload-Raten für ein remotes Arbeiten.

Die Grenzen der DSL-Technik

Die DSL-Technik stößt in den Ballungszentren längst an ihre Grenzen. Dort häufen sich die technischen Probleme und die Ausfälle. Wer vor zwei Jahren noch einen 18-Mbit/s-Anschluss hatte, erlebte oft eine schleichende Verlangsamung auf nur noch 10 Mbit/s. Andere wiederum stellen fest, dass ihr DSL-Anschluss zur Primetime am Abend komplett den Dienst versagt oder massive Störungen aufweist. Die Ursachen hierfür liegen in der Physik. Die typische Teilnehmeranschlussleitung (TAL, letzte Meile) besteht in Deutschland aus bis zu 2000 ungeschirmten Kupfer-Doppeladern, mit denen in den alten Bundesländern bis zu 1000 Telefonanschlüsse versorgt werden.

Ursprünglich waren diese Kabel für die Übertragung von Frequenzen bis zu 3,1 Kilohertz konzipiert. Mit DSL werden nun über diese Kabel Frequenzen von bis zu einem Megahertz transportiert. Um zu verhindern, dass sich diese hohen Frequenzen gegenseitig stören, sollten nach Meinung der Technikexperten bei den Netzausrüstern lediglich 60 bis 80 Prozent der Kupferadern einer TAL mit DSL beschaltet werden, wobei der Wert auch vom Zustand des Kabels abhängt.

Langfristig führt an Glasfaser kein Weg vorbei.
Langfristig führt an Glasfaser kein Weg vorbei.

Erschwerend kommt hinzu, dass noch Quereinstrahlungen von Starkstromverbrauchern (etwa Aufzüge, Straßenbahnen, aber auch Baukräne) die Übertragung stören. Langfristig dürfte das Kupfer in Verteilnetz und Teilnehmeranschlussleitung (TAL) an seine Grenzen stoßen, bilanziert auch das Beratungsunternehmen Deloitte in seiner Studie "Broadband Reloaded". Mehr Zukunftssicherheit böten Fiber to the Building (FTTB) und Fiber to the Home (FTTH). Björn Claaßen, Chief Operating Officer bei Keymile, bestätigt das: Im Mix der heute aktuellen Breitbandtechnologien sei die Glasfaser "die zukunftssicherste Lösung mit quasi unbegrenzten Bandbreiten".

Allerdings liegen die Gesamtkosten für Glasfaseranschlüsse um einiges höher als für VDSL. Während ein Haushalt im Schnitt für rund 700 Euro mit VDSL versorgt werden kann, betragen die Kosten für FTTB schon rund 1500 Euro. Und für FTTH errechnen die Wirtschaftsprüfer gar Kosten von bis zu 3300 Euro.

Bescheidene Glasfasernachfrage?

Rund 80 Prozent dieser Investitionen entfallen auf Grabungskosten und die Verlegung von Kabeln innerhalb der Gebäude. Zudem erweisen sich die Erdarbeiten in den Innenstädten oft als schwierig und treiben die Kosten weiter in die Höhe. Dementsprechend ist es an der Glasfaserfront auch ruhiger geworden.

So munkeln etwa Insider, dass der Regio-Carrier Mnet in München seinen Glasfaserplänen weit hinterherhinke. Nach dem öffentlichkeitswirksamen ersten Spatenstich im Herbst 2007 hätten die Münchner bis heute erst 15.000 Glasfaserkunden gewonnen. Zur bremsenden Wirkung der technischen Schwierigkeiten kommt der aus Sicht vieler Anwender geringe Nutzen: Ihnen fehlen noch die Inhalte und Services, die höhere Ausgaben lohnend erscheinen lassen. Die Motivation zu wechseln ist oft gering, zumal die Kunden auf die Preise achten und von DSL seit Jahren sinkende Kosten gewöhnt sind. Die Argumente der Glasfaserbetreiber reichen da oft nicht aus.

Zusatzangebote sind nötig, um bei Privatnutzern die Nachfrage zu wecken - und zusätzliche Einnahmen zu generieren.
Zusatzangebote sind nötig, um bei Privatnutzern die Nachfrage zu wecken - und zusätzliche Einnahmen zu generieren.
Foto: Vodafone

Laut Deloitte sind die Anbieter oft auch noch nicht so weit, die Nachfrage mit attraktiven Bundles anzukurbeln. Wie es gehen könnte, zeigt derzeit die France Telecom, die unter dem Namen "La Fibre" unterschiedliche Pakete schnürt. Neben Internet-Access beinhalten sie HDTV, Internet-Telefonie und Online-Musik. Deloitte zufolge haben sich die Glasfaser-Provider bislang aber eher zu stark auf den Privatkundenbereich konzentriert. Dabei berge eine Kombination von Cloud-Services und schnellen Glasfaseranschlüssen große Marktchancen im Business-Kundensegment. Hier scheint bereits ein Umdenken stattzufinden: Viele Provider investieren derzeit in den Ausbau ihrer Data Center.

Weniger Wettbewerb mit GPON?

Offen ist zudem noch, mit welcher Technik ausgebaut wird. Zuvor müssen die Provider den Bandbreitenbedarf der nächsten 20 bis 25 Jahre abschätzen. Die Entscheidung für eine Technik ist auch für künftige Business-Modelle entscheidend. Experten zufolge eignet sich die GPON-Technik weniger für einen offenen Markt und erschwert Mitbewerbern den Netzzugang. Wenn sie sich in der Breite durchsetzt, dürfte es einen Wettbewerb, wie die Anwender ihn von DSL kennen, nicht mehr geben.