BRD-Fertigungstechnik international konkurrenzfähig:Computergesteuerte Bearbeitung stark ausgeweitet

31.10.1986

Der Bundesrepublik Deutschland wurde in den letzten Jahren wiederholt ein Nachholbedarf an mikroelektronischer Forschung und Entwicklung nachgesagt. Ein internationaler Vergleich zeigt indes, daß sie dort gut mithalten kann. Unter den fünf beobachteten Industrieländern weitete sie die Produktion von NC-Werkzeugmaschinen und computergesteuerten Bearbeitungszentren in den letzten fünf Jahren am stärksten aus.

Vorab müssen einige Begriffe eindeutig umrissen werden: Moderne Fertigungsmittel sind in wachsendem Maße computergesteuert. Vor allem der Einsatz von NC-Werkzeugmaschinen, computergesteuerten Bearbeitungszentren, Industrierobotern und flexiblen Fertigungssystemen gewinnt im industriellen Produktionsprozeß zunehmende Bedeutung.

Das Kürzel "NC" steht für die numerische Steuerung (Lochkartensteuerung). Entweder werden die Werkzeugmaschinen dezentral gesteuert und programmiert (CNC),

oder aber ein Computer steuert mehrere Werkzeugmaschinen zentral (DNC).

Die Informationen über die NC-WZM-Produktion stützt sich auf die amtliche Statistik des Statistischen Bundesamtes und auf Angaben des Vereins deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), vor allem auf seine Internationale Werkzeugmaschinenstatistik und seine Sonderumfragen. Neuere Daten zum Industrieroboter-Einsatz im internationalen Vergleich liefern die British Robot Association und die jährliche Umfrage des Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Über den Einsatz flexibler Fertigungsnetze informiert eine Untersuchung des Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK).

Die Qualität des statistischen Datenangebots befriedigt nicht immer; teilweise muß mit Schätzwerten gearbeitet werden. Der internationale Vergleich wird wegen der uneinheitlichen Abgrenzungen und unterschiedlichen Leistungsqualität einzelner Techniken erschwert. Doch auch als Nährungsgröße ist der internationale Vergleich aufschlußreich.

Im Jahr 1984 produzierten deutsche Werkzeugmaschinen-Hersteller 10 614 NC-WZM, ebenso viele wie die USA, Großbritannien und Frankreich zusammen. Seit 1980 steigerte die Bundesrepublik Deutschland ihren NC-WZM-Output um 222 Prozent. Im internationalen Vergleich weist sie damit die höchste Wachstumsdynamik auf.

Computergesteuerte Bearbeitungszentren sind NC-Werkzeugmaschinen, die mehrere verschiedene Arbeitsgänge - wie Drehen oder Fräsen - an einem Werkstück durchführen können.

Industrieroboter sind universell einsetzbare Handhabungsautomaten mit mindestens drei Achsen. Ihre Bewegungen erfolgen ohne mechanischen Eingriff; sie sind freiprogrammierbar. Die Roboter können mit Fertigungsmitteln - zum Beispiel Greifern oder Werkzeugen - ausgerüstet werden.

Flexible Fertigungssysteme sind miteinander verkettete computergesteuerte Fertigungsmittel. Einerseits findet eine automatische Fertigung statt, andererseits können gleichzeitig unterschiedliche Bearbeitungsaufgaben an unterschiedlichen Werkstücken wahrgenommen werden. Eine Untergruppe der flexiblen Fertigungssysteme stellen die flexiblen Fertigungsnetze dar.

Zur präzisen Einordnung dieser Untersuchung dient die folgende Abgrenzung: Die Dokumentation von Produktion und Einsatz moderner Produktionstechniken konzentriert sich auf die Bundesrepublik Deutschland. Der internationale Vergleich muß sich bei dem unzureichenden Angebot von vergleichbaren Statistiken auf die vier Industrieländer Frankreich, Großbritannien, USA und Japan beschränken. Über den Einsatz von NC-Werkzeugmaschinen (NC-WZM) gibt es keine international vergleichbaren Daten. Deshalb ist lediglich ein internationaler Produktionsvergleich erlaubt.

In allen Ländern nimmt die Bedeutung der NC-WZM-Produktion zu. Ihr Anteil an der deutschen Werkzeugmaschinenproduktion stieg von 1,7 Prozent im Jahre 1981 auf knapp sieben Prozent 1984. In derselben Periode erhöhte sich die Quote in Frankreich von 2,7 auf 3,7 Prozent und in den USA von 2,9 auf 3,6 Prozent. In Japan ist der NC-WZM-Produktionsanteil deutlich größer als in den anderen beobachteten Ländern. Er lag 1984 bei 18,6 Prozent (1981: 13,4 Prozent). Ein wesentlicher Grund hierfür ist die Konzentration der japanischen Produktion auf wenige Maschinenarten, die stark standardisiert in großen Stückzahlen produziert werden. Insofern ist ein Vergleich mit Japan nur bedingt zulässig.

Die gute Position der deutschen NC-WZM-Produktion zeigt sich auch in der Produktionsintensität: 1984 entfielen auf 100 000 Einwohner 17,3 NC-WZM. Damit wird die Bundesrepublik nur noch von Japan übertroffen (Intensität: 31,7 NC-WZM pro 100 000 Einwohner). Weit abgeschlagen sind die USA (2,5), Frankreich (2,0) und Großbritannien (4,6). Auch bei der Produktion computergesteuerter Bearbeitungszentren kann die Bundesrepublik gut mithalten: Von 1980 bis 1984 stieg die Produktion von 242 auf 821 Einheiten. Damit hat die Bundesrepublik verglichen mit den übrigen Industrieländern die stärkste Produktionsdynamik vorgelegt (+ 36 Prozent im Jahresmittel 1981/84). Großbritannien konnte den Output nur um 12 Prozent, Japan um gut 18 und Frankreich um knapp 29 Prozent steigern. In den USA ging die Produktion um fast 13 Prozent im Jahresmittel zurück.

In der internationalen Rangliste der Produzenten von Bearbeitungszentren liegt die Bundesrepublik (821 Einheiten) nach Japan (10 525 Einheiten) und den USA (1237 Einheiten) auf Platz drei. Im Außenhandel zeichnet sich für die deutschen NC-WZM-Anbieter ebenfalls ein positives Bild ab: Bei stagnierenden Einfuhren haben sich die Exporte im Beobachtungszeitraum 1980/84 fast verdoppelt. Somit ergab sich für 1984 ein Ausfuhrüberschuß von 1935 Einheiten oder 1,13 Milliarden Mark.

Hauptkunde deutscher NC-WZM-Exporte sind die USA (Anteil 1984: 12 Prozent). Auf der Importseite haben die Japaner ein erdrückendes Übergewicht: 1980 kamen, gemessen an den Stückzahlen, 47,2 Prozent der deutschen Importe aus Japan;1984 waren es immerhin noch 38,2 Prozent. Hierbei spielt eine Rolle, daß sich die japanische Produktion auf vergleichsweise einfache NC-Maschinen konzentriert: Der Durchschnittswert der zwischen 1980 und 1984 importierten NC-WZM betrug rund 195 000 Mark je Einheit; die Japan-Importe wiesen dagegen etwa 157 800 Mark je Einheit auf.

Generell ist zur Qualität des NC-WZM-Außenhandels festzustellen, daß die Bundesrepublik relativ einfache, standardisierte Produkte bezieht und technisch aufwendige NC-Maschinen exportiert: Der Durchschnittswert der Ausfuhr betrug 1984 rund 357 000 Mark je Einheit, der der Einfuhr 189 600 Mark.

Die abnehmende Bedeutung der NC-WZM-Importe zeigt sich in der sinkenden Importquote der Bundesrepublik. Der Anteil der Einfuhren am Inlandsmarkt ging von 1980 bis 1984 um 43 Prozentpunkte auf 30,3 Prozent zurück. Zu der sinkenden Importquote paßt, daß 1984 gut 71 Prozent der im Inland produzierten NC-WZM mit deutschen Steuerungselementen ausgerüstet worden sind.

Zur Besserung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit hat sicher auch die reale D-Mark-Abwertung beigetragen. Dazu kamen jedoch Erfolge auf dem Gebiet der Innovationsstrategie .

Die meisten der 1984 auf dem Inlandsmarkt abgesetzten NC-WZM aus einheimischer Produktion wanderten in den Investitionsgütersektor Maschinenbau. Der Fahrzeugbau, die Elektrotechnik sowie Feinmechanik und Optik sind weitere Branchen mit hohem und steigendem Bedarf.

Unter den modernen Produktionstechniken nehmen die Industrieroboter an Bedeutung zu. Das gilt für die Bundesrepublik ebenso wie für ihre wichtigsten Konkurrenten. 1980 bis 1984 stieg die deutsche Produktion von Industrierobotern von 800 auf 2100 Stück. Mit einer Zuwachsrate von rund 27 Prozent im Jahresmittel 1981/84 legte die Industrieroboter-Produktion nicht ganz so dynamisch zu wie die Produktion von NC-WZM (+ 34 Prozent) und , computergesteuerten Bearbeitungszentren (+ 36 Prozent). Hierbei ist freilich zu berücksichtigen, daß die Sensortechnik bislang noch nicht genügend ausgereift ist, um einen problemlosen, breitgestreuten Einsatz von Indusbierobotern zu ermöglichen. Die Wettbewerbsposition deutscher Roboterproduzenten ist gut: Die Bundesrepublik ist Netto-Exporteur von Robotern (Exportüberschuß 1984: 300 Einheiten), und die Importquote lag zuletzt bei 28 Prozent - bei rückläufiger Tendenz.

Im internationalen Vergleich kann die Ausstattung der deutschen Wirtschaft mit Industrierobotern als gut bezeichnet werden. 1985 waren in der Bundesrepublik 8800 Industrieroboter installiert, rund 70 Prozent davon in der Automobilindustrie (einschließlich Zulieferer). 1984 lag die Bundesrepublik - gemessen an den installierten Robotern - im internationalen Vergleich an dritter Position. Der Abstand zu Japan, wo 1984 zehnmal so viele Roboter installiert waren, ist allerdings gewaltig. Was die Ausstattung relativ zur Mitarbeiterzahl angeht, so lag die Bundesrepublik 1984 mit 9,9 Robotern je 10 000 Beschäftigte an zweiter Stelle, ebenfalls mit großem Abstand zu Japan.

Flexible Fertigungsnetze vereinzelt in Betrieb

Flexible Fertigungsnetze (FFN) sind eine weitere Gruppe moderner Produkionstechniken. Bereits Ende der 60er Jahre sind sie vereinzelt in den USA und Großbritannien in Betrieb genommen worden. Anfang der 70er Jahre wurden weitere Systeme entwickelt und gebaut. Der Einsatz von FFN ist freilich noch sehr gering. Ende 1984 waren weltweit erst 162 FFN ganz oder teilweise installiert, davon 42 in Japan, 32 in den USA und 27 in der Bundesrepublik. Häufigste Anwendungsbereiche sind der Werkzeugmaschinenbau (19 Prozent), der Straßenfahrzeugbau (18 Prozent), die Baumaschinenproduktion (13 Prozent) sowie der Luft- und Baumfahrzeugbau (12 Prozent).

*Bernd Meier, Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Hauptabteilung 11, Gustav-Heinemann-Ufer 84-88, 5000 Köln 51.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Instituts-Verlags aus iw-Trends vom 15.03.1986.