Internet-Kunden belohnen Markentreue mit Vertrauen

Branding setzt Firmen ins rechte Licht

06.08.1999
CW-Bericht, Wolfgang Terhörst Viele Unternehmen fragen sich, unter welchem Namen sie ihre Produkte oder Dienstleistungen im Internet an den Mann bringen sollen. Etablierte Firmen dürfen dabei ihr bewährtes Image nicht gefährden, während Online-Startups in kurzer Zeit eine neue Marke aufbauen müssen.

Nur die einprägsamsten, stärksten Marken (Brands) heben sich in der Informationsflut des Web-Zeitalters von der breiten Masse ab. Eine langfristige Differenzierung gelingt dabei nur dem, der mit einer klaren "Brand Mission" (Markenaussage) in die Köpfe seiner Zielgruppe vordringt, meint Christopher Wünsche, Geschäftsführer der Abteilung Identity Consulting bei der Werbe- und PR-Agentur Alexander Demuth in Frankfurt am Main. Die Abgrenzung erfolge oft nicht mehr nur über das Produkt, die Dienstleistung oder den Preis, weil diese im Zweifel austauschbar oder zu unterbieten seien. Nur wer einen deutlichen und nachvollziehbaren praktischen und emotionalen Mehrwert bietet, ihn kommuniziert und dieses Markenversprechen dauerhaft einhält, verschafft sich wichtige Wettbewerbsvorteile, so der Experte.

Starke Unternehmensmarken sind laut Wünsche unverwechselbar, sorgen für Kundenloyalität und halten die Preise stabil. Sie stellen mittlerweile einen enormen Wert dar, der den Börsenwert beziehungsweise das Anlagevermögen bei weitem übersteigen kann. Das amerikanische Marketing-Unternehmen Interbrand schätzt beispielsweise den Markenwert von Coca-Cola auf über 83 Milliarden Dollar oder 59 Prozent der Börsenkapitalisierung. Auf der kürzlich veröffentlichten Liste der Brands mit einem Wert von mindestens einer Milliarde Dollar schaffte als deutsche Firma lediglich Mercedes den Sprung in die Top 20. Dagegen sind trotz ihrer gewaltigen Marktbewertung nur drei reine Internet-Unternehmen in der Aufzählung vertreten: AOL mit einem Markenwert von 4,329 Milliarden Dollar auf Platz 35, gefolgt von Yahoo mit 1,761 Milliarden Dollar auf Platz 53 und Amazon mit 1,361 Milliarden Dollar auf Platz 57.

Die jungen High-Tech-Firmen mußten Abschläge bei der Bewertung hinnehmen, weil ihre Marken sich noch nicht über einen langen Zeitraum bewährt haben und mit einem größeren Risiko behaftet sind. Unter den 60 von Interbrand genannten Unternehmen sind lediglich Microsoft und Intel weniger als 25 Jahre alt. Die Bedeutung des Brand, der Unternehmensmarke, kann daher kaum überschätzt werden. Insbesondere Internet-Nutzer legen Wert auf Sicherheit und Vertrauen. Eine aktuelle Studie von Neteffect Systems hat ergeben, daß beinahe 67 Prozent aller E-Commerce-Transaktionen kurz vor ihrem Abschluß abgebrochen werden.

Der Web-Auftritt muß also eine enge Bindung schaffen und sein Markenversprechen einlösen.

Auch viele High-Tech-Investoren lassen sich meist weniger von Quartalsberichten leiten als von dem eher unbestimmten Glauben an die goldene Web-Zukunft einer Marke - Yahoo, Amazon und andere, nach normalen Maßstäben völlig überbewertete, Unternehmen sind das beste Beispiel. Wichtig sei nicht die Tatsache, daß man besser sei als die anderen, sondern die Fähigkeit, Kunden wie Investoren glauben zu machen, man sei besser, formuliert überspitzt Andy Wang vom Wirtschaftsmagazin "Raging Bull".

Im Gegensatz zu den meisten Geldanlegern steht die Mehrheit der Verbraucher Internet-Marken eher mißtrauisch gegenüber oder nimmt sie gar nicht erst wahr. Nach den jüngsten Untersuchungen der Meinungsforscher von Harris Interactive waren viele Branding-Initiativen im Zusammenhang mit dem Web-Auftritt ein Riesenflop. Trotz enormer Marketing-Kampagnen ist bei den Befragten kaum eine Marke im Gedächtnis haftengeblieben. Über die Hälfte konnte auf die Frage, wer im Internet Hardware verkauft, nicht eine Website nennen. Noch düsterer sah das Bild beispielsweise bei Versicherungen oder Gesundheit aus. Lediglich Amazon, Ebay, Microsoft und Egghead stachen positiv hervor. Opinion Research nennt zusätzlich noch Priceline und Etrade als starke Internet-Marken. Vor diesem Hintergrund ist es um so unverständlicher, daß der Online-Auftritt in vielen Unternehmen noch immer nicht als Teil des Kerngeschäfts begriffen wird. Darunter leidet auch das Markenbild.

Die Führung der Unternehmensmarke sollte daher immer Chefsache sein, fordert Branding-Experte Wünsche - auch im Hinblick auf das Web-Geschäft. Zunächst einmal müsse eine Firma verstehen, was die Web-Verbraucher von der Marke erwarten, ergänzt die Chefin der für freche Kampagnen bekannten US-Werbeagentur Winkler, Agnieszka Winkler: "Sie können in Ihrer Werbung nicht etwas sagen und im Internet ganz anders handeln. Sie müssen Ihr Markenversprechen in jedem Aspekt der Kommunikation und des unternehmerischen Handelns einhalten."

Dabei gilt es einige Grundregeln zu beachten (siehe Kasten "Branding-Grundregeln"). "Corporate und Brand-Identity sind eine Frage des in sich stimmigen Zusammenklangs von Unternehmensauftritt (Erscheinungsbild), Leistungen (Produkte und Services) sowie Verhalten (von Führungskräften und Mitarbeitern). Die Online-Aktivitäten sollten mit dieser Identität in Einklang stehen und sie unterstützen", rät Fridolin Dietrich, Geschäftsführer der Münchner Unternehmensberatung Keysselitz.

Neben diesen Grundregeln müssen Unternehmen, die ihr Geschäft auf das Internet ausweiten, freilich noch eine weitergehende Frage beachten - nämlich ob sie die bestehende, lang etablierte Marke auf den neuen Vertriebsweg übertragen oder nach neuen Lösungen suchen sollen. Verbraucher hätten bestimmte Erwartungen an existierende Brands, und diese Erwartungen änderten sich nicht, wenn sie online gingen, bringen es die Analysten von Jupiter Communications auf den Punkt. Marken sind Wegweiser und Erlebniswelten, die in den Köpfen der Verbraucher entstehen, fügt Agenturchef Demuth hinzu: "Auf die Marke oder Brand, die man persönlich benutzt, verläßt man sich. Sie gibt ein Leistungsversprechen, auf dessen Einhaltung wir bestehen. Wir nehmen Änderungen im Erscheinungsbild, Preis oder in der Distribution ,unsererÈ Marken sensibel wahr. Wir sind der Marke treu, solange sie sich selbst treu bleibt."

Wie empfindlich Verbraucher reagieren, erlebte die Kaffeehauskette Starbucks eindrucksvoll. Als die Amerikaner ankündigten, im Web neben Kaffee auch Computer zu verkaufen, gingen die Aktienwerte rapide in den Keller. Niemand hatte den Bohnenröstern die entsprechende Kompetenz zugetraut. Computergigant Dell dagegen setzte unter dem Brand Gigabuys eine neue Website auf, um sich einerseits das Geschäft mit PC-Zubehör nicht entgehen zu lassen, andererseits aber die Stärke der eigenen Marke nicht zu gefährden. Es komme immer darauf an, ob mit dem Online-Auftritt ein neues Geschäftsfeld oder neue Kundengruppen erschlossen werden sollen, oder ob das Internet als neuer Vertriebsweg hinzukomme, so Branding-Spezialist Wünsche. Grundsätzlich sei es jedoch fatal, in einen neuen Markennamen Unsummen zu investieren, wenn man auf die Zugkraft einer lange eingeführten Marke zurückgreifen könne. Jupiter-Analystin Nicole Vanderbilt rät stark diversifizierten Firmen zudem, im Web keine neue Dachmarke zu etablieren, sondern statt dessen ein wirksames, eventuell für die Kunden unsichtbares Netz zwischen den auch online einzeln präsenten Untermarken zu knüpfen. Die Erfahrungen von Disney mit "Go.com" zeigen in der Tat, daß es trotz einer großen Kriegskasse nahezu unmöglich ist, eine neue Dachmarke im Internet zu etablieren. Die größte Herausforderung für Unternehmen liegt darin, Beständigkeit (Vertrauen) mit Lebendigkeit (Innovation) zu vereinen.

Reine Internet-Anbieter haben allerdings nur eine einzige Chance: einen starken, weil einprägsamen Markennamen. Diesen dürfe man nicht schon mit der Auswahl des Domain-Namens zerstören, berichten die Branding-Fachleute Greg Sherwin und Emily Avila im Click-Z-Network. Dabei gelte: je deutlicher und kürzer, desto besser. Buchhändler Barnes and Noble und Softwareversender Cyberian Outpost haben ihre Lektion gelernt. Statt barnesandnoble.com und cyberionoutpost.com heißt es jetzt bn.com und outpost.com. Einer der schlimmsten Mißgriffe ist für Sherwin und Avila der Name "Gazoontite" eines Web-Angebots für Asthmatiker und Allergiker. Niemand könne das am Telefon auf Anhieb verstehen, geschweige denn sich merken. Dabei wollten die Betreiber nur originell sein und übersetzten das deutsche "Gesundheit" phonetisch ins Englische.

Branding-Grundregeln

Das wichtigste Element einer strategischen Markenführung ist für Alexander Demuth, Geschäftsführer der gleichnamigen Frankfurter Werbeagentur, die Markenpositionierung. Ihre wichtigsten Bausteine seien (siehe Grafik auf Seite 23):

-die Identität: Sie beantworte die Frage "Wer bin ich?". Eine Marke könne zum Beispiel als innovativ oder kundenfreundlich positioniert werden.

-die Marken-Leistung: Die Frage laute hier: "Was biete ich?" Beispielsweise hochwertige Produkte oder Dienstleistungen.

-die emotionale Ausstrahlung der Marke nach dem Motto "Wie bin ich?". Zum Beispiel sympathisch, freundlich, attraktiv oder leicht erreichbar.

-das Markenbild: Es sei die Antwort auf die Frage "Wie trete ich auf?". Gemeint sind das visuelle Erscheinungsbild, bestimmte Farben, ein Slogan oder ein Gütesiegel.

Abb.1: Marken-Positionierung

Eine Unternehmensmarke hat beinahe menschliche Züge. Entsprechend müssen ihre Grundelemente definiert werden. Quelle: Alexander Demuth Agentur

Abb.2: Marken-Migration

Viele Unternehmensmarken bedeuten viele Branding-Optionen. Jupiter empfiehlt, auf Bewährtes zu setzen. Quelle: Jupiter Communications