Branchenprimus verschlaeft wichtige Zukunftsmaerkte

12.05.1995

Die Luft wird langsam duenn fuer "Branchenprimus" Banyan, der sich im selbstgewaehlten Marktsegment der grossen heterogenen WANs relativ sicher waehnte vor Konkurrenzprodukten wie Windows NT oder Netware. Doch nachdem es LAN-Emporkoemmling Novell nun endlich im vierten Anlauf geschafft hat, mit Netware 4.1 ein stabiles Netzwerk-Betriebssystem fuer den "Out-of-area"-Einsatz - sprich Weitverkehrsnetze - auf den Markt zu bringen, duerfte fuer den Enterprise-Networking-Spezialisten die Ruhe vorbei sein.

Zugegeben, kaum ein Anwender wird von heute auf morgen von seinem installierten Vines-Netz, das nach vielen Muehen die unterschiedlichen heterogenen Welten zu einem Enterprise Network integriert, zu Novells Netware 4.1 migrieren. Doch wenn die Banyan-Mannschaft nicht aufpasst und weiter die Zeichen der Zeit verschlaeft, koennte dieses Szenario sehr bald Realitaet werden. Zumal die Company, die in der Vergangenheit fuer ihre Innovationsfreudigkeit bekannt war, mit dem neuen Release 6.0 von Vines wenig Ueberraschendes bietet. Native TCP/IP-Unterstuetzung sowie ein Face-lifting bei den remoten Zugriffsmoeglichkeiten duerften kaum reichen, um die Anwender bei der Stange zu halten. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Konkurrenz schon seit laengerem an der Integration verschiedener Kommunikationsdienste arbeitet und bereits erste Produkte anbieten kann.

Bliebe noch das Stichwort Heterogenitaet: Sicherlich kann Vines hier gegenueber Netware, das man je nach Standpunkt des Betrachters durchaus als proprietaer bezeichnen kann, entscheidende Punkte verbuchen. Doch sollte Banyan-CEO David Mahoney nicht vergessen, dass in den roten Novell-Boxen neben Netware mit Unixware durchaus ein weiteres Netzwerk-Betriebssystem erhaeltlich ist, das das zur Zeit so populaere TCP/IP-Protokoll unterstuetzt. Und glaubt man Novell-Chef Bob Frankenberg, dann ist es nur eine Frage von Monaten, bis sein Unternehmen die Netware Directory Services auch fuer die Unix-Umgebung herausbringt.

Auch bei den lieferbaren Add-ons sieht es bei Banyan duester aus. Denn ausser dem Directory Service "Streettalk" hat man hier wenig zu bieten. Waehrend Novell mit der Netware Embedded System Technology (Nest) an konkreten Plaenen fuer die kommenden Maerkte im Zusammenhang mit der Vernetzung der Kfz-Elektronik und vieler anderer Maschinen arbeitet, scheint Banyan den rechtzeitigen Einstieg in dieses Geschaeft zu verpassen. Auch die derzeitige Information-Highway-Euphorie ist wohl noch nicht bis Westboro durchgedrungen. Waehrend die Konkurrenten mit Hochdruck versuchen, fuer ihre Netze entsprechende Abrechnungssysteme zu entwickeln, um die Anbieter am

erhofften Goldrausch auf der Datenautobahn partizipieren zu lassen, ist dies bei Banyan noch unkomponierte Zukunftsmusik.