Alte AS/400-Software wird für unbestimmte Zeit weiterentwickelt

Brain lässt MAS 90 am Leben

26.10.2001
BREISACH (mo) - Der mittelständische ERP-Anbieter Brain wird die Standardsoftware "MAS 90" fortentwickeln. Damit nimmt das Softwarehaus die bereits ausgesprochene Kündigung des Supports wieder zurück.

Die MAS-90-Kunden haben nicht mitgezogen. Statt auf eine andere Software des Rechteinhabers Brain International AG, Breisach am Rhein, zu wechseln, haben sie vielfach die betriebswirtschaftliche Standardsoftware weiter eingesetzt - trotz fehlender Weiterentwicklung in den vergangenen Jahren. Noch 300 bis 350 Kunden sollen nach Brain-Angaben das Produkt einsetzen.

Nun hat Brain die Konsequenz gezogen: "Wir haben die für Ende 2002 ausgesprochene Kündigung der Wartung gegenüber den bestehenden MAS-90-Anwendern zurückgenommen", erklärt Hans-Peter Eitel, Vorstandsvorsitzender bei Brain: "MAS 90 wird auf unbefristete Zeit weiterentwickelt und gepflegt." Damit besteht für die Kunden kein Zwang mehr, kurzfristig auf ein anderes Paket des Anbieters zu wechseln.

Bereits im Herbst 1997 hat die Mitte 1998 mit Rembold + Holzer zur Brain AG verschmolzene BIW die betriebswirtschaftliche Standardsoftware MAS 90 von IBM übernommen. Im Kaufvertrag wurde vereinbart, die Software bis Ende 2002 weiter zu pflegen. Bis vor kurzem verfolgte Brain eine harte Linie: Ende 2002 ist Schluss mit MAS 90.

Nun setzen die Breisacher wieder auf ihre angestammte Klientel. "Wir wollen bestehende Kunden an unserer C-Commerce-Strategie mit neuen Produkten und Dienstleistungen für Fertigungs- und Logistikprozesse teilhaben lassen", zeigt Eitel das Interesse des Softwarehauses auf: "Wir versprechen uns kein Neugeschäft mit MAS 90." Das kommt zumindest bei einem Teil der Anwenderschaft gut an. "Durch die Rücknahme der Kündigung haben wir Luft gewonnen", zeigt sich MAS-90-Anwender Klaus Vorberger, DV-Leiter bei der Total Feuerschutz GmbH in Ladenburg, erleichtert. Nun hat das Unternehmen Aussicht auf neuere Software und E-Commerce-Funktionen. "Wenn es so kommt, wie Brain es zurzeit ankündigt, dann können wir die nächsten drei bis vier Jahre gut mit MAS 90 weiterarbeiten", ist Vorberger vorsichtig optimistisch. Allerdings schwingt auch Skepsis mit: "Durch die Ereignisse der Vergangenheit, insbesondere die mit massiven Preiserhöhungen verbundenen Änderungen in der Lizenzierung und den lange Zeit schlechten Support, hat Brain bei mir viel von ihrem guten Image eingebüßt."

Kunden kehren Brain den RückenDas hat bei anderen Anwendern bereits zu Konsequenzen geführt. "Wir haben die Wartung bereits von uns aus gekündigt und entwickeln MAS 90 selbst weiter", begründet Karl-Heinz Bensing, DV-Leiter bei Dunlop Tech in Hanau, sein gedämpftes Interesse an der zurückgenommenen Wartungskündigung. Dort wurde die Software bereits so weit modifiziert, dass Bensing einen Wechsel auf ein Folge-Release ausschließt. Wegen der schlechten Unterstützung durch Brain in der Vergangenheit, der Querelen um die Lizenzproblematik sowie der Presseveröffentlichungen hinsichtlich der Liquiditätsprobleme kommt Brain für Bensing zurzeit auch nicht als Alternativlieferant für MAS90 in Frage. "Wenn ich schon Investitionen in Software tätige, dann möchte ich auch in die Zukunft investieren. Dies sehe ich derzeit als nicht gegeben."

Insider vermuten, dass Dunlop Tech kein Einzelfall ist, sondern dass viele Kunden entweder bereits auf ein anderes Produkt umgestiegen sind oder sich eine Zukunftsstrategie jenseits von Brain zurecht gelegt haben. Ob die Rücknahme der Kündigung ausreicht, die enttäuschte Klientel zurückzugewinnen, ist unklar. Immerhin müssen drei Jahre fehlende Weiterentwicklung aufgeholt werden. Eine Möglichkeit ist eine sukzessive Auswechslung der MAS-90-Module gegen die entsprechenden Brain-AS-Komponenten. Bereits heute sind die MAS-90- und Brain-AS-Finanzbuchhaltung identisch.