BPM - mehr Hype als Realität?

17.03.2008
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Sven Schnägelberger ist BPM-Analyst und Gründungsesellschafter und Geschäftsführer der BPM&O Akademie. Von 2004 bis 2009 war er Geschäftsführer und Gesellschafter des Kompetenzzentrums für Prozessmanagement. Er fördert als Gründer und Organisator des BPM-Clubs aktiv das Business Process Management in deutschen Unternehmen und betreibt mit der BPM Expo das  deutschsprachige Content und Online Portal für Business Process Management.

Viele Unternehmen haben in Sachen Prozess-Management noch Nachholbedarf.

Der Begriff Business-Process-Management (BPM) ist in aller Munde. Glaubt man US-amerikanischen Analystenberichten und den Angaben einiger BPM-Anbieter, könnte man meinen, Prozess-Management gehöre schon zum Standard in den Unternehmen. Doch in der Praxis sieht es oft anders aus. Eine Marktstudie, die die BPM-Allianz 2007 in Auftrag gab, brachte interessante Ergebnisse. Befragt wurden 769 potenzielle Anwender von BPM-Produkten und -Dienstleistungen in deutschen Firmen. Viele der Unternehmen wollen sich demnach gar nicht oder noch nicht mit BPM befassen, weil ihnen die Zeit und die notwendigen Ressourcen fehlen. Auf der anderen Seite bestehen noch immer Unklarheiten über den Sinn, Nutzen und die Möglichkeiten von BPM (siehe unten: Was hinter BPM steckt).

Viele Manager erkennen keinen Nutzen in BPM

In einigen Branchen spielt BPM für fast die Hälfte der Befragten keine Rolle. Dagegen räumen etwa Unternehmen aus der Logistik- und der Automobilbranche dem Thema einen hohen Stellenwert ein.
In einigen Branchen spielt BPM für fast die Hälfte der Befragten keine Rolle. Dagegen räumen etwa Unternehmen aus der Logistik- und der Automobilbranche dem Thema einen hohen Stellenwert ein.
Foto: SalesAngels

Knapp die Hälfte der befragten Geschäftsführer und Vorstände gab an, dass sich die systematische Beschäftigung mit den Unternehmensprozessen für ihr Unternehmen nicht lohne. Viele waren der Ansicht, dass ihre Prozesse bereits so weit optimiert seien, dass eine weitere Verbesserung nicht vorstellbar sei. Andere begründeten ihre Zurückhaltung damit, dass sie ihre Prozesse genau kennen würden, dass sich die Abläufe bewährt hätten und daher nicht zur Diskussion ständen. Ein weiterer signifikanter Teil gab an, sich an den vorgegebenen Abläufen der genutzten Standard-Anwendungssoftware zu orientieren. Darüber hinaus bezeichneten einige Interviewpartner BPM als "Marketing-Blase" oder "Gelddruckmaschine für die DV-Industrie und ihre Berater".

Praxiserfahrungen mit BPM sind vorhanden

Ein etwas anderes Bild zeigen die Ergebnisse einer gemeinsamen Umfrage des Kompetenzzentrums für Prozessmanagement und der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg. Mehr als 80 Prozent der 144 Umfrageteilnehmer aus dem deutschsprachigen Raum gaben an, bereits Praxiserfahrungen mit Prozess-Management gesammelt zu haben. Mit einem ebenfalls hohen Wert von 77 Prozent stufen die Unternehmen das Thema als "sehr wichtig" ein. Die schwach ausgeprägte Einbeziehung von BPM in die strategische Unternehmenssteuerung widerspricht allerdings diesen hohen Werten. Nur zehn Prozent der Befragten berichteten, eine vollständige und systematische Verbindung zwischen der Unternehmensstrategie und den Prozessen hergestellt zu haben.

Nur zehn Prozent der Umfrageteilnehmer verbinden Geschäftsprozesse und Unternehmensstrategie systematisch.
Nur zehn Prozent der Umfrageteilnehmer verbinden Geschäftsprozesse und Unternehmensstrategie systematisch.
Foto: Kompetenzzentrum für Prozessmanagement

Die geringe Integration des Prozessthemas in die Organisation belegt ein anderer Wert: Nur 21 Prozent der Unternehmen haben die Rolle eines Chief Process Officer (CPO) oder Leiter Prozess-Management etabliert. Auch mit der Rolle der IT scheinen die Umfrageteilnehmer nicht voll zufrieden zu sein. Nur 50 Prozent der Befragten gaben an, dass der eigene Geschäftsbezug beim Gestalten der Prozesse Vorrang vor den in IT-Anwendungen standardisierten Prozessen habe. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die IT die Art und Weise der Prozessgestaltung vorgibt.