Selbstlernkompetenz durch Partnerschaftsmodell

Bosch baut sein Online-Lernangebot aus

17.10.1997

Für ein Unternehmen mit 176000 Mitarbeiter hat das Thema Qualifizierung viele Facetten. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, propagiert Bosch das "Modell der Partnerschaft". Das bedeutet: Der Konzern bietet seinen Beschäftigten vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten, die weit über die reine Wissensvermittlung im Fachbereich hinausgehen. Bestandteil des Modells ist aber auch die Eigenverantwortung jedes einzelnen für Schulung. So bietet die Firma beispielsweise bereits seit 1972 Trainingseinheiten an, die in der Freizeit absolviert werden.

Um die Selbstlernkompetenz als Basisqualifikation zu fördern, offeriert das Unternehmen neben klassischen und bereichsspezifischen Seminaren sowie Workshops auch Computer Based Training (CBT) an.

Selbstlernen ist bei Bosch nichts Neues: In den 70er Jahren setzte der schwäbische Konzern zunächst die programmierte Unterweisung ein, seit Ende der 80er dann CBT. Heute verfügt das Unternehmen über eine Vielzahl von Lernprogrammen aus den unterschiedlichsten Gebieten.

Zu Beginn gingen die Interessierten ins Lernzentrum, später bestand dann die Möglichkeit, die Programme auch auszuleihen beziehungsweise über Versand zu beziehen, um zeitlich und örtlich flexibler zu sein.

Mit Hilfe der sogenannten gelben Diskette konnten sich die Mitarbeiter bisher über das Seminarangebot - bis hin zur Anfahrtsskizze und die zur Verfügung stehenden CBT-Programme informieren. Durch eine Online-Anbindung ist es nun möglich, jederzeit auch den aktuellen Stand zur Belegung der Kurse abzufragen und sich direkt über das Netz anzumelden.

Da Bosch auch externe Schulungsanbieter aufführt, hat der Mitarbeiter die Wahl zwischen firmeneigenen Angeboten, auch der verschiedenen Filialen, und externen Kursen. Er kann als Kunde entscheiden - in Absprache mit seinem Vorgesetzten -, was seinem Bildungsbedürfnis am besten entspricht. Die beiden Bildungs-Manager Roland Mann und Werner Mehrling sehen in dem so entstehenden Wettbewerb der Bildungsanbieter einen Weg, die Qualität der Programme weiter zu verbessern.

Bis vor zwei Jahren wurden beispielsweise Techniker und Außendienstmitarbeiter noch mit Printmedien und Powerpoint-Präsentationen geschult und informiert. Inzwischen nutzen diese Mitarbeiter elektronische Medien.

Es handelt sich dabei eher um Info-Tools als um genuine Lernprogramme, obwohl einige der Systeme auch kleine Tests zur abschließenden Wissensüberprüfung enthalten. Der Mitarbeiter kann zum Beispiel Informationen zu den Themen Vertrieb, Technik und Peripherie abrufen sowie Fachbegriffe in einem integrierten elektronischen Lexikon nachschlagen. In speziellen "Sprechstunden" haben die Mitarbeiter Gelegenheit, offene Fragen im Anschluß an das Selbststudium gemeinsam mit den Trainern zu klären.

Sogenannte Teletutoren helfen aber auch weiter, wenn die Lernwilligen, sei es zu Hause oder am Arbeitsplatz, mit ihren CBTs nicht mehr weiterkommen. Der Mitarbeiter zieht den Telecoach telefonisch zu Rate. Dieser berät den Interessierten über Application Sharing, ohne direkt in das Lernprogramm einzugreifen. Bosch versteht die fernmündliche Unterstützung eher als Hilfe zur Selbsthilfe.

Um den Wissenserwerb unabhängiger von Ort und Zeit zu gestalten, wollen die Schwaben das Lernen via Internet und Intranet forcieren. Dazu werden zur Zeit mehrere Trainings-Server eingerichtet. Langfristig soll es Bildungs-Server zu verschiedenen Themen geben: Office-Bereich, Technik, Sprachen und Wirtschaft. Im Pilotprojekt, das jetzt beginnt, geht es zunächst um Inhalte aus dem DV-Bereich wie Windows 95/NT und Office-Programme, aber auch Sprachen gehören bereits dazu. Die Betreiber wollen herausfinden, wie sich das Lernen über Netze in Seminare integrieren läßt. Auch die Einbindung von Videokonferenzsystemen wird möglich sein; hier soll das firmeneigene Produkt "Visitel PC 20" zusammen mit Proshare zum Zug kommen. Geplant sind rund 60 Video-Großsysteme, dazu arbeitsplatzbezogene kleine Systeme.

Bosch geht mittlerweile einen Schritt weiter und hat begonnen, bei einigen Mitarbeitern zu Hause Telearbeitsplätze mit einem ISDN-Anschluß einreichtet. Allerdings sind noch nicht alle Rechts- und Sicherheitsfragen geklärt bezüglich des Zugriffs von außerhalb auf das Bosch-Intranet.

Trotz dieser Vorbehalte setzt Bildungs-Manager Mann auf das Lernen im Netz vor allem wegen dessen Flexibilität. Als weitere Vorteile führt er an:

-rasche Qualifizierung ohne Wartezeiten,

-Problemlösung unabhängig von Zeit und Ort,

-bedarfsgerechte, spezielle Wissensvermittlung,

-Lernen in kleinen Happen,

-Aktualität des Stoffes sowie

-Kommunikation und Weiterbildung in angenehmer Lernatmosphäre.*Ute Wolter ist freie Journalistin in Bensheim.