Borland muss Zukäufe verdauen

16.12.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Softwareschmiede Borland baut sich wieder einmal um. Zusätzliche Produkte sollen die Abhängigkeit von den Entwicklungs-Tools verringern, die Zukäufe haben aber viel Geld verschlungen. CEO Dale Fuller muss nun nachweisen, dass er die neue Strategie auch umsetzen kann.

Der Name Borland war stets ein Synonym für unabhängige und innovative Softwareentwicklung - seit genau 20 Jahren und dem Erfolg von Philippe Kahns "Turbo Pascal". Doch im Jubiläumsjahr ist von Feierlaune nicht viel zu spüren, denn die Bilanz wird von roten Zahlen geprägt. Grund ist die Strategie des Unternehmens, mittels Übernahmen sein Geschäft auf mehrere Beine zu stellen. Development-Tools allein reichen nicht mehr aus, nun strebt Borland auch die Bereiche Define, Design und Deploy an. Wenn Software zu einer strategischen Waffe für Unternehmen werde, sagt Firmenchef Fuller, müssen Anwender sämtliche Prozesse rund um die Entwicklung und alle daran beteiligten Parteien kontrollieren können. Kurz: "Softwareentwicklung von heute ist ein Teamsport."

Wenig Grund zum Feiern: Borland wurde 2003 20 Jahre alt und rutschte in die Verlustzone
Wenig Grund zum Feiern: Borland wurde 2003 20 Jahre alt und rutschte in die Verlustzone

Folglich verändern sich nicht nur die Anforderungen der Anwender und Entwickler - "auch wir müssen uns umstellen", fordert Fuller. Zwar sei das Unternehmen immer noch auf die Entwicklung fokussiert, aber die Zukunft wird in der kompletten Wertschöpfungskette rund um den Code gesehen. "Je schneller wir die Grenzen zwischen dem Entwurf, der Modellierung, der Entwicklung und der Verwaltung aufweichen können, desto besser ist das für die Kunden." Ziel der Company ist ein kompletter Werkzeugkasten, der seit einem Jahr unter dem Kürzel ALM vermarktet wird. Application-Lifecycle-Management ist das Thema, und wer sich an den einstigen Hype um Computer-Aided-Software-Engineering (CASE) erinnert, liegt sicher nicht ganz falsch.

Von den Wirren Ende der 90er Jahre - Borland wurde zu Inprise und dann wieder zu Borland - hat sich das Unternehmen erholen können. Die Phase, in der eine Finanzspritze von Microsoft das Überleben sicherstellen musste, ist abgehakt. Trotz der allgegenwärtigen Branchenkrise konnte Borland die Umsätze in den vergangenen Jahren deutlich steigern und dabei auch noch Profite erzielen. Weil die IT-Budgets geschmolzen sind, "mussten Anwender nachdenken, wie sie ihre Systeme effizienter machen können", sagt Fuller. Das habe der Company in die Hände gespielt.

Doch gerade im Jubiläumsjahr 2003 sind Nettoverluste aufgelaufen, auch wenn Borland stets die positiven Ergebnisse vor Sonderposten und Aufwendungen für die Restrukturierung in den Vordergrund rückt. Hinzu kamen eine verfehlte Prognose im dritten Quartal sowie mehrere Wechsel im Topmanagement. Fuller begründet dies mit nachhaltigen Vertriebsproblemen an der Ostküste der USA. Als Folge hat das Unternehmen an der Börse keine sonderlich guten Karten, der Kurs pendelt seit Beginn des Jahres zwischen acht und zwölf Dollar pro Aktie. Die kleine Rally der letzten Monate ist an der Company spurlos vorbeigegangen.