Bonbon-Papier für die 370-Gemeinde

14.09.1990

Es stimmt ja: "Bei der Konzeption und Entwicklung dieser Systemfamilie wurden vielfältige Kundenwünsche und eigene Erfahrungen berücksichtigt." Bernhard Dorn, oberster Verkäufer der IBM Deutschland GmbH, weiß sich mit den Treuesten der Treuen innerhalb der geschlossenen IBM/370-Benutzergruppe einig, wenn er auf die Kontinuität in der blauen Produktpolitik hinweist. Die Investitionen der Kunden wurden geschätzt, na klar. Schwerer tut sich Dorn schon, wenn er auf das Besondere, das Neue, das Revolutionierende an der System/390-Konzeption hinweist: "Dies ist die umfangreichste und, bedeutendste Ankündigung von neuen Architekturen, Rechnern, Betriebssystemen und Funktionen seit der Einführung des IBM System/360 vor 26 Jahren."

Was die Quantität betrifft, mag Dorn ja recht haben: 140, in Worten: "Einhundertundvierzig", neue Produkte wurden mit ESA/390 angekündigt. Viel Papier mußte beschrieben werden, um all das zu beschreiben. Wer kann das lesen, gar verarbeiten? Halten wir uns an das Wichtigste, an das, was Dorn n i c h t hervorhebt: Gewiß, es gibt für alle /370-Anwender, die großen wie die kleinen, mehr MIPS mit den neuen ES/9000-Prozessoren - einfach auf essen kann man die aber nicht. Beispiel mittlere 3090-Anwender, und zwar solche, die sich noch nicht auf den von IBM vorgegebenen Migrationspfad begeben haben: Sie müssen, für den Übergang (!), auf ein J-Modell umrüsten; für Kunden mit 3090-Installationen unterhalb 180J wurden sogar eigens Übergangsmodelle entwickelt (ES/3090T) eine überaus noble Geste der IBM.

Was das alles kostet? Nun, diesbezüglich drückt sich die IBM weniger präzise aus. Man müsse doch verstehen: diese Vielfalt an Konfigurationsmöglichkeiten! Und Oberhaupt solle man nicht so kleinlich sein, ginge es doch um eine "neue Dimension", um (IBM-)Unterstützung für unternehmensweite Informationsverarbeitung. Die Melkkühe (pardon: die Kunden) verlangten (Mehr-MIPS-) Wasser, wollten endlich wieder saufen.

Es stimmt ja: Das Geschäft mit 3090-Großrechnern lief für den Quasi-Monopolisten zuletzt nicht besonders gut - alles wartete gespannt auf die "Summit". Statt dieser, die übrigens in der S/390-Ankündigung als 47-Millionen-Mark-Traum vorkommt (Topmodell ES/9000-900), können die Kunden nun T-Modelle kaufen - ein günstiges Angebot, man gönnt sich ja sonst nichts.

Fast hätten wir es vergessen: ESCON (Enterprise Systems Connection) ist neu, eine "Verbindungsarchitektur" auf Glasfaserbasis. Auch SYSPLEX ist neu, ein "SYStem comPLEX" zur Steuerung und Überwachung von Rechenzentren. Ansonsten haben wir es bei dem Announcement der ESA/390-Architektur mit einer IBM-Absichtserklärung zu tun - SAA läßt grüßen.