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Bol.de und Dibi vertreiben elektronische Bücher online

06.06.2000
Rocket E-Book startet in Deutschland

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Elektronische Bücher sind ab sofort keine Zukunftsmusik. Die Online-Shops Dibi aus Hamburg sowie die Bertelsmann-Tochter Bol.de starten den Vertrieb von "Rocket Editions" zeitgleich mit der Markteinführung des Lesegeräts in Deutschland. Wer gerne liest, aber nur ungern Bücher mit sich herumträgt, kann jetzt eine Reihe von Schmökern bei den Online-Shops von Dibi sowie Bol.de elektronisch herunterladen - vorausgesetzt, er ist im Besitz eines entsprechenden Endgeräts, des "Rocket E-Book Pro" von Nuvomedia.

Ganz auf das Geschäft mit digitaler Literatur hat sich die Startup-Firma Dibi gestürzt. Der E-Book-Anwender lädt sich die gewünschten Bücher von der Website auf einen PC oder Macintosh-Rechner und überträgt die Daten dann in das Anzeigegerät. Bezahlen muss er wegen der Buchpreisbindung genauso viel wie für die gedruckten Bücher. Der Download eines 800-Seiten-Wälzers dauert nach Angaben von Nuvomedia etwa zwei bis drei Minuten.

Auch Bol.de, der Online-Medienshop der Bertelsmann AG, bietet zusätzlich zu gedruckten Büchern nun auch Literatur zum elektronischen Abruf an. Wie Dibi arbeitet auch der Gütersloher Medienkonzern mit Nuvomedia zusammen, an dem er beteiligt ist. Wie Dibi nutzt Bol.de den von Nuvomedia betriebenen Server. Auf ihm sind die Bücher im E-Book-Format gespeichert und werden von dort dem Online-Kunden übermittelt. Bol wird zunächst 500 deutsche Titel als Rocket Edition ins Netz stellen. 50 Verlage liefern zur Zeit E-Book-Inhalte, darunter dtv, Lübbe, Heyne, C.H. Beck, Econ, Goldmann, Luchterhand und Siedler. Zur Zeit liegen weltweit etwa 7500 Titel in diesem Format vor.

Gunter Hille, geschäftsführender Gesellschafter von Dibi Medien Entwicklung und Vertrieb, hofft, dass sich das E-Book auf Dauer auch bei Privatkunden durchsetzen wird und nicht etwa nur bestimmte Zielgruppen, beispielsweise Rechtsanwälte oder Wissenschaftler, Gefallen daran finden. Er rechnet mit einer Millionen Endgeräten hierzulande, wobei er allerdings nichts sagt, bis wann. Doch für die breite Masse scheint das E-Book nicht geeignet zu sein. In Deutschland kostet das Rocket E-Book 675 Mark, kann lediglich Texte und Schwarzweiß-Grafiken anzeigen, wiegt dafür aber nur rund 600 Gramm. Der Flash-ROM-Speicher von 16 MB reicht nach Angaben des Herstellers für etwa 50 Bücher à 350 Seiten beziehungsweise 18 000 Taschenbuchseiten. Eine optionale Speicherkarte erhöht das Fassungsvermögen um weitere 32 MB. Im Lieferumfang sind außerdem ein Deutsch-Englisch-Wörterbuch, ein Rechtschreiblexikon sowie die Erzählung "Die Verwandlung" von

Franz Kafka enthalten.

Auf farbige Abbildungen müssen E-Book-User vorerst verzichten. Ein bunter Bildschirm würde den Stromverbrauch in die Höhe treiben und so den in die Lektüre vertieften Nutzer zu einem häufigeren Laden des Akkus zwingen. Außerdem bietet das Gerät dem Leser nur zwei Schriftarten an. Bis zu 20 Stunden am Stück könne man im E-Book schmökern, versprechen die Anbieter. Neben den Online-Shops könnte es nach Meinung von Dibi-Chef Hille auch Ladestationen in Buchhandlungen geben oder an Flughäfen, wo sich Reisende Zeitungen oder Bücher auf ihr E-Book laden können. Beispielsweise gibt es die "Financial Times Deutschland", die im zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Verlag Gruner + Jahr erscheint, als Rocket Edition.

Doch bei dem jetzigen Funktionsumfang wird es nicht bleiben. Im März dieses Jahres vereinbarte der Unterhaltungselektronikkonzern Thomson mit Gemstar, der Muttergesellschaft von Nuvomedia, eine Kooperation. Thomson will das nächste E-Book entwickeln und auch bauen. Der Hersteller rechnet mit weltweit zehn Millionen Einheiten in den nächsten Jahren. Nach Angaben der Nuvomedia GmbH aus Hamburg dürfte die nächste Generation ein integriertes Modem, einen MP3-Spieler sowie Organizer-Funktionen enthalten. Doch auch der Preis soll Geschmack auf das neue elektronische Lesebuch machen: Er soll auf unter 99 Dollar sinken.