Japanische Aktien sind derzeit recht teuer, aber:

Börsenkenner behalten Toshiba-Kurs im Auge

14.10.1988

Nach der kurzen Spätsommerrallye hat sich der deutsche Aktienmarkt wieder beruhigt. Der US-Markt in Wall Street treibt seitwärts. Die Kursausschläge sind gering geworden. Braut sich in New York etwas zusammen? Tokio, jahrelang das Börsenwunderkind, befindet sich in der Korrektur. Es sieht nicht so aus, als ob der Aktienmarkt in Japan in gewohnter Weise weiter aufwärts tendieren wird.

Seit Jahren haben japanische Institutionen Optimismus für den Aktienmarkt verbreitet. Jetzt sind auch die Japan-Broker vorsich-tiger in ihren Aussagen geworden.

Ein deutliches Zeichen der "neuen Vorsicht" ist die Verklei-nerung der Emissionstranche der japanischen Telefongesellschaft NTT. Die dritte Teilemmission des Kommunikationsgiganten wurde um 14 Milliarden Mark auf "nur" noch 44 Milliarden Mark gekürzt. Diese Zahlen verdeutlichen, welch gigantische Ausmaße die

Tokioter Börse angenommen hat. Japan stellt heute mit deutlichem Abstand vor den USA den größten Aktienmarkt der Welt.

Doppelhausse auf dem Tokioter Kapitalmarkt

Parallel zur Aktienhausse explodierten in Tokio die Grundstückspreise. Marktbeobachter sprechen von der Doppelhausse in Tokio. Steigende Grundstückspreise dienten als erweiterte Beleihungsgrundlage für Kredite, die teilweise am Aktienmarkt Anlage fanden, und umgekehrt. Gestiegene Depotwerte ermöglichen eine Ausweitung des Kreditvolumens. Ein Teil der so geliehenen Gelder floß an den Immobilienmarkt. Selbst die Aktien von ertragsschwachen Unternehmen wurden mit nach oben gezogen, sofern nur Immobilienbesitz vorhanden war.

Am Höhepunkt der Immobilienhausse im Frühjahr 1988 entsprach der theoretische Immobilienwert der Stadt und Provinz Tokio dem theoretischen Immobilienwert der USA. In den besten Lagen Tokios wurden nahezu eine Million Mark je Quadratmeter gezahlt. Im Vergleich dazu erscheint die Bewertung des japanischen Aktien-marktes geradezu moderat. Im Durchschnitt sind japanische Dividen-denpapiere zur Zeit mit dem zirka 60fachen Gewinn bewertet. Im Klartext bedeutet dies, daß bei einem Unternehmenskauf der Kaufpreis bei Gewinnkonstanz erst im Jahr 2048 durch Gewinne wieder hereingeholt wäre.

Zum Vergleich: Die durchschnittliche Bewertung des deutschen und US-Aktienmarktes liegt bei zirka dem 12fachen Jahresgewinn. Selbst wenn man das niedrige japanische Zinsniveau berücksichtigt (niedriger Zins rechtfertigt höhere Kurs/Gewinn-Verhältnisse) und den japanischen Unternehmen überdurchschnittliche Ertragsphantasie für die Zukunft bescheinigt, ist die Durchschnittsbewertung japanischer Aktien hoch.

Ein Wiedereinstieg in den japanischen Markt sollte erst nach einer 20prozentigen Korrektur vorgenommen werden. Eine Bereinigung im Bereich von 10 bis 20 Prozent erwartet das japanische Brokerhaus Nomura Securities, das größte Investmentbankhaus weltweit.

Ein interessanter Kaufkandidat könnte Toshiba werden. Die Aktie notiert bei 1110 Yen beziehungsweise 16 Mark in Frankfurt. Käufe sollten erst auf der Basis 900 Yen (entspricht derzeit 12,60 Mark) vorgenommen werden. In diesem Bereich verläuft der gleitende 200-Tages-Durchschnitt, eine charttechnisch wichtige Marke, die nicht nach unten durchbrochen werden sollte.

Toshiba, das zweitgrößte Elektro- und Elektronikunternehmen weltweit, besitzt umfangreichen Immobilenbesitz in Tokio, über dessen Verwertung derzeit nachgedacht wird. Wegen der Knappheit bei 1-Megabit-DRAMs sind die Gewinnerwartungen der Analysten für den Toshiba-Halbleiterbereich positiv. Ohne die zusätzliche Immobilienphantasie wäre jedoch ein Engagement in dem mit dem 50fachen Gewinn bewerteten Titel nicht gerechtfertigt.

Die US-Halbleiterindustrie bietet, derzeit interessante Anlagenchancen. Texas Instruments (77,80 Mark) schickt sich an, den gleitenden Trenddurchschnitt (in Mark) zu durchstoßen. Auch das Dollar-Chart gibt ein positives Bild. Auf der aktuellen Kursbasis von 41,50 Dollar wird Texas Instruments mit dem 11fachen Jahresgewinn bewertet. Texas Instruments gehört zu den Nutznießern des Japanisch-amerikanischen Handelsabkommens von 1986. Dieses Abkommen ist für die Knappheit der DRAM-Halbleiterelemente verantwortlich.

Texas Instruments profitiert nicht nur als Hersteller vom Nachfragedruck bei Halbleiterelementen, auch als Lizenzgeber in dreistelliger Millionenhöhe. Branchenanalysten gehen davon aus, daß sich das Wachstum in der Halbleiterindustrie auch im kommenden Jahr in einer Größenordnung von 10 bis 15 Prozent fortsetzt. Texas Instruments wird spesengünstig in Stuttgart gehandelt.

Unter den in Deutschland gehandelten US-DV-Titeln sind Compaq Computer besonders aussichtsreich. Der Titel konnte sich nach einer Schwächephase wieder auf 107 Mark erholen. Compaq und Texas Instruments besitzen zur Zeit ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis als Unisys und Commodore (siehe Charts).

Der deutsche Aktienmarkt kam mit Hilfe ausländischer Anleger wieder in Fahrt. Neben den Auslandsfavoriten wie Deutsche Bank, Siemens oder Veba bietet der deutsche Kurszettel auch interessante Spezialitäten aus dem DV-Bereich. Computer 2000, im Juli 1987 unter Federführung der Commerzbank zu 500 Mark an die Börse gebracht, gehört zu dieser Gruppe. Computer 2000 ist ein klassischer Distributor, der über den Fachhandel Peripherie-produkte namhafter Hersteller vertreibt. Durch Herstellerunab-hängigkeit sowie Beratung und Service ist es dem Unternehmen gelungen, Umsatz und Ertrag in den letzten Jahren kontinuierlich zu steigern. Das Produktspektrum umfaßt neben Monitoren, Tasta-turen und Erweiterungskarten auch Standardsoftware.

In einer Unternehmensanalyse geht die Commerzbank von einem Gewinn von 27 Mark nach 16,50 Mark (Vorjahr) für das laufende Geschäftsjahr aus. Das in München und Frankfurt im geregelten Markt gehandelte Dividendenpapier notiert zur Zeit mit 499 Mark, wird also mit dem 18,5fachen Gewinn bewertet. Diese Bewertung rechtfertigt sich nur, wenn sich das Umsatz- und Gewinnwachstum der Vergangenheit in Zukunft fortsetzen wird. Bis 1990 plant das Management eine Umsatzverdoppelung. Damit soll das Wachstum weiter deutlich über dem des PC-Marktes liegen. Der Ertrag soll laut Plan überproportional steigen. 1987 wurde eine Umsatzrendite von knapp sieben Prozent erwirtschaftet.

Dem Unternehmen ist es gelungen, durch das Anbieten von Komplettlösungen im DTP- und CAD-Bereich Beratungskompetenz in Vertrieb umzusetzen. Wird diese Schiene weitergefahren, ist die optimistische Umsatz- und Ertragsannahme nicht unrealistisch und der Titel - trotz der analytisch hohen Bewertung - als spekulative Depotbeimischung kaufenswert.