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Börsengang von Zalando ist trotz schwarzer Zahlen nicht ohne Risiken

04.09.2014
Gerüchte um einen Börsengang des Internet-Händlers Zalando gab es schon lange. Das Unternehmen wartete jedoch - bis es mit schwarzen Zahlen auftrumpfen konnte. Mit der künftigen Aufmerksamkeit der Anleger steigt aber auch der Druck auf den Senkrechtstarter.

Anfangs war es einfach, den Mode-Händler Zalando als Leichtgewicht abzutun. Die schrille TV-Werbekampagne unter dem Motto "Schrei vor Glück" bescherte der Firma schnell große Bekanntheit. Die grundsätzlich kostenlosen Retouren sorgten bei dem Senkrechtstarter zugleich aber für eine hohe und teure Rücksendequote. Auch jetzt noch werden - am Umsatz gemessen - rund 50 Prozent der bestellten Ware zurückgeschickt. Das sorgte immer wieder für Skepsis, wie lange so etwas gutgehen kann. Die ausführlichen Zahlen, die Zalando jetzt zum Börsengang präsentiert, zeigen jedoch: Das Geschäftsmodell scheint aufzugehen.

So gab es im vergangenen Quartal auch unterm Strich schwarze Zahlen mit einem Nachsteuergewinn von 29 Millionen Euro. Zalando hatte bisher stets ein großes Geheimnis um die Details zum Geschäft gemacht um bestenfalls operative Zahlen mit herausgerechneten Sonderkosten veröffentlicht. Das schürte wiederum Spekulationen darüber, wie viel ungünstiger die unbereinigten Zahlen aussehen müssten. Eine Erkenntnis ist jetzt: Zalando verdient tatsächlich Geld.

Das Geschäft im Modehandel wird natürlich auch von schwer berechenbaren Einflüssen wie Wetter-Kapriolen geprägt. Einer der Gründe für die besseren Zahlen im vergangenen Quartal sei tatsächlich das günstigere Wetter gewesen, räumt Zalando-Vorstand Rubin Ritter ein. Zugleich aber hätten sich die hohen Investitionen in neue Logistik-Standorte mit einem effizienteren Warenumschlag ausgezahlt. Und mit einem Anteil wiederkehrender Kunden von zuletzt 75 Prozent muss Zalando auch weniger Geld als früher ausgeben, um neue Nutzer anzulocken.

Zugleich zeigen die Zahlen, dass das Bild vom typischen Zalando-Kunden, der viel und oft bestellt, offensichtlich falsch ist. Nach jüngstem Stand kam ein durchschnittlicher Zalando-Kunde in den vergangenen zwölf Monaten auf 2,77 Bestellungen. Das heißt: Neben Vielkäufern muss es auch eine riesige Gruppe von Kunden geben, die nur einmal pro Jahr irgendwas bei Zalando ordern. Insgesamt kommt Zalando auf 13,7 Millionen "aktive Kunden", die in den vergangenen zwei Monaten mindestens eine Bestellung abgeschickt haben.

Und auch wenn Zalando den internationalen Ausbau betont und inzwischen in 15 Ländern aktiv ist, spielt sich der Großteil des Geschäfts immer noch in der deutschsprachigen Region ab. Aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kamen zuletzt 57 Prozent der Erlöse. Und dort wird ein Großteil des Gewinns erwirtschaftet. Diese drei Länder spülten im vergangenen Quartal vor Steuern und Zinsen 25,5 Millionen Euro in die Kassen. Aus den restlichen Zalando-Märkten kamen insgesamt 6 Millionen Euro.

Auch angesichts solcher Diskrepanzen birgt der Börsengang für Zalando genauso Risiken wie für andere junge Unternehmen. Mit Rückendeckung bisheriger Aktionäre wie der schwedischen Investmentgesellschaft Kinnevik oder der Samwer-Brüder konnte Zalando auch hohe Verluste für Wachstum in Kauf nehmen. Nach dem Börsengang werden Anleger die Zahlen Quartal für Quartal unter die Lupe nehmen und mehr Effizienz einfordern.

Mit dem Börsengang wird sich Zalando auch aus dem Schatten der Samwer-Brüder bewegen. Praktisch seit Beginn ihrer Internet-Karriere wird dem Samwers vorgehalten, Ideen aus Amerika schnöde zu kopieren - so auch in der vergangenen Woche in einer ZDF-Sendung und in der "Wirtschaftswoche". Denn: Ihr erster großer Deal war 1999 die deutsche Auktions-Website Alando an das US-Vorbild Ebay zu verkaufen. Oliver Samwer hört die Vorwürfe nicht gern und sagte der dpa im Sommer vergangenen Jahres: "Neue Unternehmen bauen immer auf Geschäftsmodelle auf, die es bereits irgendwo auf der Welt gab. Das war schon immer so."

Zalando polarisiert auch sonst immer wieder: Händler mit stationären Läden beklagen sich über Billig-Konkurrenz aus dem Internet, so auch in den jüngsten Berichten von ZDF und "Wirtschaftswoche". Mit der Gewerkschaft hat das Unternehmen immer wieder Streit um die Arbeitsbedingungen in seinen Logistik-Zentren. Nach einer TV-Dokumentation, bei der eine Reporterin in Erfurt mit versteckter Kamera den Alltag filmte, liefert sich Zalando wegen des Vorwurfs schlechter Arbeitsbedingungen eine Auseinandersetzung mit dem Sender RTL. Das Startup mit der schrillen Werbung weiß sein Image zu verteidigen.

Zuletzt musste sich das Unternehmen für den Empfang von 35 Millionen Euro Subventionen rechtfertigen, die aus Mitteln des Bundes und der Länder Berlin, Brandenburg und Thüringen stammen. Die Rechtmäßigkeit der Mittelvergabe wurde allerdings nicht in Frage gestellt. Auch andere Konzerne erhalten Fördermittel, wenn sie in den neuen Bundesländern investieren.

Mit dem anstehenden Börsengang kommen Zalando auch neue Transparenzregeln zu, die Auswirkungen für die Kunden zur Folge haben könnten. Manche Geschäftsdetails, die bislang von den Eigentümern unter dem Deckel gehalten wurde, müssen dann offen kommuniziert werden. "Zalando wird sein Geschäftsmodell nach dem Börsengang ändern müssen", zeigt sich zum Beispiel der Börsengangsexperte Konrad Bösl von der Beratungsgesellschaft Blättchen & Partner überzeugt.

"Die Retouren sind ein großer Kostenblock. Das kann das Unternehmen auf Dauer nicht durchhalten", sagt Bösl. Zalando-Vorstand Ritter betont hingegen, die kostenlosen Rücksendungen gehörten fest zum Geschäftsmodell. Schon als man einmal probeweise die Rücksende-Formulare nicht der Bestellung beigelegt habe, sondern sie von den Käufern ausdrucken ließ, habe dies Kunden abgeschreckt und für schlechtere Geschäfte gesorgt. (dpa/tc)