Electronic Commerce/Umstellung auf elektronische Kommunikation

BMW: Multimediale Abwicklung auf Internet-Basis schreitet voran

16.10.1998

Angefangen hat der Prozeß mit der Vernetzung der Handelsorganisation und mit den Zulieferern; nach und nach wurden Aktivitäten wie zum Beispiel Gutschriften, Bestellungen, Zahlungsverkehr und der Austausch technischer Daten (CAx) integriert.

Seit Frühjahr 1996 strukturiert BMW die Datenkommunikation neu. Die gesteigerten Anforderungen an Zuverlässigkeit und Schnelligkeit sowie der Trend zu Client-Server-Lösungen führten zu der Entscheidung für eine neue Gesamtlösung. Seit Ende 1996 werden die alten Strukturen Schritt für Schritt abgelöst. Kernstück der neuen Lösung ist der "EDI-Manager" von Actis, Berlin.

Gefragt war ein System, das eine weltweite Vernetzung innerhalb des Konzerns und zu den Geschäftspartnern ermöglicht. Bei der Funktionalität standen größtmögliche technologische und organisatorische Flexibilität, Geschwindigkeit, Sicherheit und anwenderfreundliche Handhabung im Vordergrund. Das Lieferunternehmen mußte kompetente Unterstützung, das heißt sowohl Beratung als auch eine Hotline, langfristige Pflege des Systems, die Adaption neuer Entwicklungen sowie Zuverlässigkeit und Stabilität gewährleisten können.

Im Mai 1997 ging "Deljit", das System für den kommerziellen Bereich mit neuen Just-in-Time-Abrufen auf Edifact-Basis in Produktion. Weitere zeitkritische Anwendungen wie zum Beispiel Speditionsnachrichten für den Teilevertrieb folgten. Neue Format-Konvertierungen, ANSI X.12 beispielsweise, für die Kommunikation mit amerikanischen Zulieferern sind geplant. Die technischen Dateien wurden Anfang 1998 umgestellt, mittlerweile sind dort über 600 Partner weltweit angebunden, täglich werden 4 bis 5 GB in zirka 1200 Files umgesetzt. 1998 wird voraussichtlich erstmals eine Gesamtmenge von über einem Terabyte erreicht, 1999 wohl noch mehr.

Die neue Lösung führt zu erheblicher Effizienzsteigerung: Die vollautomatische Übermittlung und Weiterleitung von Daten reduziert Verwaltungskosten und beschleunigt die Abwicklung von Geschäftsvorfällen durch Verkürzung der Durchlaufzeiten von der Bestellung bis zur Auslieferung. Die Integration mit den konzerneigenen Applikationen sorgt für Datentransparenz und problemloses Arbeiten mit konsistenten Datenbeständen. Die gesteigerte Frequenz der Bestell- und Liefervorgänge reduziert zudem den Lagerbestand und damit die Kapitalbindungskosten. Die Entwicklungszeiten von Fahrzeugen können verringert werden. Gleichzeitig bewirkt das System eine bessere Außenwirkung in Form von Zufriedenheit der Geschäftspartner.

Der offene und modulare Aufbau des Systems ermöglicht eine maßgeschneiderte Lösung für vereinfachte Kommunikationswege. Wichtig war ein flexibler Konverter, die Client-Server-Architektur sowie die einfache Einbeziehung heterogener DV-Umgebungen. Das System unterstützt alle benötigten Formate, auch die internen. Dazu gehört die Umstellung von VDA/Odette auf Edifact. Netzwerke auf Ethernet- oder Token-Ring-Basis sind eingebunden, wobei BMW selbst nur Ethernet nutzt. Mit dem Odette File Transfer Protocol (OFTP) über ISDN werden die Verbindungen weltweit (Europa, USA) realisiert, über TCP/IP nach Großbritannien und zu großen Konstruktionsbüros für volumenintensive Übertragungen.

Performance und Sicherheit

IBM RS/6000-Rechner mit dem Unix-Betriebssystem AIX sind die Plattform für das System. Das Ausfallsicherungssystem "HACMP" verhindert Leerlaufzeiten. Demselben Zweck dient die doppelte Installation der Software: Zwei EDI-Manager für den kommerziellen und technischen Produktivbetrieb werden von zwei Softwarepaketen für den Standby-Modus ergänzt. Die Verbindung zwischen EDI-Manager und der bestehenden Rechnerlandschaft erfolgt über das File-Transfer-Produkt "Connect Direct" von Sterling. Die ISDN-Datenübertragung läuft über eine Primär-Multiplex-Karte je EDI-Manager.

Da pro Karte 30 B-Kanäle zur Verfügung stehen, betreibt BMW damit eines der größten und leistungsfähigsten EDI-Systeme in Deutschland. Ohne zusätzliche ISDN-Einrichtungen sind die Konzernfirmen sowie die Werke in Deutschland und Steyr (Österreich) in BMWs Unternehmensnetz eingebunden. Die OFTP-Adaption auf TCP/IP ermöglicht den Einsatz vorhandener Router. Als Zusatznutzen ist der parallele Einsatz von TCP/IP-Diensten und die Vefügbarkeit höherer Durchsatzraten aufgrund der Kanalbündelung einzustufen.

Mit dem Tool "Ediform" sind die BMW-Administratoren zudem in der Lage, selbständig Formatumsetzungen zu erstellen oder zu modifizieren.

Für Rover wurde die hochperformante EDM-Integration verwirklicht, für das Werk in Spartanburg eine Integration in den DXM von Prostep. Den elektronischen Versand von technischen Daten erleichert dabei die Benutzeroberfläche "Presto/DXM", das Datenaustausch-Tool für das EDM-System "Prisma" von BMW.

Der Hersteller arbeitet zudem an der Archivierung kommerzieller und technischer Daten durch eine Schnittstelle vom EDI-Manager zu Aria-Object-Archiv, einer Archivierungssoftware von Control Data. Die technischen Daten sollen dann werksübergreifend über OFTP/TCP/IP im BMW-Unternehmensnetz Corporate Network zum entsprechenden Konstrukteur beziehungsweise Zulieferer weitergeleitet werden.

Die zentrale EDI-Drehscheibe bei BMW befindet sich in München. Von dort werden alle EDI-Files aus den deutschen Werken, Steyr sowie die des Schwesterunternehmens Rover versandt, empfangen oder verteilt. Um dem Anwender die Verfolgung aller EDI-Vorgänge zu ermöglichen, ist eine Statusdatenbank zur Vorgangskontrolle eingerichtet. Ein Meldewesen, das im Falle einer Störung automatisch Fehlermeldungen veranlaßt, ergänzt das System. Demnächst wird der Resource-Control-Browser - ein Zusatz-Tool des EDI-Manager - eingesetzt, mit dem der Auslastungsstand und Status der Systeme zu überwachen ist. Die Benutzerverwaltung der Überwachungsoberfläche ist komfortabel gestaltet: Die Eingriffsmöglichkeiten der Anwender lassen sich flexibel einstellen. Trotz der zentralen EDI-Struktur ist Datenschutz gewährleistet.

Mittelfristig hat BMW verschiedene Aufgaben vor sich: So ist eine Statistik/Accounting-Funktion geplant, die mit Daten aus der EDI-Statusdatenbank arbeitet. Für Geschäftspartner, die nicht per EDI angebunden sind, ist der Einsatz eines Moduls für Web-EDI, gegebenenfalls als externe Dienstleistung, geplant, mit dem auch nicht EDI-fähige Geschäftspartner über das Internet in die elektronische Datenkommunikation integriert werden können. Solche Geschäftspartner erhalten ihre Daten derzeit teilweise per Fax (Lieferabrufe, Feinabrufe, Gutschriften etc.). Diese Partner können die Daten dann mit Internet-Technologien empfangen und weiterverarbeiten.

Im Rahmen des Aufbaus von virtuellen Unternehmen spielen Internet-Technologien eine immer bedeutendere Rolle. BMW gewinnt als Teilnehmer am Pilotprojekt A-Net des VDA dafür nützliche Erfahrungen.

Von EDI und EC

EDIElectronic Data Interchange (EDI) ist der elektronische Austausch von strukturierten Nachrichten zwischen DV-Anwendungssystemen zweier oder mehrerer Geschäftspartner mit einem Minimum an manuellen Eingriffen.

Electronic CommerceElectronic Commerce ist der elektronische Austausch von strukturierten und unstrukturierten Geschäftsnachrichten zwischen DV-Anwendungssystemen beziehungsweise Personen unter Anwendung unterschiedlicher Technologien (EDI, E-Mail, Internet/WWW etc.

Angeklickt

Die Geschäftsbeziehungen von BMW sollten möglichst unterbrechungsfrei auf elektronische Systeme umgestellt werden. Betroffen waren davon verschiedene Instanzen: Konstruktion und Konstruktionspartner, Einkauf und Zulieferer, die Werke des Konzerns, der Verkauf und die Händler sowie Vertriebsparner und Kunden, die Administration hierzulande und in ausländischen Werken sowie staatliche Stellen im In- und Ausland etc. Je nach betriebswirtschaftlicher beziehungsweise strategischer Bedeutung und den technischen Möglichkeiten ist der Vernetzungsprozeß unterschiedlich weit vorangeschritten.

Michael Laub ist Projektleiter bei BMW in München.