BMC entflieht der Management-Konsole

09.11.2004
Seit mehr als 20 Jahren ist BMC in vielen Rechenzentren zu Hause. Die Texaner gelten wohl auchwegen ihrer Geschichte eher als graue Maus im Softwaremarkt. Das soll sich jetzt ändern.

Nicht immer, aber manchmal eben doch lassen sich Entwicklungen an Personen festmachen. Robert Beauchamp ist ein gutes Beispiel. Der President und CEO von BMC Software gilt als "Urgestein" des Unternehmens. Mehr als 15 Jahre ist er bei der 1980 gegründeten Company aus Texas schon an Bord, diente sich in diversen Management-Positionen hoch bis in seine jetzigen Ämter, die er seit Januar 2001 bekleidet. Ende 2002 sorgte der BMC-Chef dann erstmals für Schlagzeilen, als er für 350 Millionen Dollar in bar den Helpdesk- und CRM-Spezialisten Remedy kaufte, eine Tochter des seinerzeit finanziell schwer angeschlagenen Wettbewerbers Peregrine Systems. Im Frühjahr dieses Jahres schluckte BMC dann zum Preis von knapp 240 Millionen Dollar Marimba, einen Anbieter von Tools für das Applikations-Management.

BMC, mit einem Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Dollar (Geschäftsjahr 2004) kein Fliegengewicht in der Softwareszene, kaufte außerdem eine Reihe weiterer kleiner Anbieter und trug damit zur Konsolidierung in der Branche bei. Auf einer europäischen Kundenveranstaltung vor wenigen Wochen in Paris ließ Beauchamp auch verbal erstmals die Muskeln spielen. "Unsere Wettbewerber haben nicht die Produkte, nicht die Strategie und erst recht nicht die Vision, um den aktuellen Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden."

Der BMC-Chef zielte mit seiner Äußerung auf den Strukturwandel ab, der sich seit geraumer Zeit im Markt für Infrastruktur- und System-Management-Lösungen vollzieht. Dort gelten zunehmend neue Regeln. Die Produkte müssen modular und skalierbar aufgebaut sein, über Prognoseeigenschaften verfügen und die Möglichkeit bieten, Geschäftsprozesse zu überwachen. Hinzu kommen zusätzliche Applikationen wie Content-Management und Enterprise Portals sowie die Verwaltung von immer mehr Endgeräten, bedingt unter anderem durch die Zunahme mobiler Clients. Bei BMC (und nicht nur dort) dreht sich also künftig vieles um Funktionen wie Configuration- und Remote-Management, Personalisierung sowie Security-Management. Die Zeiten des herkömmlichen Managements von IT-Komponenten, die Bewältigung von Systemproblemen und die Performance-Kontrolle via zentrale Management-Konsole sind somit passè.

Neue Strategie soll helfen

BMC fasst dies unter dem Begriff Business-Service-Management (BSM) zusammen - eine Strategie, die CEO Beauchamp im Oktober 2002 seiner Company verordnet und die in der Folge zu den genannten Übernahmen samt entsprechender Ergänzung des Produktportfolios geführt hat. Im Kern geht es bei BMC um die Einbindung von Produkten wie der eigenen Management-Suite "Patrol", diversen Daten-bank-Tools sowie Applikationswerkzeugen in ein unternehmensweites Change-Management-Programm. Firmen sollen dadurch besser in die Lage versetzt werden, die Auswirkungen der IT auf ihre Geschäftsprozesse zu analysieren. Sie erhalten, wie es bei BMC heißt, "Lösungs- und Entscheidungshilfen in Echtzeit".

Die Texaner ihrerseits versprechen sich davon einen deutlichen Schub für das eigene Busi-ness. CEO Beauchamp will sogar von einem "Alleinstellungsmerkmal" seiner Company wissen. "IBM und Computer Associates sprechen von On-Demand und meinen damit alles und nichts. HP hat nur Konzepte. Wir haben einen klaren Fokus und einen technologischen Vorsprung", zog der BMC-Chef im Gespräch mit der computerwoche kräftig vom Leder.

Fest steht, der Markt, in dem sich BMC bewegt, ist im Umbruch. Nicht nur, was die ge-nannten technischen Herausforderungen und den geforderten "Business Case" für die Anwender angeht, sondern auch die Anbieterlandschaft betreffend. Neben den etablierten Lieferanten von System-Management-Suites IBM, Computer Associates (CA) und Hewlett-Packard (HP), die ihre Produkte unter wel-chem Etikett auch immer angeblich bedarfsgerecht offerieren, tummeln sich dort auch seit Jahren Hersteller wie Candle, Micromuse, Net-IQ und viele mehr. Hinzu kommen vermehrt Anbieter wie Symantec und Microsoft.

Das Hauen und Stechen im Markt hat folglich zugenommen - etwa dergestalt, dass bei-spielsweise IBM seine ehemals sehr teure Management-Suite "Tivoli" inzwischen in abge-speckter Version zu einem Preisniveau anbietet, das auch für Mittelständler interessant ist. Zudem besteht unverändert ein Geflecht gegenseitiger Abhängigkeiten. So ist BMC nach wie vor der größte Third-Party-Lieferant für Tools zum Monitoring von IBMs Datenbank "DB2". Gleichzeitig konkurrieren beide Firmen aber mit ihren großen Management-Suiten "Tivoli/ Netview" beziehungsweise "Patrol" miteinander.

IDC bescheinigt BMC in diesem sehr unübersichtlichen Markt derzeit "eine gute Marketing-Leistung und Positionierung". Der Markt für Infrastruktur- und System-Management-Lösungen soll nach Berechnungen der Auguren von einem Volumen von 8,2 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr bis 2008 um durchschnittlich weitere 6,6 Prozent pro Jahr wachsen. Aktuelle Daten zu den Marktanteilen einzelner Anbieter gibt es derzeit nicht; die Szenerie im Markt sei zu "heterogen", heißt es unter Experten. Im Jahr 2002 hatte Gartner/Dataquest BMC noch mit einem Anteil von acht Prozent als Nummer zwei hinter IBM (18,8 Prozent) eingestuft.

Tivoli bei Dell abgelöst

Um ihre Business-Service-Management-Strategie zu untermauern und in den Markt zu tragen, haben die Texaner in letzter Zeit einer Reihe von Partnerschaften in der Industrie unter Dach und Fach gebracht. Der Consulting- und IT-Dienstleistungs-Gigant Accenture gehört dazu, Security-Spezialist Symantec und der Anbieter von Business-Intelligence-Werkzeugen Business Objects ebenfalls. "Wir und damit unsere Kunden sind gut vernetzt", meint BMC-Chef Beauchamp. In immer mehr Projekten käme dies erfolgreich zum Tragen. So sei es unlängst gelungen, beim PC- und Server-Hersteller Dell (übrigens auch ein BMC-Partner) weltweit das IBM-Produkt "Tivoli" abzulösen.

Gutes zweites Quartal

Trotzdem musste sich BMC in den beiden vergangenen Jahren auch mit der Branchenkrise herumschlagen. Die Umsätze waren rückläufig, es gab Verluste und den üblichen Abbau von Mitarbeitern. Auch hierzulande liefen die Geschäft alles andere als gut (siehe Kasten "Robert Beauchamps Meinung ?"). Nach einem weiteren enttäuschenden ersten Geschäftsquartal 2005, das die Texaner im Juli beendeten, brachte erst die jüngste, Ende September abgelaufene Berichtsperiode die Wende. So verbesserte sich der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um sechs Prozent auf 355,1 Millionen Dollar, vor allem die Lizenzerlöse stiegen wieder überdurchschnittlich um elf Prozent auf 147,2 Millionen Dollar. CEO Beauchamp hat es natürlich schon vorher gewusst. Es spreche vieles dafür, dass die letzten Quartale "eher ein Betriebsunfall der Softwarebranche" waren, gab er inmitten der Quiet Period vor der Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen zu Protokoll.