Blosse Vernetzung macht noch keinen Cluster Parallel rechnende Workstations ersetzen den Superrechner nicht

18.03.1994

MUENCHEN (kk) - Workstation-Cluster lassen sich schon heute als kostenguenstige Entwicklungsplattform fuer massiv-parallele Systeme nutzen. Trotz wachsender Marktchancen wird es aber zu keiner generellen Abloesung der Superrechner kommen, da die Bandbreite der Netzleitungen zu gering ist und das Software-Angebot nicht ausreicht.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Ministerium fuer Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein- Westfalen in Auftrag gegeben hat.

Durchgefuehrt wurde sie von der Bonner Pallas Gesellschaft fuer Parallele Anwendungen und Systeme mbH in Zusammenarbeit mit der Ziam GmbH aus Herzogenrath, beides Anbieter von Produkten und Dienstleistungen fuer diesen Bereich.

Im ersten Teil der Analyse beschreiben die Pallas-Forscher den Ist-Zustand in der Parallelverarbeitung. Sie stellen Produkte fuer die Parallelisierung von Anwendungen vor, erklaeren die vorherrschenden Programmiermodelle fuer Parallelrechner und geben einen Ueberblick ueber die in Deutschland erhaeltliche spezielle Software fuer Workstation-Cluster sowie zur Leistungsabschaetzung im homogenen oder heterogenen Workstation-Verbund. Referenzprojekte bespielsweise von Dornier, IBM oder Siemens mit der Universitaet Muenchen werden vorgestellt.

Daraus entwickeln die Forscher einen Anforderungskatalog fuer Systemsoftware und Werkzeuge, der den Wuenschen der einzelnen Benutzer (Anwender, Systemadministratoren und Entwickler) Rechnung tragen soll.

In einem empirischen Teil werden die Ergebnisse einer schriftlichen Umfrage dargestellt. Eine Fragebogenaktion mit 300 zufaellig ausgewaehlten Firmen brachte eine Ruecklaufquote von weniger als zwei Prozent, so dass anschliessend 30 Anwender direkt angeschrieben wurden, wovon zirka 60 Prozent antworteten.

Pallas schliesst aus den unterschiedlich hohen Ruecklaufquoten auf geringes oder ungleich verbreitetes Wissen ueber das Thema Parallel Computing mit Workstation-Clustern und vermutet, dass viele Anwender es mit einer normalen Vernetzung von Workstations gleichsetzen. Zusaetzlich zur Fragebogenaktion fuehrten die Forscher noch Interviews mit fuenf Anwendern.

Fuer wissenschaftlich-technische Anwendungen mit rechenintensiven Operationen wurden die Supercomputer - auch Vektorrechner genannt - erfunden, die derzeit von den Parallelrechnern abgeloest werden. Parallelrechner zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit einer Vielzahl von Prozessoren gemeinsam und gleichzeitig eine Aufgabe bearbeiten.

Die Leistungssteigerung der RISC-Prozessoren - der klassischen CPUs der Workstations - fuehrt dazu, dass Hersteller von Superrechnern diese vergleichsweise kostenguenstigen Bausteine in ihren Systemen verwenden.

In Supercomputern arbeiten jetzt RISC-Chips

So setzt Cray in den T3D-Rechnern den Alpha-Prozessor von Digital Equipment ein und in den CS-6400-Systemen bis zu 64 Supersparc- CPUs. In der neuen Cray-Generation massiv-paralleler Rechner sollen Ultrasparc-Bausteine die Alpha-Systeme abloesen. Convex verwendet in den SPP-1-Systemen die PA-RISC-CPU von Hewlett- Packard, NEC setzt in MP-Rechnern auf seine Variante der R4400- Mips-Architektur, der deutsche Anbieter Parsytec verabschiedet sich von den Inmos-Transputern und verwendet nun den Power-PC- Chip, und auch IBM nutzt den Power-Prozessor fuer das Parallelsystem SP1.

Die gute Ausstattung der deutschen Firmen mit RISC-basierten Workstations und LANs legt eine Verknuepfung der Rechner zu einem parallel arbeitenden Cluster nahe. Hinzu kommt, dass die Leistung einer Workstation bei Verwendung als Einzelplatzrechner bis zu 90 Prozent ungenutzt bleibt. Insbesondere kleine und mittelgrosse Unternehmen koennten nach Meinung der Autoren von den Preis- Leistungs-Vorteilen der Workstation-Cluster gegenueber teuren Parallelrechnern profitieren und sich Know-how in der parallelen Datenverarbeitung aneignen.

Ueber 50 Prozent der Befragten arbeiten allerdings in Unternehmen mit mehr als 500 Beschaeftigten, die meisten im Maschinen- und Anlagenbau. Kleine Unternehmen mit bis zu 50 Angestellten fanden sich keine, nur 30 Prozent der Antworten kamen aus mittelgrossen Firmen mit bis zu 250 Angestellten. Es besteht generell noch ein erheblicher Transferbedarf von einschlaegigen Forschungsergebnissen hin zum Anwender.

Damit ihr Kenntnisstand sich besser einschaetzen liess, sollten die Teilnehmer an der Fragebogenaktion auch Auskunft geben, ob sie die Einsatzmoeglichkeiten eines Workstation-Clusters kennen. Ueber 70 Prozent bejahten das. Fuer immerhin knapp 60 Prozent ist die Parallelverarbeitung auf einem auch als Workstation-Farm bezeichneten Rechnerverbund betrieblich interessant. Geringe Kosten und bessere Nutzung der vorhandenen Ressourcen ist fuer die Befragten dabei der positivste Aspekt.

Neben den genannten Vorteilen identifizieren die Forscher vor allem zwei Nachteile der Workstation-Cluster: Das Verbindungssystem der Rechner untereinander und die unzulaengliche Software-Ausstattung.

Fast die Haelfte der untersuchten Betriebe verfuegt ueber Workstations und Workstation-Netze, auf denen vor allem CAD/CAM- und Simulationsprogramme laufen. Die Rechner sind meistens ueber Standard-Ethernet mit dem TCP/IP-Protokoll vernetzt.

Nun stellt Ethernet nur eine Bandbreite von 10 Mbit in der Sekunde zur Verfuegung. Pallas folgert, dass verteilte Workstations echten Parallelrechnern beim Start-up (der Zeit, die auch bei Uebertragung einer Nachricht der Laenge Null benoetigt wird) und im Durchsatz um den Faktor zehn bis 100 unterlegen sind. Ueber 40 Prozent der Befragten mahnten das verwendete Netz und die sich daraus ergebenden Verzoegerungen beim Parallelrechnen als Nachteil an.

Als Ausweg bieten sich schnellere Verbindungssysteme wie FDDI, eine sinnvolle Lastverteilung, die Verwendung von kommunikationsarmen Algorithmen und ganz allgemein die Auswahl der richtigen Aufgaben an.

Anwender von Workstation-Clustern kaempfen mit den gleichen Softwareproblemen, die von Parallelrechnern her bekannt sind: Standards - auch von der Industrie gesetzte - gibt es keine, Anwendungsprogramme zuwenig und die Softwarewerkzeuge sind nicht ausgereift. Dementsprechend kritisierten die Befragten am zweithaeufigsten die fehlende Parallelisierung vorhandener Software.

Hinzu kommen spezifische Anforderungen im Cluster, die durch Programme fuer das Management und den Betrieb der Farm sowie Systemsoftware, die Sicherheitsaspekte beruecksichtigt, geloest werden muessen. Die Forscher prognostizieren allerdings eine deutliche Verbesserung des Software-Angebots, nicht zuletzt durch "Europort", ein Projekt des European Strategic Programme for R&D in IT (Esprit). Mit einem Aufwand von 60 Millionen Mark sollen innerhalb der naechsten zwei Jahre rund 20 Industrieanwendungen portabel parallelisiert werden.

Die Auswertung von fuenf zusaetzlich zur Fragenbogen-Aktion durchgefuehrten Interviews ergab, dass die Herstellerfirmen durchweg gute Hilfestellung leisten. Technischer Support wird bei Hard- und Software geboten.

Der Einzelne hat vor dem Verbund Prioritaet

Die Interviewpartner meldeten gute Erfahrungen mit der Leistungsfaehigkeit von Workstation-Clustern, die teilweise der eines Y-MP-Systems von Cray gleichkam. Schwierigkeiten bereiten heterogene Netze mit Workstations von verschiedenen Herstellern. Fuer solche Konstruktionen muessten die Systeme einfach zu warten zu sein, was laut Studie zur Zeit noch nicht gewaehrleistet ist.

Die Interviewten wiesen ausserdem darauf hin, dass die Qualifikation des System-Managers erhoeht werden muss, insbesondere um Kenntnisse ueber Parallelverarbeitung. Im Cluster muss gewaehrleistet sein, dass der einzelne Anwender auf seinem Rechner Prioritaet vor dem Parallel-Job hat. Neben der Forderung nach mehr kommerziell nutzbaren Programmen uebten die Befragten Kritik an den Software- Anbietern, deren Produkte jeweils nur eine oder wenige Hardwareplattformen unterstuetzten.

Insgesamt erwarten alle Befragten eine steigende Bedeutung von Workstation-Farmen, zumindest als Entwicklungsplattformen. Einzug in die Rechenzentren der Unternehmen werden sie nach deren Einschaetzung aber nicht finden, vielmehr eine Nutzung auf Abteilungsebene.

Die Studie "Workstation-Cluster: Einstieg oder Alternative zur massiv parallelen Datenverarbeitung?" wird von der Pallas GmbH, Bruehl, kostenlos abgegeben.