ERP-Software für die Fertigung

Blizzard bringt Skier mit Java-Programm auf die Piste

18.05.2009
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany

SAP und Microsoft im engeren Kreis

Zu den heißen Kandidaten während der Auswahl gehörten Dynamics NAV ("Navision") von Microsoft und eine gehostete ERP-Lösung auf SAP-Basis. Für Semiramis sprachen die leicht bedienbare Oberfläche, die durchgängige Logik, die Mehrsprachigkeit und die Java-Fähigkeit. Zudem läuft der Client im Browser, so dass Kaaks Kollegen in der Ukraine keine lokale Softwareinstallation benötigen. Der Controlling-Chef und sein Team besuchten darüber hinaus Semiramis-Kunden und fragten sie nach deren Projekterfahrungen. Da auch hier keine negativen Eindrücke blieben, entschied man sich für dieses Produkt. Viel wichtiger als die Wahl der ERP-Applikation war aber die Art, wie Blizzard die neue Lösung eingeführt hat.

Neues ERP-System als Ausgangspunkt für neue Prozesse

Kaak und sein Team nutzten das Projekt für einen Neuanfang: "Wir haben uns gefragt, wie eine Skiproduktion aussehen würde, wenn man bei null anfinge, und was davon Semiramis im Standard bieten kann." Der Blizzard-Manager schärfte seinen Leuten ein, dass es sich nicht um ein klassisches IT-Projekt handelte. "Vielmehr ging es um neue Abläufe und die ´Umerziehung´ der Mitarbeiter."

Auf externe Beratung hat Blizzard verzichtet. Zufälligerweise standen am Standort in Österreich Büros leer, die Kaak als Projekt- und Schulungsräume einrichtete: "In einem ´War-Room´ konnten wir abseits vom Tagesgeschäft an dem ERP-Projekt arbeiten."

Ein weiterer Zufall: Als das Projekt bereits lief, stieß der ehemalige Blizzard-Mitarbeiter Manfred Ausserbichler zum Unternehmen, der bis dato einige Jahre bei der Firma KTW aus Kirchbichl in Tirol als Softwareingenieur gearbeitet hatte. Aus dieser Firmengruppe stammte die ERP-Lösung Semiramis. Im Jahr 2006 wurde der Hersteller der Software zahlungsunfähig. Ende 2006 übernahm SoftM aus München die Softwareschmiede und vermarktet sie seither als ein ERP-Kernprodukt. KTW selbst musste im Jahr 2007 Insolvenz anmelden.

Der Semiramis- und Blizzard-Kenner wurde zum technischen Projektleiter ernannt, während Kaak selbst für das Gesamtvorhaben verantwortlich war. Drei Berater von SoftM waren ebenfalls an dem Projekt beteiligt.

Ein Leitstandsystem vom SoftM-Semiramis-Partner Baumgart ergänzt die ERP-Software. Damit werden Fertigungsaufträge für die Presswerke fein justiert, um Flaschenhälse zu vermeiden.
Ein Leitstandsystem vom SoftM-Semiramis-Partner Baumgart ergänzt die ERP-Software. Damit werden Fertigungsaufträge für die Presswerke fein justiert, um Flaschenhälse zu vermeiden.

Kaak zufolge trug Ausserbichler wesentlich dazu bei, dass die Software größtenteils von eigenen Mitarbeitern und weitgehend im Zeitplan eingeführt werden konnte. Wie vorgesehen konnte der Vertrieb Anfang Januar mit der ERP-Software arbeiten. Eigentlich sollte das zu diesem Zeitpunkt auch die Produktion tun, doch hatte das Team hier noch mit schlechten Stammdaten aus dem Altsystem zu kämpfen, weshalb sich die Inbetriebnahme um vier Wochen verschob.

Skifertigung ist komplex und saisonabhängig

Blizzard bezeichnet sich als auftragsbezogenen Serienfertiger. Naturgemäß steht das Geschäft unter saisonalem Einfluss. Von März bis Oktober läuft die Skiproduktion auf Hochtouren. In der Zeit von Oktober bis Januar des folgenden Jahres gibt es noch Nachbestellungen, während sich das Marketing bereits mit den Produkten für die kommende Saison beschäftigt.

Aufträge für Skier aus dem US-amerikanischen Markt liegen etwa bis Juni vor. Für die Kernmärkte Österreich, Schweiz, Norditalien und Deutschland prognostiziert der Skifertiger den Bedarf. Dabei helfen Vorhersagen der Skiverbände sowie der großen Sportartikelhändler wie etwa Intersport oder Sport 2000. Der tatsächliche Auftragsbestand ist jedoch erst Ende Herbst komplett. Die Schwierigkeit dabei: Ein Ski entsteht nicht an einem Tag. Wegen des komplizierten Verfahrens dauert die Fertigung eines Skipaares bis zu sechs Wochen. Ein Produktionsauftrag für ein Modell löst bis zu 20 Unteraufträge aus. Schon wegen der Vorlaufzeit muss Blizzard quasi auf Verdacht vorproduzieren, um Ende Herbst den Bedarf decken zu können.

Referenzstücklisten reduzieren die Komplexität

Wie lässt sich die sehr spezielle Ski-Produktion in einer ERP-Standardsoftware abbilden? Zunächst hat Blizzard einiges vereinfacht: Stücklisten wurden modifiziert beziehungsweise vereinfacht und die Stammdaten weitgehend standardisiert. Beispielsweise gab es früher für den Ski pro Längenausführung eine eigene Stückliste. Die vorher komplexen Strukturen hat das Projektteam stark vereinfacht. Ausgehend von einer Referenzstückliste lassen sich heute über hinterlegte Formeln die jeweiligen Fertigungsstücklisten für ein Skimodell in einer bestimmten Länge berechnen.

Das Herzstück der Skiproduktion sind die Presswerke; sie bilden aber gleichzeitig einen Flaschenhals. Für die Feinplanung der Pressaufträge nutzt Blizzard ein Leitstandsystem, das an die Bedürfnisse der Skiherstellung angepasst wurde. Es handelt sich um ein Semiramis-Add-on des Softwarespezialisten Baumgart DV-Beratung GmbH aus Köln. Damit lassen sich Produktionsaufträge einlasten und verschieben.

Rechnungswesen kommt als Nächstes

Als Nächstes steht ein neues Rechnungswesen auf dem Programm. Derzeit nutzt die Firma noch eine AS/400-basierende Finanzbuchhaltung des von SAP gekauften Herstellers DCW. Blizzard wird das Produkt zunächst durch die Software "Varial World Edition" ersetzen. Der ERP-Lieferant SoftM sieht für die Finanzbuchhaltung zwar das eigene Java-basierende System Semiramis Rechnungswesen ("Sharknex") vor. Dieses Programm war laut Kaak zum Projektstart jedoch noch nicht genügend ausgereift, und es gab seinerzeit noch kaum Refenzinstallationen. Mit SoftM ist aber vereinbart, auf Sharknex umzusteigen, sobald die Lösung die erforderliche Reife erreicht und sich in der Praxis bewährt hat.