Betriebliche Eigenheiten sollen bei der Zeiterfassung dominieren, aber:

Blindflug-Mentalität führt zur Bruchlandung

22.11.1985

Seit etwa ein bis zwei Jahren versuchen die PC-Anbieter, den Herstellern traditioneller Zeiterfassungssysteme Marktanteile abzujagen. So gibt es inzwischen eine Vielzahl an mehr oder weniger bedarfsgerechter Software für den "eigenen Mikro". Tips für die Auswahl eines geeigneten Konzepts gibt Bernhard Adamski*.

Um festzustellen, welches Zeiterfassungssystem für den individuellen Anwendungsfall das richtige ist, müssen zunächst einige Binsenweisheiten aufgezeigt werden: Zeiterfassung ist eine dezentrale Angelegenheit; man benötigt je nach Betriebsgröße eine Anzahl von Erfassungsterminals. Zeiterfassung ist keine zeitlich begrenzte Angelegenheit, sondern eine Rund-um-die-Uhr-Sache. Zeiterfassung sollte immer realtime erfolgen, um sofortige Informationen für den Mitarbeiter bereitzuhalten. Es empfiehlt sich, Korrekturen täglich zu machen, sonst sind die Zeitkonten nicht ß jour und die Informationen falsch.

Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen ergibt sich, daß die Erfassungsterminals eigentlich nie direkt an eine größere DV angeschlossen werden können, sondern immer nur über einen Konzentrator oder Vorrechner. Die Frage ist nur, was der Anwender von diesem Vorrechner eigentlich erwartet.

Soll er wirklich nur Konzentratorfunktionen haben mit einer notwendigen Zwischenspeicherung aus Datensicherheitsgründen, dann ist es unbedingt erforderlich, ein komfortables umfangreiches Programmpaket auf dem Host zur Verfügung zu haben. Die Daten müssen dann mindestens einmal täglich übertragen werden, um die Aktualität zu gewährleisten. Eine Rückübertragung in den Konzentrator ist notwendig, um zumindest den Zeitkontostand der letzten Tagesabrechnung bei der nächsten neuen Buchung dem Mitarbeiter anzeigen zu können.

Eine "Blindflugerfassung" ist wegen der aufwendigen, nachträglich kaum richtig nachzuvollziehenden Korrekturen abzulehnen.

Der Vorteil liegt in der Nutzung der eventuell im Betrieb vorhandenen Bildschirmgeräte, der Nachteil in den relativ hohen Kosten für die Erstellung dieses Programmes. Man mache sich nichts vor: Um alle relevanten Parameter einzubeziehen sind einige Mannjahre Programmieraufwand erforderlich.

Daher ist zumeist der einen Schritt weitergehende Weg vorzuziehen. Der Vorrechner führt die Stammsätze und Zeitkonten der Mitarbeiter übernimmt die Korrekturen und übergibt periodisch die aufbereiteten Daten an den Host, die für die Lohnabrechnung erforderlich sind. Hierzu ist natürlich eine etwas höherwertige Hardware nötig, je nach Betriebsgröße mit Disketten oder Platten, jedoch dürfte sich diese Mehrausgabe durch den geringeren Softwareaufwand seitens der eigenen DV mehr als kompensieren. Selbstverständlich ist auch die Software dieses Vorrechners kostenmäßig in Betracht zu ziehen. Da es sich hierbei aber um Standardpakete handelt, die x-fach eingesetzt werden, sind die Kosten relativ gering. Zu beachten ist bei diesen Standardprodukten, daß alle Bereiche des Tarifvertrages abgedeckt werden und daß die Software sehr weitgehend parametrierbar ist, um den individuellen Anforderungen der jeweiligen Betriebsvereinbarung gerecht zu werden.

Die kompetenten Hersteller bieten heute Systeme an, die mit der gleichen Hardwarebasis und unterschiedlich ausgelegter Software in der Lage sind, von Minimal- bis Maximalauswertungen im Zeiterfassungsrechner je nach Kundenanforderung zu fahren.

Der nachfolgende Host kann auch mittlerweile ein PC sein. Gerade hier ist es noch wichtiger, daß ein Vorrechner zwischengeschaltet wird, damit der PC durch den Buchungsverkehr nicht "zu" ist und die Daten zwischengespeichert werden, damit sie bei Ausfall des PC nicht verlorengehen. Die Zwischenspeicherung ist ebenfalls wichtig, wenn der PC mit anderen Aufgaben belegt ist. Der PC kann im Grunde immer nur weitere Auswertungen übernehmen, zum Beispiel Führen des Monatsjournals pro Mitarbeiter, Fehlzeitenstatistiken oder Überstundenstatistiken. Die eigentliche Zeiterfassung und Tagesabrechnung muß im Vorrechner bleiben, weil diese Abrechnung automatisch am Tagesende erfolgt und dazu eine Fülle von Parametertabellen erforderlich ist. Diese Tabellen werden größtenteils auch schon beim laufenden Buchungsverkehr benötigt und müssen also sowieso im Vorrechner vorhanden sein. Die ermittelten Werte nach der Tagesabrechnung können dann dem PC entweder automatisch zu festgelegten Zeiten oder per Handanwahl übergeben werden. Um neue Softwareentwicklungen zu sparen, wäre es eine vernünftige Lösung, den Bildschirm und die Dateien (zum Beispiel auf Diskette) des Vorrechners auf dem PC zu emulieren.

Diese PC-Lösung wird im Grunde immer nur für kleinere und mittlere Betriebsgrößen interessant sein, die auch die Lohnabrechnung über den PC laufen lassen. Der Vorteil liegt in der relativ einfachen und preiswerten Möglichkeit individueller und betriebsinterner Auswertungen und Statistiken.

Wie fast überall, gibt es das einzig richtige Konzept nicht. Bei der Zeiterfassung spielen die betrieblichen Gegebenheiten eine dominierende Rolle. Die Erfahrung zeigt, daß die Software des Vorrechners im Prinzip die entscheidende Rolle spielt. Hier entscheidet sich der Grad der automatischen Abrechnung. 100 Prozent sind fast nie zu erzielen und wären auch zu kostenaufwendig, aber 95 Prozent sind durchaus realistisch und bei den heutigen Anforderungen in bezug auf Flexibilisierung, Freizeitausgleich und Informationsbedürfnis gegenüber herkömmlichen manuellen Methoden kostenmäßig in kurzer Zeit zu amortisieren.

*Bernhard Adamski ist Mitarbeiter der Interflex-Datensysteme, Mettmann.