Kommentar

Blauer Himmel über Berlin

11.03.1988

Nicht nur wegen ihrer Reiseangebote war die Internationale Tourismus-Börse in Berlin eine bemerkenswerte Veranstaltung. Auch auf der DV-Seite bot die ITB Einblicke, wie sie kaum eine "echte" Computermesse zu bieten vermag.

Da werden halbfertige DV-Dienstleistungen verkauft und Service-Produkte, die bislang nur auf buntbedrucktem Prospektpapier und in den Köpfen der Marketingstrategen existieren. American Airlines forciert ihr Sabre-Netz, das zwar USA-Angebote exzellent darstellt, aber bislang für Buchungen bei europäischen Carriers völlig ungeeignet ist, mit einer Sonderangebots-Deadline zum 31. März. Zitat eines hochrangigen

Verkaufsmannes: "Das mag Ihnen wie Bauernfängerei vorkommen, aber wir haben unsere Terminvorgaben aus den USA."

Die Zeit drängt: Die neuen europäischen Gruppen Amadeus und Galileo, verbündet mit Sabres amerikanischen Erzrivalen System One und Covia-Apollo, rühren schon kräftig die Werbetrommel; allerdings akquirieren sie noch keine Verträge. Doch Messe-Präsenz tut not. Bis die neuen DV-Netze tatsächlich all die Aufgaben erfüllen können, für die sie konzipiert sind, können die Euro-Airlines mit dem Marketing nicht warten. Fast zwei Jahre wird es noch dauern, bis die Hochleistungs-Rechenzentren die Kapazitäten bereitstellen werden, um aus den alten, langsamen Reservierungssystemen vielseitige Marketing-Hilfsmittel zu formen. Bis dahin behilft man sich mit Provisorien. Amadeus etwa geht Anfang 1989 auf dem Umweg über den System-One-Rechner in Mami ans Netz, um Galileo ein wenig zuvorzukommen. Das Mammut-RZ am künftigen Flughafen München II kommt erst in einer späteren Projektphase.

Weitere zwei Jahre bleiben den Europäern Amadeus und Galileo, um sich nach der für 1989/90 geplanten Systemübergabe einzuarbeiten. 1992 wird der europäische Binnenmarkt den Wettbewerb im Reisegeschäft so verschärfen, daß die DV neue Aufgaben erfüllen muß: nicht nur jeden verfügbaren Platz in Flugzeugen und Hotels verkaufen zu helfen, sondern dies auch mit Hilfe flexibler Flugpreise.

Amerikanische Erfahrungen lehren, daß Airlines, deren Tarife nicht künstlich hochgehalten werden, bald mehr an den Buchungsgebühren verdienen als am Fluggeschäft. Die Amadeus-Manager geben sich zuversichtlich, trotz Investitionen in Höhe von 270 Millionen Dollar schon nach vier Jahren den Breakeven zu erreichen. Auch Galileo rechnet mit einer raschen Amortisation der 120 Millionen Dollar, die die Partner in das System stecken.

Der eigentliche Gewinner aber heißt IBM. Nicht nur, weil künftig durch die Bank alle Reisevertriebsnetze weltweit mit IBM-Technik betrieben werden und Mitbewerber wie Unisys gerade noch in der Peripherie geduldet werden. Sondern auch, weil Big Blue es erreicht hat, daß sämtliche "Travel Distribution Services" sich auf PS/2 und OS/2 als Standard für die Reisebüros festgelegt haben. Traditionell in diesem Markt starke Anbieter-Telex/Memorex in den USA, Siemens in der Bundesrepublik-sind nun im Zugzwang.