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Bitterer Abschied: Die letzten Tage von Siemens-Chef Kleinfeld

25.06.2007
Die Tage von Klaus Kleinfeld als Siemens-Chef sind gezählt. Nach nur zweieinhalb Jahren an der Spitze von Deutschlands größtem Elektrokonzern muss der 49-Jährige in dieser Woche seinen Schreibtisch räumen.

Ab 1. Juli soll der Österreicher Peter Löscher die weitere Aufklärung des Schmiergeldskandals vorantreiben und das Traditionsunternehmen in ruhigeres Fahrwasser bringen. Auch wenn Kleinfeld sagt: "Wo sich eine Tür schließt, öffnen sich zehn neue" und sich auf die Zeit mit Familie und Hobbys freut, ist es ein bitterer Abschied. Denn nach 20 Jahren als Mitglied der Siemens- Familie muss Kleinfeld gehen, ohne so recht zu wissen, wie es trotz erfolgreich laufender Geschäfte im Strudel des Schmiergeldskandals dazu gekommen ist. Branchenkenner rechnen damit, dass Kleinfeld schnell einen neuen Job finden wird.

Die Börse stellt Kleinfeld ein gutes Zeugnis aus. "Er ist die Restrukturierung schnell angegangen und hat unter dem Strich viel für die Aktionäre getan", sagt Siemens-Spezialist Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck. Bei Kleinfelds Amtsantritt dümpelte der Aktienkurs bei gut 62 Euro. Derzeit liegt er bei rund 105 Euro - so hoch wie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr. Mit Hilfe eines radikalen Konzernumbaus gelang Kleinfeld das Kunststück, dass zuletzt alle Sparten schwarze Zahlen schrieben und erstmals gleichzeitig die ehrgeizigen Renditevorgaben erfüllten. "Unter seiner Führung ist die strategische Neuausrichtung des Unternehmens in zentralen Feldern gelungen", erklärte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme zu Kleinfelds Abschied.

Angesichts der Erfolge versteht Kleinfeld nach Angaben aus seinem Umfeld bis heute nicht, warum er gehen muss. Zwar räumt der Vorstandschef offiziell seinen Stuhl auf eigenen Wunsch. Er stehe für eine Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung, teilte er Ende April dem Aufsichtsrat mit. Allerdings zog er damit nur die Konsequenz aus dem Widerstand in dem Kontrollgremium. Cromme hatte bereits bei Linde-Chef Wolfgang Reitzle als möglichem Nachfolger vorgefühlt. Über die Hintergründe wurde viel spekuliert. Siemens habe ein klares Signal an die mächtige US-Börsenaufsicht SEC senden wollen, dass man es ernst meine mit dem Neuanfang, lautete eine Interpretation. Kleinfeld hatte stets betont, dass er die Aufklärung des Schmiergeldskandals energisch betrieben und sich selbst nichts vorzuwerfen habe. Andere Beobachter vermuteten, der Aufsichtsrat sei verstimmt gewesen, weil Kleinfeld zuviel Druck für eine Vertragsverlängerung gemacht habe.

Der Abschied fällt Kleinfeld nicht leicht. Er bedauere, das "Unternehmen zu verlassen, das so ein wichtiger Teil meines Lebens in den letzten 20 Jahren war", sagte er. Vor dem Sprung an die Spitze hatte er unter anderem mitgeholfen, die Medizintechnik profitabel zu machen und das US-Geschäft auf Vordermann gebracht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Heinrich von Pierer wurden aber viele im Unternehmen nie ganz warm mit Kleinfeld, der als Prototyp des modernen Managers nach US-Vorbild galt. Der Zusammenbruch der früheren Handysparte BenQ Mobile nur ein Jahr nach dem Verkauf beschädigte sein Image weiter. Kleinfeld betonte dagegen, dass er den Konzern in einem schlechten Zustand übernommen habe. Daher seien schmerzhafte Einschnitte notwendig gewesen.

In der kurzen Zeit als Vorstandsvorsitzender hat Kleinfeld eine aktive Portfolio-Politik betrieben und mehr als ein Dutzend Akquisitionen getätigt. Daher gilt es als gut möglich, dass Kleinfeld nach einer Auszeit bei einer Private-Equity-Gesellschaft anheuert. Schon Ron Sommer, Thomas Middelhoff, Ulrich Schumacher und andere Manager hatten ähnliches nach ihrem Abschied bei großen deutschen Konzernen gemacht.

Zwar will Kleinfeld gerne operativ bei einem Unternehmen tätig sein. Auch bei einer Beteiligungsgesellschaft könnte er aber nicht nur die Deals einfädeln, sondern danach auch als Sanierer im Hintergrund helfen. Lange jedenfalls wird die Auszeit wohl nicht dauern. In den vergangenen Wochen klingelten immer wieder Interessenten bei dem scheidenden Siemens-Chef an. Eine Entscheidung für einen neuen Job sei aber noch nicht gefallen, sagte er der "Bild"-Zeitung: "Diese Angebote werde ich mir sehr genau ansehen und mich auch mit meiner Familie darüber intensiv besprechen." (dpa/tc)