Cash Management

Bitcoins allenfalls Marketing-Gag

11.02.2014
Von 
Dirk Elsner war mehrere Jahre Bereichsleiter einer Bank und Geschäftsführer einer mittelständischen Unternehmensgruppe. Heute berät er für die Innovecs GmbH Banken und mittelständische Unternehmen. Daneben betreibt er privat das preisgekrönte Finanzblog Blick Log.
Ein mittelständischer Finanzleiter wollte wissen, ob er Bitcoin als Bezahlverfahren anbieten soll. Dirk Elsner riet ihm davon ab: Das Risiko ist derzeit schlicht zu hoch.

Kürzlich fragte mich der Finanzleiter eines mittelständischen Unternehmens, das viel im Online-Handel aktiv ist, ob man nun auch die "virtuelle Währung" Bitcoins als Bezahlverfahren anbieten müsse. Meine deutliche Empfehlung: Das Verfahren eignet sich derzeit allenfalls als Marketing-Gag, in keinem Fall für die Bezahlung von Produkten mit geringen Margen und hohen Bezahlsummen. Dafür ist das Risiko derzeit viel zu hoch. Aber der Reihe nach. Zahlungsmittel dienen im Geschäftsverkehr einem Schuldner dazu, seine aus einem Vertrag resultierende Verbindlichkeit rechtswirksam zu begleichen.

In Deutschland ist dazu prinzipiell Bargeld geeignet. Vertragspartner einigen sich aber heute meist auf bargeldlose Verfahren, bei denen der Schuldner eine Forderung gegen seine Bank umbuchen lässt auf das Konto seines Gläubigers. In den letzten Jahren wurden die Bezahlverfahren durch vielfältige Varianten angereichert, bei denen sich Dienstleister wie Kreditkartengesellschaften, Payment-Plattformen wie PayPal und viele weitere Dienstleister in den Zahlungsverkehr zwischen die Bank des Gläubiger und der Bank des Schuldners gedrängt haben, um die Bezahlvorgänge zu vereinfachen und die Risiken aus Geschäftstransaktionen zu minimieren. Das Risikomanagement von Bezahlvorgängen spielt insbesondere im Online-Handel eine besondere Rolle.

Der Verkäufer (Gläubiger) will sicherstellen, dass er tatsächlich sein Geld erhält, der Käufer (Schuldner) möchte nicht gern im Voraus bezahlen, ohne die Ware gesehen zu haben. Alle Zahlverfahren haben letztlich Vor- und Nachteile für Verkäufer und Käufer. Das gilt insbesondere für die Online-Bezahlverfahren - siehe Internet World Business. Für die Händler sind außerdem die Transaktionskosten wichtig für die Kalkulation, dazu gehören auch die Risikokosten.

Auch Bitcoin lebt vom Vertrauen

Kommen wir nun zu Bitcoins, den virtuellen Verrechnungseinheiten, die über Computernetzwerke geschöpft, verwaltet und gesichert werden. Bitcoins, so lesen wir etwa bei Wikipedia, “können elektronisch beliebig zwischen den Teilnehmern überwiesen werden. Ihr Besitz wird durch den Besitz kryptographischer Schlüssel nachgewiesen. Jede Transaktion von Geldeinheiten wird mit einer digitalen Signatur versehen und in einer öffentlichen, vom gesamten Netzwerk betriebenen Datenbank aufgezeichnet. Die Geldeinheiten können an Online-Börsen gegen andere Währungen getauscht werden.” Das Konzept basiert auf dem Working Paper mit dem Titel Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, das Satoshi Nakamoto am 1. November 2008 über eine Mailingliste veröffentlichte - siehe Mail Archive.

Einige halten Bitcoin bekanntlich für das neue Gold, andere halten es für einen großen Witz. Aber längst setzt sich die seriöse Presse ernsthaft mit der Kunstwährung auseinander, wobei das allein kein Qualitätsnachweis ist. When will the people who called Bitcoin a bubble admit they were wrong? fragte Timothy B. Lee auf der Website der Washington Post.

Und sogar die FAZ hält Bitcoins – für mich überraschend – für eine mögliche Alternative - wobei die Fragen offen bleibt: Alternative für was? Laut Christoph Sorge von der Universität Paderborn ist Bitcoin kein elektronisches Geld (sogenanntes E-Geld) im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes. Dies würde nach § 1a eine Forderung gegenüber einem Emittenten erfordern - siehe auch Präsentation für die Bundesbank. Dies ist bei Bitcoins nicht der Fall. Bitcoin lebt wie jedes andere Zahlungsmittel vom Vertrauen, dass dies auch nach Erhalt für die Begleichung von Schulden eingesetzt werden kann.

In der Wirtschaftspraxis spricht juristisch derzeit überhaupt nichts dagegen, dass Forderungen statt in Euro, Dollar oder Yen durch eine Bitcoin-Transaktion beglichen werden, wenn sich beide Seiten darauf verständigen. Insbesondere für internationale Zahlungen kann das vorteilhaft sein, zumal die reinen Transaktionsgebühren für Zahlungen mittels Bitcoins verschwindend gering sind.

Kursdifferenzen von 16 Prozent

Bis hierhin deckt sich meine Auffassung noch mit denen der Anhänger der Netzwährung. Was die Bitcoin-Vertreter aber meist vernachlässigen sind die gesamten Transaktionskosten, die ein Händler berücksichtigen muss, wenn er eine solche Zahlungsform anbietet. Wer nun Bitcoin als Zahlungsform akzeptiert, der muss sich deutlich machen, welche Transaktionskosten erhöhenden Risiken für einen Händler damit verbunden sind, der sonst in Euro fakturiert und bilanziert. Aus meiner Sicht erschweren insbesondere die deutlichen Preisschwankungen der Bitcoins die Kalkulation für Händler. Zeichnet ein Händler seine Preise neben seiner Hauswährung Euro auch in Bitcoin aus, dann müsste er dauernd die Preise in Echtzeit anpassen.

Dafür muss sein Shop-System entsprechend ausgelegt sein. Dabei stellt sich schnell die Frage, an welchen Umtauschpreis sich der Händler orientieren sollte. Die Site bitconity.org verzeichnet 5 verschiedene Handelsplätze, von denen Mt.Gox der bekannteste ist. Daneben bietet der ostwestfälsiche Bitcoin-Marktplatz bitcoin.de Tauschmöglichkeiten, allerdings nur für geringe Volumina. Leider unterscheiden sich die Preise der Plattformen erheblich voneinander. Am 30. November 2013 um 18:15 Uhr notierte Mt.Gox 873,90 Euro, BTC 820,40 Euro, Kraken 860,00 Euro, localbitcoins 951,68 Euro, bitcurex 840,00 Euro und bitcoin.de 828,81 Euro. Zwischen dem niedrigsten und höchsten Kurs lagen allein 16 Prozent. Händler orientieren sich im Zweifel am ehesten an Mt.Gox. Die in Japan sitzende Handelsplattform berechnet freilich eine Umtauschgebühr von 0,6 Prozent.

10 Minuten - eine Ewigkeit

Sollte die sich ständig variierende Preisänderung allein aus technischen Gründen verbieten, könnte der Händler erst beim Bezahlen selbst den Preis in Bitcoin umrechnen und zwar zu dem dann gültigen Kurs. Spätestens ab diesem Zeitpunkt beginnt nun aber die Risikouhr zu ticken. Zwischen Geschäftsabschluss, Beginn und Ende der Zahlungstransaktion liegt nämlich ein unbekannter Zeitraum, der bei den derzeitigen Preisschwankungen für einen Händler schneller teuer werden kann. Der Händler schließt im Idealfall bei Geschäftsabschluss ein Gegengeschäft ab. Es wäre reiner Zufall, wenn dies genau zu dem Kurs möglich wäre, den er genannt hat. Dazu muss der Bitcoin-Betrag in einer Wallet des jeweiligen Marktplatzes hinterlegt sein. Der Händler verfügt aber selbst noch nicht über das Geld.

Die Zeitangaben für die Transaktion schwanken und sollen um die 10 Minuten betragen. Das ist zwar im Vergleich zu traditionellen Überweisungs- und Lastschriftverfahren nahezu Lichtgeschwindigkeit, im Zeitalter großer Marktschwankungen aber eine Ewigkeit. Der Händler müsste nämlich in diesem Fall 10 Minuten bis zum Eingang der Bitcoins warten und 10 weitere Minuten kalkulieren bis zum Transfer an den Handelsplatz. Dazu muss er Zeit für das manuelle Handling beim Kunden und gegebenenfalls bei sich rechnen.

Der Zeitraum von vielleicht 30 Minuten ist aber eher ein Idealszenario und setzt voraus, dass es keine technischen Störungen gibt. Muss sich der Kunde zunächst selbst Bitcoins am Markt besorgen, kann ein deutlich längerer Zeitraum vergehen. Noch nicht berücksichtigt ist außerdem, dass der Händler ein zusätzliches Kreditrisiko gegenüber dem Bitcoin-Handelsplatz eingeht. Bei geringen Beträgen beziehungsweise Produkten mit großen Margen kann man solche Risiken vielleicht aus Marketinggrünen erwägen, nicht aber, wenn die Zahlungsbeträge groß und die Margen eng sind.

Erst recht verbietet sich die heutige Vereinbarung eines Festpreises in Bitcoin, wenn die Zahlung zu dem heute festgelegten Preis erst in einigen Tagen oder gar Wochen erfolgen soll. Bitcoin ist ein sehr spannendes Experiment. Für den kommerziellen Geschäftsverkehr erschweren aber zu viele Risiken und vor allem die Preisschwankungen die Kalkulation. Ein großer Mangel ist daneben die deflationäre Tendenz durch die technische Begrenzung auf 21 Millionen “schöpfbare” Bitcoins. Die Geldmenge wächst also nicht mit dem Warenvolumen. Damit ist es attraktiver Bitcoins zu horten, statt auszugeben. (mhr)