Bioinformatiker: Genomische Projekte erfordern biologisches und IT-Wissen

19.06.2002
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Die Absolventen sieht er in kleinen Bioinformatikfirmen, bei Großforschungseinrichtungen oder an den Universitäten für die Forschung in Molekularbiologie ihren Weg machen. Giegerich: "Es geht darum, neue Medikamente oder Pflanzenschutzmittel zu entwickeln. Bioinformatiker werden beispielsweise Genome miteinander vergleichen, um herauszufinden, warum die eine Art der Pflanze anfälliger gegen Viren ist als die andere Art der Pflanze."

Karsten Quast gehört zu den Absolventen des Studiengangs Naturwissenschaftliche Informatik an der Universität Bielefeld. Heute arbeitet der 34-Jährige beim Pharmariesen Boehringer Ingelheim. Am Standort in Biberach gehört er zur Genomics-Gruppe, die sich mit der Analyse von Genomen beschäftigt. Quast und seine Kollegen arbeiten dabei mit den biologischen Forschungsabteilungen bei Boehringer Ingelheim zusammen.

Der Wissenschaftler denkt gern an sein Bioinformatik-Studium in Bielefeld zurück: "Die Universität hat eindeutig eine Vorreiterrolle gespielt und bildet hervorragend aus." Dass frisch von der Uni kommende Bioinformatiker heute gute Chancen haben, davon ist Quast überzeugt. Nicht mehr so gut wird die Situation seiner Meinung nach indes in einigen Jahren aussehen: "Da jetzt sehr viele Hochschulen auf den Zug aufspringen und Bioinformatik-Studiengänge anbieten, wird die Konkurrenz unter den Absolventen wesentlich größer sein."

In seinem Job befasst sich Quast vorrangig damit, die Funktionsweise menschlicher Zellen zu erforschen: "Aufgabe der Bioinformatiker ist es, unter anderem mit Hilfe des Computers die Funktion verschiedener Bauteile dieser Zellen zu ermitteln." Diese Informationen würden in die Entwicklung neuer Medikamente einfließen. "Da Bioinformatiker sowohl Biologie- als auch Informatik-Wissen mitbringen, fällt es ihnen im Vergleich zu Biologen oder Informatikern leichter, interdisziplinäre Konzepte zu entwickeln", stellt Quast den Vorteil des Doppelprofils heraus.

Junge Leute, die sich für eine Tätigkeit in der Bioinformatik interessieren, sollten seiner Meinung nach neugierig sein, aber auch akzeptieren, dass ihr Job sich hauptsächlich vor dem Rechner abspielt. Quast jedenfalls findet seine Tätigkeit extrem dynamisch und spannend: "Bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms werden ständig Fortschritte gemacht. Deshalb sehen wir uns hier als eine Art Speerspitze der Wissenschaft."

Nicht nur Hochschulen richten Bioinformatik-Studiengänge ein, auch die freien Bildungsträger wittern ihre Chance. So bietet das Fraunhofer-Institut mit zwei Schulungspartnern Umsteigern und Quereinsteigern, die ihr Berufsglück in der Biobranche suchen, das hierfür nötige Rüstzeug. Angesprochen sind Hochschulabsolventen mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung, insbesondere Biologen, Pharmazeuten und Mediziner. Die einjährige Ausbildung des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE), der Educators GmbH sowie der SWA Software-Akademie schließt mit dem Titel "Applikationsentwickler Bioinformatik" ab.

Manfred Eberle, der die Software-Akademie leitet: "In der Ausbildung geht es um die Schnittstelle zwischen Life Sciences und IT. Bei uns erhalten die Absolventen den informationstechnischen Hintergrund." Die Weiterbildung zielt laut Veranstalter auf eine wachsende Versorgungslücke, die durch den zunehmenden Einsatz computergestützter Verfahren in der Biotechnologie und Medizin bedingt ist. In Unternehmen wie Forschungsinstitutionen würden IT-Spezialisten für die Analyse und das Management großer molekularbiologischer Datenmengen dringend gesucht: "Die ersten Absolventen haben die Prüfung erfolgreich bestanden und befinden sich jetzt für drei Monate im Praktikum."

Geld für Forschung

Die Förderung von Bioinformatikprojekten hat sich die Klaus-Tschira-Stiftung aufs Panier geschrieben. Klaus Tschira, der in den frühen 70er Jahren SAP mitgegründet hat, erklärt: "Wir erwarten, dass die Biowissenschaften und die Biotechnologie für das 21. Jahrhundert eine ähnliche Rolle als Wachstumsmotor spielen wird wie die Physik und die Informations- und Kommunikationstechnologien für das 20. Jahrhundert."