BMW bevorzugt ganzheitliche Vorgehensweise bei IV-Großprojekten

Bildungs-Management soll Hilfe zur Selbsthilfe leisten

28.02.1992

*Christel Ziegler-Pirthauer arbeitet als Journalistin in München.

Mit bedarfsgerechter Weiterbildung und "Just-in-time-Qualifikation" halten Unternehmen den Bildungslevel ihrer Mitarbeiter auf dem neuesten Stand. Ein Gesamtkonzept und eine zentrale Anlaufstelle, die alle Bildungsaktivitäten koordiniert, bilden die Grundlage für erfolgreiches Bildungs-Management. Wie dies in IV-Großprojekten konkret gestaltet wird, zeigt Christel Ziegler-Pirthauer* am Beispiel der BMW AG.

Qualifizierung in Form von Standardseminaren kommt meistens zu spät. Hinter dieser provozierenden These steckt die nüchterne Erkenntnis, daß die informationsverarbeitende Industrie in Deutschland alljährlich Millionenbeträge aus den Bildungsetats in den Sand setzt. Wenn das Wissen der Mitarbeiter wegen zu geringer Lerngeschwindigkeit ständig herhinkt technischen Neuerungen hinterherhinkt, ist die Basis des Unternehmens auf die Dauer gefährdet.

"Bildungs-Management heißt bei uns: Aufgrund eines Ist-Profils gilt es, eine Person, eine Gruppe, ein Projekt oder eine Organisation innerhalb einer gewissen Zeit auf eine Soll-Anforderung zu bringen. Alles, was zwischen diesen beiden Zuständen passiert, gehört dazu", sagt Max Neumeier, Leiter der Abteilung Technik-Training bei der BMW AG in München.

Neumeier koordiniert Bildungsaktivitäten in Zusammenhang mit der Abwicklung von Projekten der Informationsverarbeitung (IV). "Es geht dabei nicht nur um Seminare", betont der BMW-Manager mit Nachdruck.

Das Ziel seiner Tätigkeit sieht Neumeier darin, Qualifizierung so zu organisieren, daß die Mitarbeiter zur rechten Zeit über "projektbezogenes" oder "anwendungsgerechtes" Know-how verfügen. Das Konzept "Hilfe zur Selbsthilfe" ist Neumeiers Antwort auf die Anforderungen an ein strategisches Bildungs-Management.

Dieses Konzept deckt sich auch mit einem wichtigen Grundsatz der BMW-Firmenphilosophie. "Hilfe zur Selbsthilfe", so der Münchner Bildungs-Manager weiter, "ist ein generelles Ziel. Wir wollen alle Führungskräfte befähigen, in Bildungsangelegenheiten selbst gestaltend aktiv zu werden."

Die bayerische Automobilhersteller führt derzeit etwa 300 Projekte unterschiedlicher Größenordnung im Bereich der Informationsverarbeitung durch. Der finanzielle Aufwand der Projekte liegt zwischen wenigen tausend Mark und 600 000 Mark. Fünf bis zehn von den

großen Projekten, so seine Erfahrung, bedürfen der professionellen Unterstützung durch das Bildungswesen.

Diese "qualifizierten Projekte" dauern im Normalfall länger als zwei oder drei Jahre, umfassen mehr als 20 Mitarbeiter und bewegen sich nicht selten in einem sechsstelligen Budgetrahmen. Projekte mit entsprechend geringerem Volumen und einer nicht kritischen Zeitleiste werden von den Fachabteilungen selbst geplant und koordiniert. Neumeiers Gruppe leistet dabei nur auf Anforderung Hilfestellung.

"Wenn heute ein IV-Projekt der entsprechenden Größenordnung gestartet wird", so Neumeier, "sind wir dabei. Ungefähr ein halbes Jahr vor dem Starttermin werden wir informiert." Der Münchner weiß die Vorteile dieser Vorlaufzeiten zu schätzen. Nur wenn die Abteilungen solche Fristen auch einhalten, kann er eine optimale Bildungsplanung garantieren. Früher, räumt er ein, hätte es häufig Verfahrensbrüche und kaum "Just-in-time-Qualifikation" gegeben, wenn das Bildungsteam zu spät einbezogen wurde.

Daß sich bei BMW die ganzheitliche Vorgehensweise des Bildungs-Managements bei IV-Großprojekten inzwischen etabliert hat, beweise die Tatsache, daß das für den Projektstart verantwortliche Entscheidungsgremium bereits im Anfangsstadium die notwendigen Qualifikationsressourcen hinterfragt.

Den individuellen Bildungsbedarf klärt der Fachvorgesetzte mit jedem einzelnen Mitarbeiter. Wenn diese Gespräche zu einem Ergebnis geführt haben, wird die Abteilung Bildungswesen eingeschaltet. Immer wieder kommen Vorgesetzter und Mitarbeiter in fachbezogenen Fragen inhaltlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner. "Dann müssen wir gezielt nachfragen, denn wir sind nicht die Experten für das jeweilige Projekt", sagt Neumeier.

Um den Bildungsbedarf exakt zu ermitteln, sei nämlich eine spezielle Fragetechnik nötig, die sich viele Fachvorgesetzte erst erarbeiten müßten. Dabei könne ihnen die Bildungsabteilung unter die Arme greifen. Neben Didaktik und Training sieht der BMW-Manager die wichtigsten Aspekte seines Aufgabenspektrums in der Vermittlung von Sozialkompetenz und in der Beratung.

Mit welcher Methode ein Bildungsproblem am effektivsten gelöst werden kann, hängt wesentlich von der jeweiligen Situation ab. Beispiel: Ein Mitarbeiter benötigt für ein Projekt einen MVS-Kurs. Bevor ein Seminar gebucht wird, prüft das Bildungsteam kostengünstigere Alternativen.

Arbeitet bereits ein MVS-Profi in der Gruppe mit, der nach dem Multiplikatorenmodell Hilfe zur Selbsthilfe leisten könnte? Oder existiert vielleicht schon ein Lernprogramm zum Thema MVS? Der Vorschlag zur Lösung des Problems muß nicht nur inhaltliche Kriterien abdecken, sondern auch wirtschaftlich vertretbar sein, denn "der Bedarf an Bildungsmaßnahmen", das weiß Neumeier aus Erfahrung, "ist in der Regel größer als der finanzielle Spielraum".

Das Bildungs-Management in IV-Großprojekten kann auf einen Pool zurückgreifen, der im wesentlichen die folgenden acht Methoden bereitstellt:

- Impulsvortrag,

- Vortrag oder Vorlesung,

- Schulung,

-Training,

- Gruppencoaching beziehungsweise Einzelberatung

- Workshop

- reflexives Lernen sowie

- Selbstlernen mit verschiedenen Medien (CBT, Bücher etc.)

Evaluiert wird nach den Regeln, die das Entscheidungsgremium bereits vor Projektstart in einem Kontrakt festgeschrieben hat. Das Bildungs-Management in IV-Großprojekten läuft laut Neumeier sehr gut.

Auch der Einsatz von internen oder externen Bildungsberatern, die eine Projektgruppe als Supervisor begleiten, hat sich seiner Ansicht nach bewährt.