"Bildschirm" darf nicht Aversionsvokabel werden:Horror tubi nach dem bekannten Hysterie- Schema

20.06.1980

Wer Argumente mit Gegenargumenten zu entkräften versucht, ist ein schlechter Gesprächspartner. Von Kommunikation hat er keine Ahnung oder aber er weiß, daß man so eln aggressives Klima des Nichtverstehens schaffen kann, möglicherwelse Unsicherheit beim Gegner, denn von Partner kann dann von seiner Seite aus fairerweise nicht mehr die Rede sein.

In diesem aggressivn Klima vollzieht sich die Diskussion um "den Blidschirm". Verstehen scheint in vielen Fällen nicht mehr erwünscht, weil sich hier vermeintilch trefflich fechten läßt: Spiegelfechterei im Vorfeld "gesellschaftlicher Machtkämpfe" (vergleiche Gastkommentar Seite 6).

Mit leichter Hand und spitzer Feder spielt Heinzgünther Klaus von der Honeywell-Bull, AG, Köln, in diesem Kampfspiel mit. Ein wenig Polemik wird doch wohl noch erlaubt sein, wo sonst soviel verbiesterte "Wissenschaftlichkeit" auf's Tapet gezerrt wird. bi

Ich bin persönlich der Ansicht, daß man die Reserviertheit vieler Berufstätiger beim plötzlichen Erscheinen eines Bildschirmes am Arbeitsplatz, zu einer Art horror tubi, Röhrenangst also, hochstilisiert hat und zwar nach einem bekannten Hysterieschema, das zumindest so alt ist wie die Erfindung der Managerkrankheit.

Jeder kennt dieses Syndrom des Herbeiredens von Beschwerden: Da sitzt jemand 28 Jahre zufrieden auf einem vierstrahligen Bürosessel, bis ihn spontan ein heftiger Bandscheibenschmerz durchzuckt, in dem Augenblick nämlich, als er erfährt, daß die Gewerbeaufsicht oder das Gesundheitsamt ab dem nächsten Ersten nur noch fünfstrahlige Sessel zulassen wird. Ähnlich mit dem computergekoppelten Bildschirm: Leute, die gestern noch Ergonomie für einen indischen Seiltrick oder ein japanisches Liebesspiel hielten, lassen sich heute gäubigen Herzens einreden, das Quadrat der Distanz zwischen Ellbogen und Mittelfinger müsse dem Spannugsabfall in der Bildröhre entsprechen, um die zeitgemäße Humanisierung des Arbeitsplatzes zu garantieren. Im Ernst: Wer gegen die menschIiche Isolierheit am augenschädigenden Sichtschirm protestiert, wer höchstens zehn Minuten lang bis zur nächsten Erschöpfungspause dem Text- und- Zahlenspiel auf der Mattscheibe folgen kann, der sollte sich die Frage vorlegen, wieso es ihm oder ihr nichts ausmacht, täglich nach Feierabend stundenlang kommunikationslos in den Fernseher zu blicken, ohne daß sich ein Bindehäutchen rötet oder ein ergonomisch geschützter Sehnerv neuralisch fiebert.

Der Bildschirm darf nicht zur neuen Aversionsvokabel werden, wie wir das mit dem Reizwort vom Jobkiller erlebt haben. Ich halte es für eine unzulässige Vereinfachung, das verständliche Unbehagen vor der Rationalisierung mit arbeitsmedizinischen Alibis zu untermauern. Was hier stattfindet, ist nichts anderes als ein vordergründiges Geplänkel gegen den elektronischen Hintergrund der Computersysteme, gegen den Fortschritt in der Automatisierung aus administrativer und dispositiver Funktion. Auf drei Punkte soll in diesem Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen werden.

1) Die Notwendigkeit im Bereich der wirtschaftlichen Verwaltung höhere Produktionsstufen zu erreichen, wird durch eine mehr oder weniger bewußte Protestattitüde nicht außer Kraft gesetzt, sondern höchstens verschärft. Hier sind im emotionsfreien Raum Anpassungsprozesse zu vollziehen, die permanente Aussöhnung mit der neuen Hardware ist möglich. Anderenfalls hätte die Menschheit die Einführung des mechanischen Webstuhls kaum überstanden.

2) Selbstverständlich muß vorausgesetzt werden, daß die neuen Arbeitsmittel in jedem Fall gesundheitlich unbedenklich sind. Konkret heißt das, daß der Bildschirm nicht mehr sondern eher weniger Streßbelastung generiert, als der Umgang mit konvertionellen Informationsmedien. Die EDV-Hersteller haben diese Forderung generell im Griff und wo nicht, werden sie angesichts der herrschenden Totalkonkurrenz kompatibler Terminals kaum zum Zuge kommen.

3) Für jeden Disponenten, der den elektronischen Innovationen am Arbeitsplatz kritisch gegenübersteht gibt es zehn, die sofort ihren Betriebsrat mobilisieren würden, wenn man ihnen den praktischen Bildschirm wieder wegnehmen wollte. Ich glaube, auch diese Seite der Medaille muß man ganz klar sehen, wenn man sich auf eine Diskussion über Humanisierung von Büroarbeitsplätzen einläßt.