Deutsch-amerikanisches Gemeinschaftsunternehmen macht Bauchlandung

BiiN am Ende: Siemens und Intel trennen sich von Rechnertochter

13.10.1989

MÜNCHEN - Nach nur 15 Monaten ist BiiN (sprich: Bein) am Ende. Die gemeinsame Computer-Tochter von Siemens und Intel wird verkauft. Sollte sich nicht innerhalb der nächsten Wochen ein Käufer finden, muß das einst mit so großen Erwartungen gestartete Unternehmen liquidiert werden.

Die Außenaktivitäten des Unternehmens werden sofort gestoppt: Neue Aufträge werden nicht mehr angenommen, die SYSTEMS-Teilnahme wurde abgesagt, bestellte Anzeigen wurden storniert. "Der Zeitrahmen", in dem sich das weitere Schicksal entscheidet, "wird eher im Wochen- als im Monate-Bereich liegen", vermutet BiiN-Sprecher Konrad Mayer. Genaueres weiß er selbst noch nicht.

Intel jedenfalls will so schnell wie möglich aus der Sache raus und meldete bereits eine Abschreibung in Höhe von 35 Millionen Dollar auf das BiiN-Projekt für das soeben abgelaufende Quartal. Siemens will sich noch nicht festlegen. Firmensprecher Eberhard Posner hält sogar die Fortführung des Unternehmens mit einem anderen Partner für möglich. Voraussetzung sei allerdings, daß es gelingt, eine gesunde wirtschaftliche Basis zu finden.

Bislang haben Siemens und Intel unbestätigten Meldungen zufolge über 100 Millionen Dollar in das Joint-venture investiert, das Intels Einstieg in das Geschäft mit größeren Rechnern und für Siemens das Entree in dem US-Computermarkt hätte sein sollen.

Insgesamt 370 der 450 BiiN-Mitarbeiter - der größte Teil kam von den Firmenmüttern - waren im amerikanischen Hauptquartier in Hillsboro, Oregon, beschäftigt. Dort fand auch der größte Teil der Entwicklung statt. Die restlichen 80 in Nürnberg sollten sich um den europäischen Markt kümmern und für Produkt-Anpassungen sorgen.

Nur knapp fünfzehn Monate haben die beiden, die mit eigenen Computern das rechte Händchen noch nie so hatten, ihr gemeinsames Abenteuer durchgestanden. Man habe die Marktlage im Juni 1988 falsch eingeschätzt, räumt Intel-Pressesprecherin Pam Pollace ein. Die kürzlich von BiiN-Präsident Joseph Kroger (früher Chef von Sperry) vorgelegten Planzahlen jedenfalls hätten gezeigt, daß der Punkt für ein Return-on-Investment wesentlich weiter entfernt sei, als ursprünglich angenommen. Das habe sich nicht vermeiden lassen, verteidigt Pollace die verhängnisvolle deutsch-amerikanische Affäre: "Jede neue Unternehmung ist ein Risiko, und man weiß nicht, wie die Marktverhältnisse sind, solange man in diesem Markt nicht aktiv ist." Die Technik sei gut und vernünftig, so Pollace weiter, passe aber wohl am besten in ein Unternehmen, das über die nötige Infrastruktur für den Support bereits verfügt.

Bis jetzt konnten bei sechs Kunden insgesamt etwas mehr als 60 Maschinen installiert werden, die meisten allerdings, wie ein amerikanischer Sprecher sagte, noch nicht bezahlt. Etwa 80 Prozent davon stehen in der Bundesrepublik. Damit wurde, laut Mayer, das Umsatzziel des ersten Jahres um 30 bis 40 Prozent verfehlt.

Höhere Kosten als anfangs erwartet

Zusammen mit den Summen, die, neben den laufenden Entwicklungsausgaben, der Aufbau des Vertriebs- und Servicenetzes verschlungen hätte, ergaben sich so wesentlich höhere Kosten, als man in der Anfangseuphorie gedacht hatte - und das über einen erheblich längeren Zeitraum als geplant..

Die von Intel und Siemens seit 1982 gemeinsam entwickelten "Mission-Critical"-Computer, die BiiN heuer auf den Markt gebracht hatte, basieren auf Intels 80960-XA-Prozessor, der auch in den Rechnern der SX-Serie von Siemens enthalten ist. Die Grundidee war, Fehlertoleranz bereits in die Hardware zu integrieren.

Der Markt für fehlertolerante Systeme sei durchaus vorhanden und auch expandierend, meint Alwin Schumacher, Geschäftsführer des BiiN-Konkurrenten Stratus, allerdings sei er nicht einfach. Das Anforderungsprofil sei sehr hoch, und die Preise seien relativ niedrig.

Ähnlich sieht das Fritz Jörn von Tandem: "Ein Produkt mit einem technisch interessanten Konzept zu haben, ist eine Sache. Ob sich das dann durchsetzt und wirtschaftlich auch rechnet, ist eine ganz andere Frage, und da haben ja schon viele aufgegeben."

Probleme gab es auch bei BiiN selbst. Die bislang ausgelieferten Rechner waren noch nicht fehlertolerant. Sie dahin zu bringen, daran wurde noch gearbeitet.

Mit Unix wäre die Sache anders verlaufen

Daß Fertigstellungstermine, wie Mayer zugibt, nicht gehalten werden konnten, wundert Schumacher ("wenn man das Pferd so aufzäumt") nicht: "Man kann viel eher eine fehlertolerante Maschine abspecken, als daß man es umgekehrt macht, weil man für die Fehlertoleranz natürlich das ganze Betriebssystem entsprechend auslegen muß."

BiiNs proprietäres Betriebssystem war offenbar ein weiteres Problem. "DV-Leute sind nicht sehr risikofreudig", meint Jeff Houdret von BiiN in USA. "Nicht viele setzen für eine neue Technik ihren Job aufs Spiel". Daß mit einem anderen Betriebssystem, etwa Unix, die Sache vielleicht anders gelaufen wäre, vermutet auch Mayer. So sei es sicher ein entscheidender Vorteil für den schärfsten Konkurrenten Stratus gewesen, "daß sie früher dran waren, mehr unter Unix zu bieten".

Was mit den vorhandenen Installationen geschieht, ist vorerst noch unklar. "Wenn sich kein Käufer findet, der in die Verpflichtungen einsteigt, werden wir wohl alle Maschinen zurücknehmen müssen", meint Mayer. "Dann werden wir mit den Kunden über die Kosten sprechen müssen, die entstanden sind. Da führt kein Weg dran vorbei. Die resultierenden Verluste übernehmen dann Siemens und Intel."

Absehbarer ist die Zukunft der Mitarbeiter. Falls die Firma liquidiert oder vom Käufer nicht in der bestehenden Form weitergeführt wird, werden sie voraussichtlich zu ihren Mutterfirmen zurückkehren.