Recruiting

Big Data kann Personaler nicht ersetzen

12.05.2016
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Personalentscheidungen wird auch in Zukunft der Mensch treffen, davon ist Michael Lazik, Director Strategic Account EMEA bei Cornerstone OnDemand, im CW-Gespräch überzeugt. Big Data - richtig eingesetzt - kann allerdings eine große Hilfe sein, um zum Beispiel im Recruiting schnell und professionell die Richtigen einzustellen.

CW: Wer ist der bessere Personaler, der Mensch oder die Maschine?

MICHAEL LAZIK: Bei Menschen gibt es gute und weniger gute Personaler - bei Maschinen gar keine! Eine Maschine hat eben nichts Persönliches, aber sie ist nachweislich besser in der Lage, Muster zu erkennen. Dann bleibt es dem Menschen vorbehalten, aus dem Muster eine Ableitung vorzunehmen und eine Entscheidung zu treffen. Es gibt daher keine Diskrepanz - kein entweder oder -, sondern eine Erweiterung der Analysetiefe.

Michael Lazik ist Director Strategic Account EMEA bei Cornerstone OnDemand.
Michael Lazik ist Director Strategic Account EMEA bei Cornerstone OnDemand.
Foto: Cornerstone OnDemand

CW: Wie weit ist die Digitalisierung im Personalwesen fortgeschritten und wo besteht noch Handlungsbedarf?

MICHAEL LAZIK: Wir sehen eine weitgehende Digitalisierung von Prozessen in administrativen Bereichen wie Payroll, Personalverwaltung, aber auch im Recruiting. Über Karriereportale und Stellenbörsen können Firmen digital mit Kandidaten kommunizieren. Bei E-Learning oder Performance Management besteht durchaus Luft nach oben - das gleiche gilt für Vergütung. In strategisch wichtigen Bereichen wie der Nachfolgeplanung wird hingegen noch nach wie vor sehr viel mit Papier gearbeitet. Für Talent-Konferenzen beispielsweise verbringen HR-Mitarbeiter oftmals noch Wochen damit, Daten aus verschiedenen Quellen zusammenzutragen und elektronisch aufzubereiten.

CW: Big Data wird vorgeworfen, Menschen rein auf ihre digitalen Daten zu reduzieren.

MICHAEL LAZIK: Hier gilt es, mit einem Mythos aufzuräumen: Big Data soll unterstützen, nicht ersetzen! HR-Entscheidungen werden auch morgen noch vom Personaler getroffen, allerdings stehen ihm dann viel mehr aufbereitete Daten zur Verfügung, um seine Entscheidungen auf Grundlage dieser Informationen abzuwägen. Die Machine-Learning-Technologie hinter Big Data hilft uns, Muster in dieser Datenflut zu finden. Der Mensch wird damit nicht auf Datenspuren reduziert, vielmehr wird ein wesentlich feineres Bild von ihm gezeichnet.

CW: Wo wird Big Data in der Personalarbeit schon gut genutzt?

MICHAEL LAZIK: Gegenwärtige Einsatzbereiche sind vor allem das Recruiting. Insbesondere wenn es darum geht, größere Mitarbeiterzahlen einzustellen mit einem relativ gleichwertigen, standardisierten Profil wie in Call Centern oder Serviceagenturen. Hier lassen sich mit entsprechenden Selektionsprozessen die Quote erfolgreicher Einstellungen deutlich erhöhen. Dadurch spart man nicht nur Kosten, sondern erhöht auch die Mitarbeiterzufriedenheit. Als Beispiel konnte das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen Xerox die Mitarbeiterfluktuation in allen Call Centern um etwa 20 Prozent reduzieren, nachdem es Datenanalyse im Rahmen der Überprüfung der Bewerbungen einsetzte. Big Data kann auch im Compliance Management weiterhelfen. So können mithilfe entsprechender Tools, Mitarbeitergruppen identifiziert werden, die Gefahr laufen, ihre verpflichtenden Schulungen nicht rechtzeitig abzuschließen. Gleichzeitig erhält ein Personaler mithilfe von Big Data Handlungsempfehlungen, wie sich die Abschlussrate steigern lässt - als simples Beispiel durch das Verschieben des Fälligkeitstermins.

Wenn es im Recruiting darum geht, größere Mitarbeiterzahlen mit einem relativ gleichwertigen Profil einzustellen, wird Big Data bereits genutzt.
Wenn es im Recruiting darum geht, größere Mitarbeiterzahlen mit einem relativ gleichwertigen Profil einzustellen, wird Big Data bereits genutzt.
Foto: Bacho- shutterstock.com

CW: In welchen Feldern wird am Ende aber immer noch menschliche Expertise gefragt sein? Oder braucht es diese vielleicht in ferner Zukunft gar nicht mehr?

MICHAEL LAZIK: Die menschliche Expertise steht sowohl am Anfang als auch am Ende der Prozesskette. Es ist nicht so, als ob automatisch ein Haufen Daten in einen Trichter gekippt wird und unten dann eine Musterlösung herauskommt. Die Art und Weise, wie diese Maschinen Muster erkennen, ist um die menschliche Expertise herum strukturiert.

CW: Wie sind Ihre Erfahrungen bezüglich Big-Data-Einsatz im Personalwesen im europäischen Vergleich, wo steht Deutschland?

MICHAEL LAZIK: In Deutschland haben wir die Angewohnheit, eher auf das Risiko als auf den Nutzen zu schauen. Wir wägen neue Technologien ab und versuchen ihre Anwendung in einen Konsens einzubinden - was durchaus angebracht ist. Die Bestimmungen über den Missbrauch von Daten sind hier durch Betriebsräte oder Datenschutzbeauftragte wesentlich höher. Wichtig ist, klar zu kommunizieren, welche Daten für welche Zwecke eingesetzt werden, um eine höhere Akzeptanz des Themas zu erreichen. Wir nehmen die Datenschutzbedenken unserer Kunden sehr ernst und reagieren darauf, indem wir beispielsweise alle europäischen Daten auf unseren Rechenzentren in Europa speichern. Weiterhin sind wir DIN ISO 27001 konform. Unser Unternehmen zum Beispiel analysiert nur anonymisierte Daten. Alles, was mit den Informationen angestellt wird, geschieht nur mit Zustimmung der Prozessbeteiligten. Es geht bei Big Data nicht um persönliche Daten wie private E-Mails oder Gehaltsabrechnungen, vielmehr um die Analyse von Prozess- und Bewegungsabläufen und um deren sinnvolle Kombination. Das Ziel der Datenanalyse ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, die Potenziale ihrer Mitarbeiter zu erkennen und zu fördern. Dies hat sich in Deutschland schon ein wenig mit dem Personalcontrolling etabliert, Big Data geht noch einen Schritt weiter.