"Big Data ist keine Eintagsfliege"
Der Kölner Unternehmer Steffen Braun knüpft enge Kontakte zu Universitäten, um möglichst früh mit potenziellen Bewerbern ins Gespräch zu kommen: "Wir suchen die Nähe zur Wissenschaft, speziell zu Hochschulen, die sich mit Data Mining beschäftigen." Er bringt ein weiteres Fach ins Gespräch: "Wir haben gute Erfahrungen auch mit Bioinformatikern gemacht."
Business-Intelligence-(BI-)Experten weisen ebenfalls beste Voraussetzungen auf, um als Big-Data-Spezialisten zu arbeiten. "Für viele Berater, die bisher im BI-Umfeld gearbeitet haben, ist Big Data eine Weiterentwicklung und baut darauf auf", sagt Ralf Conrads von msg Systems in Ismaning bei München. Der 44-jährige IT-Berater arbeitet seit 14 Jahren in der Branche, zwölf davon als BI-Spezialist. Neben den vor allem für den Data Scientist in Anwenderunternehmen obligatorischen Mathematik- und Statistikkenntnissen nennt Conrads weitere Qualifikationen: "Ein Big-Data-Experte sollte wissbegierig und neugierig sein sowie in der Lage, auch abstrakte Informationen visuell aufzubereiten. Auch juristisches Wissen ist von Vorteil, ebenso eine gewisse Sensibilität für ethische Fragen."
Gerade durch die NSA-Skandale interessiert sich eine breite Öffentlichkeit plötzlich für IT-Zukunftsfragen und Big Data. Kritische Stimmen, die sich über das scheinbar enge Korsett des deutschen und europäi-schen Datenschutzes mokiert haben, sind kleinlaut geworden. Eigentlich sei der Datenschutz nur ein theoretisches Problem, mit dem die Branche eben leben müsse, ist zu hören. "Der Datenschutz bremst keine Projekte aus", postuliert Conrads. "Schon heute holen sich Unternehmen für viele Fragen die Genehmigung der User und Kunden ein und erhalten sie auch. Es ist wie ein Tauschgeschäft", argumentiert der msg-Systems-Mann. In Projekten säßen immer auch Datenschutzexperten mit am Tisch.
Wenn die technischen Möglichkeiten gerade erst Marktreife erlangen und viele Firmen sich Big Data erst zögerlich nähern, wie gefragt sind dann Big-Data-Experten? "Data Scientist ist ein relativ unbekanntes Berufsprofil. Weltweit gibt es 1000 bis 2000 dieser Experten", schätzt Peter Schneider, Vorstand der top itservices AG in Unterhaching bei München. "Viele von ihnen arbeiten bei den Produktanbietern und verkaufen den zeitlichen Vorsprung mit hohen Beratersätzen." Noch könnten die Anbieter häufig die Bedingungen der Zusammenarbeit diktieren, klagt Schneider. Zwar finden sich auch unter den IT-Freiberuflern Big-Data-Experten, doch Schneider, der mit seinem Unternehmen Freiberufler an Unternehmen vermittelt, geht davon aus, dass Firmen mittelfristig IT-Arbeitskräfte mit diesen Spezialkenntnissen fest anstellen werden, statt sie projektweise ins Haus zu holen: "Bei Big Data handelt es sich nicht um eine Eintagsfliege, sondern um eine Herausforderung, die uns noch viele Jahre beschäftigen wird."
- Big Data in Zahlen
Karl Valentin hat einmal das Bonmot geprägt, schwer sei leicht was. Das kann man für den Trend Big Data mit Sicherheit auch behaupten. Sinnvoll in der Theorie, schwer in der Realisierung. Wir liefern ein paar Fakten. - Welche Probleme sehen Sie beim Einsatz von Big Data?
Big-Data-Konzepte werden nicht vorangetrieben, weil es an den richtigen Skills fehlt.<br> Angaben in Prozent; n = 206; Mehrfachnennungen möglich; Quelle: BARC
Berufsprofile müssen klarer werden
Personalberater Rohrmeier sucht gerade für einen großen SAP-Dienstleister Big-Data-Experten, doch eine starke Nachfrage nach solchen Fachkräften sieht er bisher nicht: "Viele Unternehmen denken noch nach, wie sie das Thema aufgreifen sollen." Doch der Headhunter geht davon aus, dass im kommenden Jahr mehr Anfragen hinzukommen, erst recht, wenn sich Berufsbilder und Anforderungsprofile deutlicher herausschälen.
Auch das Beratungsunternehmen msg Systems ist noch vorsichtig und beobachtet erst einmal den Markt und die Weiterbildungsszene. BI-Spezialist Conrads: "Wir bilden zwar unsere Kollegen weiter, doch für uns ist Big Data noch eine Zusatzqualifikation wie andere auch. Ich sehe bislang keine Notwendigkeit, Big-Data-Experten im großen Stil zu suchen."(hk)
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