Analytics in der Praxis

Big Data im Reality Check - strategische Entscheidungen trifft der Bauch

27.07.2016
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Fast alle deutschen Unternehmen nutzen in irgendeiner Form Datenanalysen zur Entscheidungsfindung. Geht es um strategische Entscheidungen, verlassen sich Manager aber vor allem auf Intuition und Erfahrung. Zu diesem Ergebnis kommt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in einer breit angelegten Studie.
  • 97 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen Datenanalysen zur Entscheidungsfindung
  • 41 Prozent der Manager vertrauen bei strategischen Entscheidungen vor allem auf ihre Erfahrung und Intuition
  • Fortgeschrittene Analytics-Methoden („Advanced Analytics“) sind hierzulande weiter verbreitet als im internationalen Durchschnitt

Big Data ist in deutschen Unternehmen angekommen, fasst PwC die Ergebnisse einer aktuellen Studie zusammen. Mit 97 Prozent nutzten hierzulande fast alle Befragten Datenanalysen zur Entscheidungsfindung. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Lediglich 34 Prozent stützen auch ihre strategischen Entscheidungen auf "Data & Analytics". 41 Prozent der Entscheidungsträger vertrauen dagegen eher auf ihre Intuition und Erfahrung.

Für die Studie "PwC's Global Data and Analytics Survey 2016: Big Decisions" befragte die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft gut 2.000 Entscheidungsträger weltweit, darunter etwa 170 Manager aus Deutschland. "Subjektivität und Intuition können nicht komplett aus unternehmerischen Entscheidungsprozessen herausgefiltert werden", kommentiert Barbara Lix, Verantwortliche für das Thema Data & Analytics bei PwC in Deutschland. Dennoch könnten Tools helfen, strategische Entscheidungen zu verbessern: "Nur Unternehmen, die in ihrer Entscheidungsfindung das richtige Verhältnis von Kopf und Maschine finden, werden mit dem digitalen Wandel Schritt halten."

"Big Decisions" treffen auch deutsche Manager oft aus dem Bauch heraus, berichtet PwC.
"Big Decisions" treffen auch deutsche Manager oft aus dem Bauch heraus, berichtet PwC.
Foto: wavebreakmedia - shutterstock.com

Advanced Analytics: Deutsche Unternehmen haben die Nase vorn

Überraschend gut schneiden deutsche Unternehmen ab, wenn es um den Einsatz von fortgeschrittenen Formen der Datenanalyse geht ("Advanced Analytics"). PwC versteht darunter etwa prädiktive (prognose-basierte) und präskriptive (handlungsempfehlende) Analysemethoden. Während 52 Prozent der deutschen Entscheidungsträger bereits derlei Methoden nutzt, setzt die Mehrheit der Organisationen in anderen Ländern (57 Prozent) nach wie vor eher auf deskriptive und diagnostische Methoden, aus Sicht der PwC-Experten also auf "Basic Analytics" (siehe Grafik). Generell beschreiben nur vier von zehn Unternehmen aus anderen Ländern (39 Prozent) ihre Entscheidungsfindung als "sehr stark datengetrieben", während dies auf knapp die Hälfte der Befragten in Deutschland zutrifft.

"Die Studie zeigt, dass deutsche Unternehmen Daten und Advanced Analytics in hohem Maße nutzen, aber den Ergebnissen nicht im vollen Umfang trauen", interpretiert Lix die Ergebnisse. Das Potenzial von Datenanalysen zur Entscheidungsunterstützung könne besser ausgeschöpft werden, wenn "Führungskräfte systematisch lernen analytische Ergebnisse zu verstehen und zu bewerten, in welchen Fällen sie datengetriebenen Erkenntnissen vertrauen und wann sie diese mit ihrer Intuition kritisch hinterfragen."

Disruptive Veränderungen prägen strategische Entscheidungen

Ein Viertel der Befragten aus Deutschland glaubt laut PwC, dass ihre Branche bis 2020 von tiefgreifenden disruptiven Veränderungen geprägt sein wird. Mehr als die Hälfte erwartet "kreative Veränderungen", etwa in Form von neuen Geschäftsfeldern. 22 Prozent der deutschen Teilnehmer erwarten, dass im Grunde alles beim Alten bleibt.

Aufschlussreich in diesem Kontext sind Antworten auf die Frage, worum sich strategische Entscheidungen, PwC nennt sie "Big Decisions", drehen. Am häufigsten nennen Interviewte aus Deutschland wie auch aus anderen Ländern hier das Entwickeln oder Einführen neuer Produkte und Services. An zweiter Stelle steht das Erschließen neuer Märkte mit bereits existierenden Produkten. Von strategischer Bedeutung sind für die Interviewten aber auch IT-Investitionen, die am dritthäufigsten genannt werden.

Ein Großteil der strategischen Entscheidungen (76 Prozent) wirkt sich direkt oder indirekt auf den Umsatz der Unternehmen aus, berichtet PwC. Rein kostenorientiert sind demnach nur 23 Prozent der Entscheidungen ausgerichtet. Nationale Unterschiede gibt es in der Frage, wer von strategischen Entscheidungen am ehesten betroffen ist. Befragte aus Deutschland nennen hier mit 40 Prozent am häufigsten die eigenen Mitarbeiter, Auswirkungen auf Kunden erwarten nur 16 Prozent. International dagegen stehen die Kunden mit 27 Prozent an erster Stelle, Auswirkungen auf die eigenen Mitarbeiter erwarten nur 25 Prozent, dicht gefolgt von den Anteilseignern mit 24 Prozent. Letztere werden von deutschen Managern lediglich in 15 Prozent der Fälle genannt.

"Big Decisions" - Daten sind nicht das Problem

Trotz der Diskussion um die richtigen Analysemethoden und -Tools sind es offenbar nicht die Daten, die wichtige Entscheidungen in der Praxis behindern. Der PwC-Umfrage zufolge mangelt es in den meisten Fällen schlicht an Ressourcen beziehungsweise Personal. Aber auch Defizite im Management und gesetzliche Regularien erschweren strategische Entscheidungen. Datenbezogene Beschränkungen oder auch die Fähigkeit, Daten zu analysieren, stellen aus Sicht der Befragten hingegen keine Hürden dar.

Wie wichtig das Thema Analytics und Big Data auch in Zukunft sein wird, zeigt die Frage nach den Risiken im Kontext strategischer Entscheidungen. Sowohl deutsche als auch Entscheidungsträger aus anderen Ländern gehen von einem hohen Anteil unbekannter oder unsicherer Risiken aus (weltweit 47 Prozent). Nur gut die Hälfte aller Risiken stufen die Befragten als bekannt oder "handhabbar" ein.